Schwellenländer: 2014 nur geringes Wachstum

Titel der Publikation: Noch keine neue Zuversicht an den Kapitalmärkten
Veröffentlichung: 01/2014
Autor: Yvonne McCarthy, Mauro Toldo, Janis Hübner
Auftraggeber: DekaBank (Website)
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DekaBank sieht die größte Schwachstelle vieler Staaten in Leistungsbilanzdefiziten. Langfristig sind die Aussichten gut.

24.01.2014 | 15:33 Uhr

Die DekaBank gibt aktuell einen durchwachsenen Ausblick für die Schwellenländer: „Gemessen an den Einkaufsmanagerindizes hat sich in den Emerging Markets die Stimmung im Unternehmenssektor im Dezember etwas eingetrübt“, stellen die Volkswirte fest. „Die Niveaus deuten auf eine verhaltene Wachstumsdynamik hin, was angesichts der Belastungen, denen die Kapitalmärkte 2013 ausgesetzt waren, aber auch schon als ein Erfolg betrachtet werden kann.“ Für 2014 erwarten sie lediglich eine geringe Beschleunigung des Wirtschaftswachstums von 4,6 Prozent auf 4,8 Prozent. Das deutlich schnellere Wachstum der Schwellenstaaten im Vergleich zu den Industrieländern dürfte sich damit auch im laufenden Jahr fortsetzen. „Allerdings wird die Entwicklung durch ein verschlechtertes globales Finanzierungsumfeld belastet“, geben die Experten zu bedenken. „Die Wachstumsraten dürften in Zukunft geringer ausfallen als in den vergangenen Jahren.“ Als größte Schwachstelle machen sie die Leistungsbilanzdefizite vieler Staaten aus. Damit steige deren Abhängigkeit von internationalem Kapital. „Doch die Auslandsverschuldung ist in den meisten Ländern moderat, sodass auch deutliche Währungsverluste verkraftet werden können.“

Zu Beginn dieses Jahres hätten es die Emerging Markets nicht geschafft, mit der Performance der entsprechenden Assetklassen in den Industriestaaten mitzuhalten. „Wir sehen eine Grundskepsis bei Investoren, die sich aus der Unsicherheit über den geldpolitischen Kurs in den USA und der Enttäuschung über strukturelle Probleme in den Schwellenländern speist“, begründen die Volkswirte. Der von ihnen erwartete Renditeanstieg am US-Rentenmarkt bedeute auch in diesem Jahr ein schwieriges Umfeld für EM-Anleihen. „Für die Währungsmärkte erwarten wir eine anhaltend hohe Volatilität. EM-Aktien sollten von einem weiteren Anstieg der Leitindizes profitieren.“ Den massiven Kursverlusten des vergangenen Sommers gewinnen die Deka-Experten etwas Positives ab: „Dieser unerwünschte ‚Stresstest‘ hat gezeigt, dass die Fähigkeit der Länder, Turbulenzen zu widerstehen, recht hoch ist.“ Fallende Kurse und Kapitalabflüsse führten in den meisten Fällen nicht mehr zu schweren Wirtschaftskrisen. Das im Trend hohe Wirtschaftswachstum, die Verhinderung einer Rückkehr zu hoher Inflation durch die Notenbanken sowie eine konservative Fiskalpolitik, die Schuldenkrisen vorbeugt, begründen die insgesamt positive Einschätzung der langfristigen Aussichten der Volkswirte.

