Schroders Monatsausblick April: „Panik vorbei — und nun?“

„Panik vorbei — und nun?“, fragen unsere Experten beim Blick auf die Weltwirtschaft. Die Zentralbanken rücken wieder in den Blick, das Referendum zum Brexit kommt näher und die Schwellenländer kommen zurück in den Fokus der Anleger.

15.04.2016 | 15:50 Uhr

Nach ihrer Panik im Januar haben sich die Anleger wieder etwas gefangen: Aktien- und Anleihekurse gingen in die Höhe. Auch die Anleiherenditen sind gestiegen und der Risikoappetitindex hat den Panikbereich wieder verlassen. Fraglos war der Markt einfach überkauft und ein Einbruch fällig gewesen. Doch die wichtigsten zugrunde liegenden makroökonomischen Faktoren dafür waren die Maßnahmen der Zentralbanken und die strafferen Wirtschaftszahlen, die die Gefahr der Extremereignisse in der Weltwirtschaft gemindert haben. Das könnte die Anlagewerte ab jetzt weiter steigen lassen. Doch für eine nachhaltige Verbesserung müssen sich zunächst das reale Bruttoinlandsprodukt (BIP) und die Unternehmensgewinne wieder verbessern.

Weniger Gefahr von Extremereignissen, aber auch bessere Aussichten?

In der jetzigen Phase ist es schwierig, von einer Beschleunigung des realen BIP-Wachstums zu sprechen. Unsere Indikatoren verweisen zwar auf stetes, aber wenig spektakuläres Wachstum – eine Fortsetzung des Musters der vergangenen Jahre, wo die Weltwirtschaft sich schwer tat, über 2,5 % zu wachsen. Allerdings dürfte die US-Notenbank (Fed) die Zinsen weiter erhöhen – unserer Ansicht nach noch zweimal in diesem Jahr. Dadurch steigen die Aussichten, dass der Dollar noch stärker wird und Unruhe an die Märkte zurückkehrt. Es ist möglich, dass, wie wir gerade gesehen haben, ein Einbruch an den Märkten die Fed dann davon abhalten wird, an der Zinsschraube zu drehen. Dann könnten die Märkte wieder in die Höhe gehen. Das wäre allerdings angesichts des sehr niedrigen Zinssatzes in den USA und der späten Phase im Konjunkturzyklus nicht nachhaltig.

Könnten wir positiv überrascht werden? Es gibt Szenarien, nach denen das Wachstum die Erwartungen übertrifft. Zum Beispiel könnte sich der Rückgang der Ölpreise mit zeitlicher Verzögerung weiter durchschlagen und den Konsum beflügeln. Man darf nicht vergessen, dass die Verzögerungen lang sind. Und die Konsumenten brauchen Zeit, um zu erkennen, ob eine Veränderung dauerhaft oder eher von temporärer Natur ist. Außerdem ist die Sparquote in den USA weiterhin hoch. Auch wenn das in der Welt nach der Krise vielleicht zum Dauermerkmal geworden ist: Das gestiegene Vermögen könnte bedeuten, dass der Konsum 2016 durch weniger Sparen angekurbelt wird.

Ein weiteres mögliches Szenario wäre eine Produktivitätsverbesserung. Das erscheint angesichts der schwachen Kapitalinvestitionen derzeit unwahrscheinlich. Daher, wie bereits gesagt, müssen wir vielleicht noch einige Zeit warten, bis die Regierungen erkennen, dass die Zeit der geldpolitischen Maßnahmen vorbei ist und andere Anreize erforderlich sind.

Großbritannien: Gefahren des Brexit

In den Meinungsumfragen kurz vor dem Referendum der Briten über eine weitere Mitgliedschaft in der EU liegen die Befürworter und die Gegner nahezu gleichauf. Damit ist die Möglichkeit eines Brexit jetzt in greifbarer Nähe. Wir nehmen daher die Folgen unter die Lupe, die eine britische Entscheidung für den Ausstieg auf die Wirtschaft des Landes hätte. Ziel dieser Analyse ist es, Anleger zu informieren, nicht aber die Wahlberechtigten in Bezug auf das anstehende Referendum zu beeinflussen.

Beziehungen zwischen Großbritannien und der EU: Handel, Investitionsflüsse und Migration

Eines der Hauptargumente gegen einen Austritt aus der EU ist die Gefahr für den Handel. Zwischen 2012 und 2014 gingen 44,9 % der britischen Waren- und Dienstleistungsexporte in den Rest der EU. Gleichzeitig stammten 51,8 % der britischen Importe aus diesem Teil der Welt. Das unterstreicht die Bedeutung, die Großbritannien als Markt für die anderen Länder der EU hat. Darüber hinaus ist Europa für Großbritannien seit jeher eine wichtige Quelle für ausländische Direktinvestitionen (ADI). Sollte das Land aus der EU austreten, können sich die ADI-Flüsse in Zukunft verringern. Und auch die bestehenden Investitionen wären in Gefahr. Gleichzeitig würden Aktien- und Anleiheverkäufe durch internationale Anleger einen Preissturz auslösen. Auch hätte ein Rückgang der Anleihekurse höhere Zinssätze für Unternehmen und Staat zur Folge.

