Schroders: Zeit, den Panikknopf zu drücken?

Die Experten von Schroders schauen bei ihrem monatlichen Marktausblick auf die Weltwirtschaft, nach Großbritannien, in Richtung Schwellenländer und nach China. Der Ölpreisverfall bestimmt die Diskussion auch weiterhin.

19.02.2016 | 12:19 Uhr

Der Ölpreisverfall, eine weitere Abwertung des chinesischen Yuan und Sorgen über die USA waren Faktoren, die zu einem schlechten Jahresstart für riskante Anlageklassen beigetragen haben. Trotz Vorsicht über die globale Konjunktur halten wir diese Sorgen für überzogen. Allerdings geben wir zu, dass der potenzielle Wertverlust des Yuan dabei die größte „bekannte Unbekannte“ darstellt.

Die Abwertung des Yuan und die Entscheidung der japanischen Notenbank vom Januar, einen Negativzins einzuführen, macht deutlich, wie hoch das Extremrisiko eines Währungskriegs 2016 tatsächlich ist.

Für die bisherigen Marktturbulenzen in diesem Jahr scheint es zwei Verantwortliche zu geben. Der erste ist der anhaltende Ölpreisverfall, der die globalen Aktienmärkte schon vergangenes Jahr nach unten gezogen hat. Wir halten die Sorgen für überzogen und behaupten nach wie vor, dass niedrigere Ölpreise generell zu starkem Wachstum führen (wenn auch mit 18 Monaten Zeitverzögerung).

Schwäche des Yuan, Schwäche bei Aktien

Der zweite Faktor ist die Abwertung der chinesischen Währung. Wir können keine zwingenden Gründe für die Abwertung des Yuan durch die chinesischen Behörden erkennen. Daher stimmt uns optimistisch, dass die Währung seit dem 7. Januar stabil ist. Unserer Ansicht nach wird die Regierung wieder Kapitalkontrollen einführen müssen, um die Währungsstabilität zu sichern. Denn inländische Zinsanhebungen stehen außer Frage. Vor diesem Hintergrund wird das Szenario eines Währungskriegs für uns immer wahrscheinlicher (mit einer Abwertung von 20 % in China, was eine Reaktion anderswo auslöst). Dass die japanische Notenbank im Januar einen Negativzins eingeführt hat, lässt sich als Antwort auf die deutliche Aufwertung des handelsgewichteten Yen seit Jahresbeginn gesehen.

Rezessionsgefahr in den USA?

Auch die Sorge über die Konjunktur in den USA hat riskante Anlageklassen in den Keller gedrückt. Für uns ist diese Sorge übertrieben. Denn erstens wird der Ölpreis den Konsum beflügeln. Zweitens wird die Geldpolitik in Form von höheren Staatsausgaben das Bruttoinlandsprodukt der USA um 0,5 % erhöhen. Und drittens ist der Unternehmenssektor nicht über Gebühr überzogen, während sich die Bilanzen der privaten Haushalte deutlich verbessert haben. Ein großer Teil der Flaute in den USA ist auf den Lagerzyklus zurückzuführen. Und solange der erwartete Endkonsum durch den Verbraucher stabil bleibt, dürfte das Wachstum im laufenden Quartal solide bleiben. Allerdings ist die Wahrscheinlichkeit, dass die US-Notenbank die Zinsen im März erhöht, deutlich gesunken.

Nach unserer Analyse ist die düstere Sichtweise der weltweiten Konjunktur übertrieben, besonders was den Ölpreis betrifft. Sind die Märkte dann zu pessimistisch geworden? Die größte Unbekannte ist die Frage, was mit dem Yuan passiert – und ob es zu weiteren erheblichen Abwertungen kommt. Wenn sich der Yuan etwas stabilisiert, die Federal Reserve  beruhigende Stellungnahmen abgibt und sich die Konjunkturzahlen in den kommenden Monaten verbessern, dürfte sich die Stimmung am Markt deutlich aufhellen.

