Schroders: Wachstum, Inflation und Zinsen auf Abwärtskurs

Sowohl die Wachstumsprognose als auch die Schätzung zur Inflation für die Industrieländer haben wir für 2016 gesenkt. An unseren Prognosen für 2017 ändert kaum etwas. Europa wird zum Ruhepol und die Schwellenländer scheinen die Talsohle durchschritten zu haben.

11.03.2016 | 10:24 Uhr

Unsere globale Wachstumsprognose für 2016 haben wir von 2,5 % auf 2,4 % gesenkt: Dies liegt an moderaten Herabstufungen bei Industriestaaten und Schwellenländern. Auch die Inflationsprognose für 2016 wurde für die Industrieländer mit Blick auf den gesunkenen Ölpreis nach unten korrigiert. Die Inflation in den Schwellenländern ist jedoch höher, was größtenteils der Währungsabwertung und den höheren regulierten Preisen geschuldet ist. An unseren Prognosen für 2017 ändert sich kaum etwas. Das Wachstum wird sich infolge der wirtschaftlichen Stabilisierung in den Schwellenländern leicht verbessern.

Die Geldpolitik ist lockerer als in unseren früheren Prognosen. Zwar erwarten wir keine Rezession in den USA, wir rechnen allerdings im Juni mit der nächsten Zinserhöhung – der weltweite Konjunkturrückgang und die jüngste Straffung der Finanzbedingungen halten die US-Notenbank davon ab, bereits im März tätig zu werden. Die japanische Zentralbank dürfte ihren Zins bis Ende 2016 weiter auf -0,25 % und bis Ende 2017 auf -0,5 % senken. Auf die Geldpolitik in Europa und China gehen wir später ein.

Prognosen verschieben sich und die Unruhe steigt

​Das Wachstum hält zwar an, doch unsere Prognosen haben sich verschoben. Sie zeichnen jetzt ein Bild von weltweit schwächerem Wachstum, niedriger Inflation und lockerer Geldpolitik. Die langfristige Prognose bleibt dennoch schwer abzuschätzen. Das zugrunde liegende Wachstum ist schwach, was die Weltwirtschaft in Zeiten „geldpolitischer Ohnmacht“ anfällig für Erschütterungen erscheinen lässt. Dass sich die japanische Zentralbank Ende Januar für die Einführung von Negativzinsen entschieden hat, macht die Sorgen greifbar. 

Und die Kursverluste bei Bankentiteln zeigen, dass sich ein solcher Schachzug auch durchaus kontraproduktiv auswirken kann. Die Zentralbanken können und werden mehr unternehmen, doch zurzeit beschränken sie sich auf Schreckschüsse. Jetzt ist ganz klar eine Reaktion von staatlicher Seite erforderlich. Nach unserer Ansicht sollte die Fiskalpolitik auf den Plan treten. Obwohl dies faktisch nötig wäre, glauben wir nicht dass die Politik sich einmischen wird – ungeachtet der öffentlichen Schelte.

Szenarioanalysen

Wir haben unsere Szenarios in diesem Quartal nicht geändert. Denn wir finden, dass die Risiken für die Weltwirtschaft nach wie vor darin erfasst sind. Die Wahrscheinlichkeiten tendieren in eine deflationäre Richtung. Es ist erfreulich, dass die Deflationsgefahr im Verhältnis zur Ausgangslage unserer Ansicht nach nicht gestiegen ist. Sie ist aber immer noch hoch und – wie beschrieben – nach wie vor beunruhigend. Denn die Zinsen sind niedrig und es besteht der Eindruck, dass die Geldpolitik die Konjunktur nicht nachhaltig beflügeln kann. Sollte es zu einem Deflationsschock kommen, darf man daran zweifeln, dass die Zentralbanken das Problem alleine lösen könnten. Vielmehr dürften dann die Rufe nach staatlichen Eingriffen noch viel lauter werden.

Europa: Oase in einer unsicheren Welt

​​Trotz der zunehmenden Sorge über die Gesundheit der US-amerikanischen Konjunktur und der anhaltenden Ängste gegenüber China und den Schwellenländern wächst Europa solide und stetig weiter – bei zudem überschaubarem politischen Risiko. Wer hätte gedacht, dass Europa für die weltweiten Anleger einmal zu einer Oase werden würde?

Prognose für die Eurozone:

Geringe Verschlechterung … wieder einmal

Nach unseren aktuellen Prognosen wird sich die Konjunktur in der Eurozone leicht verschlechtern. Doch der größte Teil dieser Veränderungen kommt eher über Basiseffekte statt durch grundlegend verschobene Einschätzungen. Die Voraussage für das BIP-Wachstum 2016 wurde von 1,5 % auf 1,4 % nach unten korrigiert. Hingegen wird für 2017 hier unverändert 1,6 % prognostiziert. Wir gehen jetzt aufgrund der niedrigeren Ölpreise für 2016 von einer Inflation von 0,7 % (zuvor 1,3 %) aus. Die Inflationsprognose für 2017 liegt unverändert bei 1,6 %. Wir rechnen damit, dass die Europäische Zentralbank den Einlagenzinssatz im März von derzeit -0,3 % auf -0,4 % weiter senken wird. Es spricht nur wenig dafür, dass die Banken die Kosten des negativen Einlagenzinses an die Haushalte weitergereicht haben. Hier besteht Spielraum für eine weitere Zinssenkung. Außerdem gehen wir von einer nochmaligen Senkung um 10 Basispunkte im Jahresverlauf aus.