Migration als Folge der freien Bewegung von Arbeitskräften in der EU wird von Euroskeptikern häufig als Hauptgrund für den Austrittswunsch genannt. Doch seit 2005 sind netto 2,1 Millionen Menschen aus Nicht-EU-Staaten nach Großbritannien zugezogen, während die Zahl der Immigranten aus der EU nur 1,2 Millionen beträgt. Die EU-Migration hat zur Entstehung eines empfundenen Problems beigetragen. Doch aus wirtschaftlicher Sicht besteht hier überhaupt kein Problem. Denn diese Migranten arbeiten in der Regel, zahlen Steuern und mindern so die Belastung durch die demografische Alterung. Ein weiterer Streitpunkt sind die Kosten für die Mitgliedschaft in der EU. Der Nettobeitrag Großbritanniens lag lange zwischen 0,1 % und 0,2 % des Bruttonationaleinkommens (BNE), ist aber mittlerweile auf 0,3 % bis 0,4 % gestiegen. Als Prozentsatz des BNE gesehen, liegt er damit aber immer noch deutlich unter dem anderer Mitgliedsstaaten. Auch würden sich durch diesen Wegfall für die britische Wirtschaft keine besonderen Einsparungen ergeben.

Einschätzung der wirtschaftlichen Folgen

Sollte sich Großbritannien für den Brexit entscheiden, gäbe es zunächst einmal Verhandlungen über die Austrittsbedingungen, die sich über mindestens zwei Jahre hinziehen würden. Diese Phase der Unsicherheit dürfte sich unserer Einschätzung nach auf drei Bereiche auswirken, die wir modelliert und mit unserer Ausgangsprognose, die von einem Verbleib ausgeht, verglichen haben:

  1. Unsicherheit über den britischen Zugang zum gemeinsamen Markt dürfte die ADI-Nettozuflüsse reduzieren und inländische Investitionen verlangsamen;
  2. Haushalte würden aus Sorge über mögliche Arbeitsplatzverluste verstärkt sparen und weniger konsumieren;
  3. das britische Pfund dürfte auf handelsgewichteter Basis um die 12 % an Wert verlieren. Nach unseren Prognosen würde sich das reale BIP Großbritanniens bei einer Entscheidung für den Brexit um 0,9 % verringern. Gleichzeitig würde die Inflation bis Ende 2017 um 0,6 % gegenüber unseren Ausgangsprognosen steigen.

Die längerfristigen Prognosen sind sehr viel unsicherer. Doch die meisten Untersuchungen gehen davon aus, dass sich das BIP-Wachstum bei einem britischen EU-Austritt verlangsamen wird. Unserer Ansicht nach hängen die Auswirkungen auf die britische Wirtschaft von drei Faktoren ab: Handel, Migration und Zeichnungskosten. Der Brexit würde sich auch negativ auf das restliche Europa auswirken. Denn er würde zu einem Zeitpunkt, an dem Europa liberale Strukturreformen benötigt, den Verlust eines großen Mitgliedslandes mit Tendenzen zu einem liberalen freien Markt bedeuten.

Schwellenländer: Zeit zu kaufen?

Aktien der Schwellenländer haben bisher in diesem Jahr eine gute Wertentwicklung verzeichnet. Die unvermeidliche Frage ist: Ist das der Wendepunkt für die Schwellenmärkte oder wird sich diese Entwicklung erneut als trügerische Hoffnung erweisen?

Wechselspiel zwischen Risikobereitschaft und Risikoscheu

Hauptursache für die Wertentwicklung der letzten Zeit scheint die Stimmung zu sein (einschließlich der Hoffnung auf eine Ablösung der brasilianischen Präsidentin Dilma Rousseff). Parallel zur gestiegenen Risikobereitschaft erscheinen die Bewertungen an den Märkten der Schwellenländer insgesamt attraktiv und die Anleger warten seit Längerem auf eine Gelegenheit, wieder in diese Anlageklasse einzusteigen. Die grundlegende Unterstützung dafür wirkt jedoch schwach. Einer der wichtigsten grundlegenden Treiber für Schwellenländeraktien ist die Leistung im Exportbereich. Der Handel ist strukturell schwach und entwickelt sich mittlerweile nicht mehr besser als das globale BIP-Wachstum. Wir sehen hier keine unmittelbaren oder kurzfristigen Katalysatoren für eine Veränderung.

Wenn Sie sich fragen, ob Sie jetzt in die Schwellenländer einsteigen sollten, lautet die Antwort: nur dann, wenn Sie optimistisch in Bezug auf den Risikoappetit sind. In der jetzigen Phase spricht wenig dafür, dass das weltweite Wachstum stärker anzieht, als es derzeit der Fall ist. Und baut man auf Leitzinserhöhungen der Fed in diesem Jahr, so dürfte das eine Aufwertung des US-Dollars zur Folge haben. Das wiederum hat sich in der Vergangenheit stets negativ auf die Wertentwicklung von Schwellenländeraktien ausgewirkt.

Wenn jetzt also nicht der richtige Zeitpunkt für einen Wiedereinstieg in die Schwellenländer ist, wann dann? Ein wichtiger Auslöser wäre eine Wiederbelebung der Schwellenländerexporte. Doch erscheint eine größere langfristige Wiederbelebung angesichts der strukturellen Handelsveränderungen unwahrscheinlich. Das geringere Beta des Handels im Vergleich zum Wachstum bedeutet, dass die Volumina angesichts dieses Strukturwandels und unserer weltweiten Wachstumsprognosen verhalten bleiben dürften. Hingegen dürften sich die Handelswerte kurzzeitig erholen: und zwar zur zweiten Jahreshälfte hin, sofern sich die Rohstoffpreise nicht wesentlich verändern, da Basiseffekte aus dem Vergleich fallen. Ziehen jedoch die Rohstoffpreise vorher an, dürfte sich die Wertentwicklung in den Schwellenländern schneller erholen. Angesichts unserer Ansichten in Bezug auf China halten wir auch das für relativ unwahrscheinlich. Die Zeit für einen Kauf wird kommen. Aber noch nicht jetzt.

Laden Sie hier den Economic and Strategy Viewpoint - April 2016 vollständig herunter.

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