Russland: Reformen werden nicht umgesetzt

Das vergangene Jahr lief nicht gut für Russland. Die BIP-Prognosen wurden immer wieder nach unten revidiert. Eine signifikante Veränderung ist vorerst nicht in Sicht: „Russlands Wirtschaft leidet unter schwacher Exportnachfrage, gedämpfter Konsumtätigkeit und fehlender Investitionsbereitschaft“, stellt Yvonne McCarthy, Deka-Expertin für Mittel- und Osteuropa, fest. „Das Ende des Öl-Booms macht es dringend notwendig, strukturelle Reformen in die Wege zu leiten.“ Angesichts der angekündigten Änderung der Währungspolitik durch die Russische Zentralbank (CBR) schließt sie zudem steigende Inflationsraten nicht aus. Mit einem Zurückfahren der Devisenmarktinterventionen will die CBR die Märkte auf einen frei floatenden Rubel ab 2015 vorbereiten. „Wir rechnen im laufenden Jahr mit einem etwas stärkeren Wirtschaftswachstum von 2,1 Prozent“, so McCarthy. „Die Inflationsrate sollte im Jahresverlauf auf unter sechs Prozent sinken, aber nicht auf die von der Zentralbank als Zielwert angegebenen fünf Prozent.“

Eines der größten Probleme Russlands sei das Geschäftsklima. Dies hänge insbesondere mit der hohen Korruption im Land zusammen. Zwar seien Reformen zur Verbesserung des Geschäftsklimas immer wieder angekündigt worden, tatsächliche Fortschritte habe es jedoch kaum gegeben. Die Volkswirtin warnt: „Ohne umfangreiche und tiefgreifende Reformen, eine weitere Verbesserung des Geschäftsklimas und die Eindämmung der Korruption bleiben die wirtschaftlichen Perspektiven Russlands getrübt.“

Türkei: Außenwirtschaftliche Ungleichgewichte belasten die Entwicklung

Die Türkei macht derzeit hauptsächlich wegen politischer Spannungen auf sich aufmerksam. Dadurch kam es zu Verwerfungen an den Märkten: „Die Türkische Lira hat deutlich abgewertet und nun die Marke von 2,20 TRY/USD geknackt“, sagt Mauro Toldo, Deka-Volkswirt für Lateinamerika, den Nahen Osten und Afrika. Er geht davon aus, dass die Schwäche der Währung in einem höheren Inflationsdruck münden wird. „Positiver ist der Effekt der Abwertung hinsichtlich des Abbaus der außenwirtschaftlichen Ungleichgewichte zu sehen, denn sie dürfte einen weiteren Rückgang des Leistungsbilanzdefizits in diesem Jahr ermöglichen.“

Insgesamt sei die türkische Wirtschaft dynamisch und gut diversifiziert. „Allerdings stellen außenwirtschaftliche Ungleichgewichte und schwache Institutionen eine Belastung für die wirtschaftliche Entwicklung dar“, so der Experte. „Obwohl wichtige Probleme, wie die niedrige Sparquote oder die Abhängigkeit von Energieimporten, adressiert werden, brauchen die durchgeführten Maßnahmen noch Zeit, um Wirkung zu zeigen.“ Große Fortschritte habe das Land am Bosporus hinsichtlich der Haushaltskonsolidierung und beim Schuldenabbau machen können. Die öffentliche Verschuldung sei in den vergangenen Jahren zurückgegangen und betrage derzeit rund 40 Prozent des BIP – Tendenz fallend. „Das Wachstum sollte mittelfristig vom soliden inländischen Konsum und immer mehr von der Erholung in Europa profitieren“, erwartet Toldo. Allerdings sei die Türkei auf externe Finanzierung angewiesen. „In der Vergangenheit wurde dieser Bedarf durch einen Zufluss an Portfolioinvestitionen gedeckt, die vor allem in den lokalen Rentenmarkt flossen“, erläutert der Volkswirt. „Im aktuellen Umfeld erhöhter Unsicherheit an den Kapitalmärkten dürften diese Zuflüsse abnehmen. Jedoch böten die hohen Währungsreserven von über 100 Milliarden US-Dollar ein gutes Liquiditätspolster.

Brasilien: Hohe Inflation trotz niedrigen Wachstums

Mitte Januar hat die brasilianische Zentralbank den Leitzins stärker als erwartet auf 10,5 Prozent angehoben. „Sie sah sich gezwungen, auf die hartnäckige Inflation zu reagieren, nachdem die Regierung die angekündigten Ausgabenkürzungen nicht geliefert hat“, erläutert Toldo die Maßnahme. „Die Inflation hatte das Jahr mit einer Jahresveränderungsrate von 5,9 Prozent – deutlich oberhalb des Zentralbankziels von 4,5 Prozent – abgeschlossen.“ Trotz schwachen Wachstums bleibe die Teuerungsrate auf hohem Niveau. „Man könnte sagen: Die brasilianische Wirtschaft bekommt jetzt die Rechnung für die übertriebene fiskalische und monetäre Lockerung in den vergangenen Jahren präsentiert.“ Auch für 2014 erwartet Toldo keinen Rückgang der Inflation. Aufgrund der Fußball-WM und der Präsidentschaftswahlen werde die versprochene fiskalische Konsolidierung weiter nach hinten verschoben. Durch eine konservative Kreditvergabe der Banken und schlechte Bedingungen am Arbeitsmarkt leide zudem der private Konsum. „Das Wachstum dürfte sowohl im Jahr 2013 als auch im laufenden Jahr nur knapp oberhalb der Marke von zwei Prozent liegen“, sagt Toldo.

Das Problem: Reformen würden in Brasilien auf die lange Bank geschoben. Dies habe zu einer deutlichen Investitionszurückhaltung geführt. Die seit dem Krisenjahr 2002 von 77 Prozent auf 59 Prozent des BIP zurückgefahrene öffentliche Verschuldung steige nun wieder an. „Die Aussichten für strukturelle Reformen haben sich in den vergangenen verschlechtert, denn der Fokus der Regierung liegt aktuell auf der Stützung der Konjunktur.“

China: Volksrepublik bleibt Treiber der Weltwirtschaft

Am chinesischen Interbankenmarkt sind im Dezember 2013 die Zinsen in die Höhe geschossen. Bei Asien-Experte Janis Hübner werden Erinnerungen an den vergangenen Sommer wach: „Wie damals war der Anstieg jedoch nicht auf Bonitätssorgen zurückzuführen, sondern auf die fehlende Bereitschaft der Zentralbank, den saisonal bedingten Liquiditätsbedarf zu günstigen Konditionen zu befriedigen. Die Kreditvergabe bleibe allerdings ausreichend hoch, um ein angestrebtes BIP-Wachstum von rund 7,5 Prozent zu unterstützen. In diesem Bereich werde sich das Wachstum einpendeln: „Die Verlangsamung des Wirtschaftswachstums in den vergangenen zwei Jahren auf ein Niveau von sieben bis acht Prozent ist nach unserer Einschätzung von dauerhafter Natur“, so Hübner. „Wir erwarten mittelfristig keinen kräftigen Aufschwung in den Industrieländern, was die Aussichten für den chinesischen Exportsektor belastet.“ Dennoch erwartet der Volkswirt insgesamt eine Belebung des Welthandels, wovon der chinesische Export profitieren könnte.

Die hohe Verschuldung von Lokalregionen und Staatsbetrieben könnte mittelfristig das größte Problem darstellen und die notwendige Dämpfung des Kreditwachstums das Wachstum belasten. Trotz nicht von der Hand zu weisender Probleme, geht Hübner davon aus, dass China noch auf Jahre hinaus der wichtigste Treiber der Weltwirtschaft bleibt: „Der Dienstleistungssektor ist unterentwickelt und bietet großes Wachstumspotenzial. Teile der Industrie stehen erst am Anfang der Nutzung moderner Produktionsverfahren, sodass sich insbesondere Ausrüstungsinvestitionen gut entwickeln dürften.“ Zudem erwartet er ein anhaltend starkes Wachstum der privaten Konsumausgaben.

Einen detaillierten Einblick in die einzelnen Schwellenländer, sowie weitere Staaten und zahlreiche Statistiken finden Sie in der oben angefügten pdf-Datei.

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