Pfund Sterling auf Talfahrt, da die politische Gefahr in den Fokus rückt

Das britische Pfund hat sich seit Anfang November unter den G10-Währungen am schlechtesten entwickelt. Dieser Rückgang lässt sich mutmaßlich durch die sinkenden Erwartungen einer Zinserhöhung (wahrscheinlich bedingt durch den Ölpreisverfall) erklären. Allerdings rückt jetzt, wo die Meinungsumfragen knapper werden, die Gefahr eines Brexit stärker in den Vordergrund. Auch wenn Hinweise auf einen Rückzug aus dem Pfund Sterling in Zusammenhang mit dem Brexit im Ansatz vorhanden sind, so könnte es unserer Ansicht nach zu weiteren Abwertungen kommen, wenn die Risiken weiter steigen.

Das Pfund Sterling hat in den vergangenen beiden Monaten gerade seine höchste Abwertung gegenüber dem US-Dollar seit Ende 2008 – dem Höhepunkt der Finanzkrise – erlebt. Es ist sicherlich nicht einfach, die Gründe dafür klarzumachen. Infolge der überbordenden Verschuldung der Wirtschaft durch ihr Doppeldefizit war die Währung schon immer anfällig für eine Korrektur. Gleichzeitig haben sich die Erwartungen der ersten Zinserhöhung nach hinten verschoben. Denn Anleger halten ein Sinken der Zinsen 2016 jetzt für wahrscheinlicher als eine Erhöhung, was nicht förderlich ist. Zudem besteht die Möglichkeit, dass sich mittlerweile der erste Einfluss der „Brexit-Gefahr“ (das Risiko, dass Großbritannien die Europäische Union verlässt) auf das Pfund bemerkbar macht.

Die Umfragen in Bezug auf das erwartete Referendum über die Mitgliedschaft des Landes in der EU werden knapper. Aus den letzten fünf Umfragen ergab sich, dass die Wahrscheinlichkeit des Brexit im Durchschnitt bei fast 50 % liegt. Man könnte argumentieren, dass das allgemein höhere Bewusstsein der möglichen politischen Gefahren eines EU-Ausstiegs schon ausreichend gewesen ist, einen Rückzug aus der britischen Währung auszulösen, oder dass das Brexit-Risiko die Erwartungen auf eine mögliche Zinserhöhung teilweise vermindern könnte. Mark Carney, der Gouverneuer der Bank of England, sprach kürzlich davon, dass sich der Brexit negativ auf die Wirtschaft auswirken könnte. Das könnte Anleger zu der Annahme verleiten, dass die britische Notenbank die Zinserhöhungen angesichts solcher anstehenden Risiken für das Land lieber erst einmal verschiebt.

Vergleicht man jedoch die relativen Erwartungen einer Zinserhöhung über den Zeitraum von zwei Jahren, so lässt sich der jüngste Wertverlust des Pfund Sterling gegenüber dem US-Dollar umfänglich dadurch erklären, dass die Erwartungen an eine zukünftige Angleichung des britischen Zinssatzes an den der USA zurückgegangen sind. Das lässt darauf schließen, dass es wenig Anzeichen für einen Brexit-Risikoaufschlag in der britischen Währung gibt (mit anderen Worten: Nichts in der jüngsten Abwertung ließe sich durch die Angst vor einem Brexit erklären). Es bedeutet auch, dass das Pfund noch weiter abgewertet werden könnte, sollten die Brexit-Gefahren eskalieren.

Sorge über China

Die Marktturbulenzen in China haben weltweit eine überzogene Reaktion ausgelöst. Doch die Bewegungen am Aktienmarkt haben wenig oder gar nichts mit der Wirtschaft zu tun. Die Währungsschwäche stellt zwar eine größere Bedrohung für die Welt dar. Doch scheint eine Abwertung in höherem Ausmaße immer noch weit entfernt zu sein.