Prognose für Großbritannien:

Inflationsprobleme sorgen für Eintrübungen bei den Zinssätzen

Das Quartalsprofil unserer Konjunkturprognose für Großbritannien wurde leicht nach oben korrigiert. Denn das verfügbare Einkommen in den Haushalten steigt, weil durch die niedrigeren Ölpreise die Inflation zurückgeht. Unsere Prognose für das BIP-Wachstum bleibt unverändert bei 1,9 % für 2016 und bei 1,6 % für 2017. Sehr viel interessanter ist die Inflationsprognose. Einerseits gibt es durch die niedrigeren Nahrungsmittel- und Energiepreise zusätzliche Abwärtsrisiken. Andererseits gibt es neuerdings Aufwärtsrisiken infolge der durch die Brexit-Diskussion ausgelösten Abwertung der britischen Währung. Insgesamt haben wir unsere Inflationsprognose für Großbritannien von 1,3 % auf 0,8 % für 2016 und von 2,2 % auf 2 % für 2017 gesenkt.​Wir gehen nicht mehr von einer Zinserhöhung im August aus. Denn nach unserer Prognose steigt die Gesamtinflation im Frühjahr nicht mehr über 1 % (die untere Grenze des zentralen Ziels von 2 % der Bank of England); dies erwarten wir eher für den Sommer. Wir rechnen nach wie vor mit einer Zinsanhebung im November 2016 und im Februar 2017.

Schwellenländer: Tiefpunkt erreicht?

China​

Dieses Jahr rechnen wir weiterhin mit einer Abkühlung. Das BIP-Wachstum dürfte dieses Jahr bei 6,3 % und bei 6,2 % im nächsten Jahr liegen. Unsere Inflationszahlen bleiben unverändert. Grund dafür ist die Kombination aus der nur begrenzten Weitergabe der niedrigeren Ölpreise an die Wirtschaft und der weiteren Abwertung des Yuan. Wir prognostizieren für 2016 eine Inflation von 1,9 % und für 2017 von 2,1 %. Der Senkung des Mindestreservesatzes am 29. Februar um 0,5 % dürfen in diesem Jahr neben Zinssenkungen zusätzliche Reduzierungen um weitere 2 % folgen.

Brasilien

Das BIP dürfte 2016 um 2,8 % zurückgehen. Es ist noch zu früh, von einer Wende zu sprechen. Doch wir erwarten positives Wachstum für das Jahr 2017. Unserer Ansicht nach dürfte die brasilianische Wirtschaft irgendwann in diesem Jahr das Schlimmste hinter sich gebracht haben. Gleichzeitig wird das zögerliche Durchschlagen der Währungsabwertung die Inflation noch einige Zeit oben halten. Dennoch äußert sich die Zentralbank in letzter Zeit eher zurückhaltend. Daher rechnen wir in diesem Jahr nicht mit einer Zinsveränderung. Unserer Ansicht nach besteht 2017 die Möglichkeit einer Lockerung.

Indien

​Zwar bestätigen die Zahlen des vierten Quartals, dass Indien unter den wichtigsten Volkswirtschaften am schnellsten wächst – die Zuverlässigkeit der Wachstumsdaten scheint allerdings zweifelhaft. Auf Grundlage von häufiger erfasstem Material sehen wir das BIP-Wachstum eher im Bereich von 5 % bis 6 % als bei der ausgewiesenen Zahl von 7,3 %. Allerdings haben sich unsere Prognosen nicht geändert. Wir sehen für 2016 weiterhin ein Wachstum von 7,5 % und für 2017 von 7,9 %. Verglichen mit den historischen Durchschnittswerten ist die Inflation in Indien weiterhin niedrig, da das Land von den niedrigen Rohstoffpreisen profitiert. Wir gehen davon aus, dass 2016 die Zinsen unverändert bleiben und eine Zinssenkung erst 2017 ansteht.

Russland

Der weitere Verfall des Ölpreises hat uns veranlasst, unsere Wachstumserwartungen für Russland 2016 auf -0,7 % (von -0,2 %) zu senken. Wir rechnen für 2017 mit einem schwachen positiven Wachstum, da das Schlimmste der Ölpreiskrise vorbei ist. Zudem gibt es erste Anzeichen,dass die Wirtschaft die Talsohle hinter sich hat. Für 2016 haben wir unsere Inflationsprognose (von 7,1 %) auf 8 % erhöht, da sich die niedrigeren Ölpreise in einer Währungsschwächung durchschlagen und Aufwärtsdruck auf die Inflation ausüben werden. Unserer Ansicht nach besteht dieses Jahr Spielraum für Zinssenkungen.

Diesen Beitrag teilen: