Schroders: Negative Zinsen und Auswirkungen auf die Gesamtwirtschaft

Haben Länder bereits Negativzinsen eingeführt, so scheinen diese der einheimischen Wirtschaft nur bedingt Impulse verleihen. Wir sehen daher große Herausforderungen für die entsprechenden Volkswirtschaften.

03.05.2016 | 11:13 Uhr

Im Januar führte die Bank of Japan als fünfte große Zentralbank negative Zinssätze ein, um die Kreditvergabe der Banken sowie Verbraucherausgaben zu fördern und in deren Folge auch das Wachstum und die Inflation. Wir räumen ein, dass sich durch die Negativzinsen die Kreditvergabe kurzfristig deutlich erhöhen kann. Unsere Analysen deuten jedoch auch auf eine Reihe unbeabsichtigter Folgen hin, welche die Wirtschaft auf lange Sicht belasten können. In dieser Ausgabe erläutern wir einige unserer Bedenken hinsichtlich negativer Zinsen.

Umverteilen von Ressourcen

Während die Zinsen seit Ausbruch der globalen Finanzkrise in allen Industrieländern gefallen sind, gelang es den Banken weitgehend, den Druck auf ihre Gewinnspanne bei Zinsen zu reduzieren: Indem sie die Differenz zwischen den durchschnittlichen Kosten der Mittelaufnahme und den Durchschnittspreisen der Kreditvergabe relativ konstant hielten. Doch die Zinsen rutschten zunehmend in den negativen Bereich ab. Um den wahrscheinlichen Abzug von Mitteln durch ihre Privatkunden zu verhindern, konnten die Banken die negativen Raten nur an ihre gewerblichen Kunden weitergeben. Neben dem ungünstigen regulatorischen Umfeld und der geringeren Rentabilität aufgrund flacherer Zinskurven, bereiten nun also auch Negativzinsen zusätzliche Sorgen um die Zukunft des Geschäftsmodells der Banken.

Um den Druck etwas abzufangen, haben die Banken in einigen Ländern die Finanzierungskosten für Haushalte erhöht (also nicht reduziert, wie es die niedrigeren Zinsen eigentlich nahelegen). In der Schweiz zum Beispiel haben sich nach der Einführung von Negativzinsen die Risikoaufschläge bei Hypotheken ausgeweitet (siehe Abbildung 1), was möglicherweise zum langsameren Anstieg der Wohnimmobilienpreise beitrug (siehe Abbildung 2). In anderen Ländern, die negative Zinsen einführten, wie beispielsweise Schweden, ist dieses Phänomen noch nicht aufgetreten. Unseres Erachtens sind höhere Kreditkosten trotz niedrigerer Kapitalkosten ein eindeutiges Zeichen dafür, dass ein Negativzinsumfeld unbeabsichtigte Folgen hat.

Abbildung 1: Schweizer Zinssätze

 

 

Abbildung 2: Wohnimmobilienpreise & Abbildung 3: Verschuldung privater Haushalte in Prozent des Bruttoinlandsproduktes




Kreditschöpfung

Entsprechend den Absichten der Zentralbanken wurden in einigen Ländern mit Negativzinsen mehr Kredite geschöpft (siehe Abbildung 4). Die Situation ist jedoch etwas komplexer und muss vor dem Hintergrund der wirtschaftlichen Erholung dieser Länder gesehen werden. Außerdem ergriffen diese auch andere Maßnahmen, etwa zur quantitativen Lockerung, um das Kreditvolumen auszuweiten. In der Eurozone stiegen seit Ausbruch der Finanzkrise die Ausleihungen an nichtfinanzielle Kapitalgesellschaften langsam an. Doch die verschärfte Regulierung (hier sind vor allem mit den Prüfungen der Aktiva-Qualität die „Stresstests“ sowie die höheren Kernkapitalanforderungen zu nennen) veranlassten einige Analysten zu der Annahme, dass sich Finanzinstitute immer weniger gegenüber der Kreditschöpfung verpflichten werden. Während viel für dieses Argument spricht, neigen wir dazu, in einigen der Maßnahmen der EZB (insbesondere den gezielten längerfristigen Refinanzierungsgeschäften, GLRGs/TLTROs) wertvolle Impulse für traditionelle Banken zu sehen. Wir vertrauen darauf, dass die großen Bargeldpuffer in den Unternehmensbilanzen einige der mittelfristigen Bedrohungen für die Kreditschöpfung in der Region erfolgreich ausgleichen.

Abbildung 4: Ausleihung von Banken an nichtfinanzielle Unternehmen (gestrichelte Linien stellen negative Zinsen dar)

 

Währungsabwertung für mehr Wettbewerbsvorteil

Die bisherigen Belege deuten darauf hin, dass die Negativzinsen den Ländern bei der Abwertung ihrer Währungen nicht wesentlich halfen. Wechselkurse drücken das Gleichgewicht zwischen den Handelsbilanzen von Volkswirtschaften aus und hängen von komplexen Interaktionen mehrerer ökonomischer Variablen ab (eine davon ist die Zinsdifferenz zweier Nationen). Während die Währung in einigen der Länder, die als erste negative Zinsen einführten, in sehr kurzer Zeit abwertete (z. B. Schweden), trat in den meisten der Länder genau das Gegenteil ein. Sehr treffend ist das Beispiel Japan, wo der Yen nach der Einführung der Negativzinsen gegenüber dem US-Dollar aufwertete (Abbildung 5). Das zeigt, dass andere fundamentalen Faktoren (vor allem eine starke Leistungsbilanz und das schwächere Wachstum der japanischen Wirtschaft) eine wichtigere Rolle spielen als die Ausweitung der Zinsdifferenz.

Abbildung 5: Euro (rechte Skala) und Yen (linke Skala) gegen US-Dollar (gestrichelte Linien stellen die Einführung negativer Zinsen dar)

 

Fazit

Die Daten aus Ländern, die bereits Negativzinsen eingeführt haben, lassen vermuten, dass diese der einheimischen Wirtschaft nur bedingt Impulse verleihen. Unsere Analysen haben gezeigt, dass bessere Kreditbedingungen oder eine Abwertung der eigenen Währung bislang nicht den Negativzinsen zugeschrieben werden kann – zumindest nicht, solange die Banken ihre Geschäftsmodelle erheblich dehnen. Wir glauben daher, dass durch die Einführung negativer Zinsen oder gar das weitere Absenken in den negativen Bereich auf lange Sicht große Herausforderungen entstehen.

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