Zurzeit herrscht große Nervosität an den weltweiten Märkten, was größtenteils auf das Konto von China geht. Jedoch haben die jüngsten heftigen Einbrüche an den Aktienmärkten keine wirtschaftliche Grundlage. Nach unserer Einschätzung der Wirtschaftslage ist sogar eine gewisse Stabilisierung in China festzustellen. Und unser eigenes Modell der chinesischen Wirtschaftsaktivität weist darauf hin, dass sich die Konjunktur weiter erholt. Allerdings hatten wir nicht erwartet, dass die geldpolitischen Anreizmaßnahmen so schnell ihre Wirkung verlieren. Daher dürften die schwächeren Zahlen im Dezember weitere Kürzungen von Zins- und Mindestreservesatz (um 35 bzw. 100 Basispunkte) im ersten Quartal 2016 nach sich ziehen.

Währungsschwäche ist ein größeres Problem

Das aktuell größere Problem für China ist die Währungsschwäche und damit die Frage, ob die Regierung die derzeitige Politik der stufenweisen Abwertung fortsetzen oder eine aggressivere einmalige Abwertung vornehmen wird. Beide Optionen würden sich für den Rest der Welt als deflationär erweisen, und das besonders für Volkswirtschaften, die selber nicht abwerten (also die USA). Eine einmalige Abwertung hätte eine größere unmittelbare Wirkung, dürfte die Märkte aber eher beruhigen, da dadurch die Unsicherheit entfällt. Denn nach einer ausreichend hohen Abwertung sollten sich Erwartungen eines weiteren Wertverlusts zerstreuen. Im Gegensatz dazu gibt es bei einer stufenweisen Abwertung keinen Endpunkt, sodass Unsicherheit und Unruhe weiter hoch bleiben. Möglich ist auch, dass die Währung übers Ziel hinausschießt und schwächer wird als notwendig oder von Regierungsseite erwünscht. Denn die Erwartungen einer Abwertung bilden einen Teufelskreis der endlosen Fortsetzung, der letztendlich für die Welt deflationärer wäre.

Unserer Ansicht nach wäre eine einmalige signifikante Abwertung (von beispielsweise 20 %) für China besser als eine stufenweise Abwertung in gleicher Höhe. Zurzeit scheint die Regierung (soweit sich das ableiten lässt) eher zur stufenweisen Abwertung zu neigen. Der Renminbi dürfte sich bis zum Jahresende bei rund 6,80 US-Dollar bewegen, während er aktuell bei 6,58 US-Dollar steht.

Das wahrscheinlichste Ergebnis ist eine Stabilisierung der chinesischen Währung

Zurzeit sehen wir hier drei Möglichkeiten. Die erste und vorteilhafteste ist, dass die Abwertungen der letzten Zeit hauptsächlich auf die Wahrung eines stabilen handelsgewichteten Wechselkurses für den Renminbi abzielen und dass sich an dieser politischen Zielsetzung nichts ändert. Die zweite ist, dass die Währungsschwäche die Konjunktur- und Deflationsängste der Regierung spiegelt und größere politische Maßnahmen, möglicherweise eine erhebliche Abwertung, bevorstehen. Für die globale Wirtschaft und besonders die Märkte würde sich das kurzfristig als enormer Störfaktor erwiesen. Eine weitere Möglichkeit wäre schließlich, dass die Regierung keine Kontrolle darüber hat, dass die Kapitalabflüsse ihre Bereitschaft zur Verteidigung der Wirtschaft übersteigen und Abwertung damit der Weg des geringsten Widerstandes ist.

Wir gehen grundsätzlich von dem günstigeren Szenario aus, sehen aber in der Abwertung eine definitive Gefahr.

Zusammenfassend lässt sich sagen: Wir machen uns weder Sorgen über die Börsenschwäche in China, noch sehen wir in den jüngsten makroökonomischen Daten einen Hinweis auf einen bevorstehenden Zusammenbruch. Die Hauptgefahr, die derzeit von China für den Rest der Welt ausgeht, ist die Währungsschwäche aufgrund der auf diese Weise exportierten Deflation. Wir gehen davon aus, dass sich die makroökonomische Schwäche aufgrund der nachlassenden Anreizwirkungen 2016 wieder einstellen wird, sehen darin aber immer noch kein Signal für eine bevorstehende harte Landung.

Die Schroders Autoren:

Volkswirt Azad Zangana, Emerging Markets Economist Craig Botham und Chefvolkswirt Keith Wade

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