Sind Offene Immobilienfonds noch realistisch bewertet?

Die Preise für Büro- und Wohnimmobilen haben in den vergangenen zwölf Monaten deutlich nachgegeben. Trotzdem weisen viele Offene Immobilienfonds Wertzuwächse ihrer Portfolios aus. Das ist nur schwer nachvollziehbar.

06.03.2024 | 07:30 Uhr

Die Immobilienbranche steckt in der Krise. Im vergangenen Jahr sanken laut Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW) die Preise für Eigentumswohnungen im Durchschnitt um 8,9 Prozent, Einfamilienhäuser verbilligten sich um 1,3 Prozent, und Mehrfamilienhäuser sogar um 20,1 Prozent. Besonders in den großen Städten, in denen die Preise über viele Jahre hinweg sehr stark gestiegen waren, ging es kräftig nach unten. Auslöser für den Abschwung waren vor allem die vielen Zinsanhebungen in kurzer Zeit durch die Europäische Zentralbank. Zehn in rascher Folge. Das hinterließ Spuren. Investoren zogen sich zurück, Bauherren bliesen Vorhaben ab, und Offene Immobilienfonds sahen sich plötzlich einer Situation gegenüber, die sie seit dem Ende der Finanzkrise nicht mehr kannten: Wie bewertet man das eigene Immobilienportfolio, wenn die Preise sinken und immer mehr Investoren Anteile verkaufen wollen?

Zwar hat der Gesetzgeber Panikverkäufe eingeschränkt. Anleger, die vor dem Stichtag 22.7.2013 in einen Immobilienfonds investiert haben, können jeweils nur noch Anteile im Gegenwert von 30.000 Euro pro Halbjahr ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist tätigen. Wer später eingestiegen ist, kann Anteile nur unter Abgabe einer unwiderruflichen Kündigungserklärung mit einjähriger Kündigungsfrist verkaufen. Zudem müssen Fondsanteile ab Kauf mindestens zwei Jahre gehalten werden. Doch diese Einschränkungen sorgen nur für eine Verzögerung großer Verkaufswellen und lösen nicht das eigentliche Problem: Die Liquidität Offener Immobilienfonds sinkt, die Bewertungen geraten in einem schwachen Immobilienmarkt durch die zunehmenden Anteils-Verkäufe der Anleger weiter unter Druck.

Zusätzlich drücken die in den vergangenen Jahren gestiegenen Kaufnebenkosten auf die Bewertungen. Hintergrund: Beim Erwerb von Immobilien müssen Makler- und andere Gebühren sowie Grunderwerbsteuern bezahlt werden. Die Kosten fallen sofort an, mindern das Fondsvermögen aber nicht ad hoc, sondern werden über zehn Jahre hinweg sukzessive abgeschrieben. Steigen die immobilienpreise, lässt sich dieser Posten gut verschmerzen. Denn dann mindert er nur den berechneten Wertzuwachs. In einem schwachen Immobilienmarkt beschleunigt die Kostenabschreibung jedoch die Wertminderung des Portfolios. Theoretisch müssten die ausgewiesenen Portfoliowerte der meisten Immobilienfonds prozentual in den vergangenen 18 Monaten deshalb mindestens so stark oder sogar stärker gesunken sein als die von den Forschungsinstituten errechneten Durchschnittspreise im Markt. Doch erstaunlicherweise ist das Gegenteil der Fall. Sieht man sich die Offenen Immobilienfonds an, die zu einem sehr überwiegenden Teil in deutsche Wohn- und Geschäftsimmobilien investieren, stellt man fest, dass es für die Fondsmanager offensichtlich keinen Anlass gab, die Bewertung ihrer Portfolios nach unten zu korrigieren. Die Kurs-Charts laufen, wie am Schnürchen gezogen, weiter nach oben (siehe Grafik).

Die NAV-Angaben der Fondsmanager, die auf den Berechnungen und Bewertungen von unabhängigen Immobiliengutachtern basieren, suggerieren ein nahezu ungetrübtes Marktumfeld. Die Performance der Fonds sieht entsprechend rosig aus (siehe Tabelle).

Offizielle Berechnungen versus Börsenbewertung

Die Preisfeststellungen der Fondsgesellschaften sind das eine. Eine Ahnung davon, wie Immobilienfonds-Anleger die Situation für bewerten, bekommt man, wenn man sich ansieht, zu welchen Preisen sie ihre Fondsanteile an der Börse anbieten. Denn hier können Anleger die gesetzlichen Mindesthaltefristen, die nur für die Rückgabe von Anteilen an die Fondsgesellschaften gelten, umgehen.

Was bei Betrachtung der an der Privatanlegerbörse EUWAX angebotenen Anteile auffällt: Die Preisabstände zischen Kauf- und Verkaufsgeboten sind dafür, dass hier Immobilienfonds-Anteile gehandelt werden, vergleichsweise gering. Das deutet darauf hin, dass sich diejenigen, die hier handeln, relativ einig in ihrer Bewertung sind. Was aber vor allem ins Auge fällt, ist die hohe Differenz zwischen Börsen- und KVG-Preisen. Man kann daraus schlussfolgern, dass Anteilskäufer jetzt entweder an der Börse Schnäppchen schießen können – oder dass Anleger, die bereits investiert sind und/oder die jetzt noch Anteile der betreffenden Fonds direkt von den KVGs kaufen, in Zukunft mit Wertverlusten rechnen sollten. Bitter wäre Zweiteres vor allem für Anleger, die regelmäßig Anteile über Sparpläne kaufen. In der aktuellen Situation zahlen sie definitiv zu viel für ihre Anteile.

Die Branche sehnt die Trendwende herbei

Es ist ein unausgesprochenes, aber offenes Geheimnis, dass die meisten Immobilienfonds ihre Portfolios eigentlich abwerten müssten. Ebenso unstrittig ist, dass dies vermutlich viele Anleger so sehr verunsichern würde, dass eine größere Verkaufswelle drohen könnte. Dies würde einen Dominoeffekt auslösen, den man tunlichst vermeiden will. Denn die Gesetze verzögern zwar Panikverkäufe in großem Umfang, ein grundsätzlicher Vertrauensverlust in die Anlageklasse wäre jedoch die weit schlimmere Folge, die dann auch kein Gesetz mehr verhindern kann. Die Branche sitzt die aktuelle Situation deshalb aus und ersehnt eine Trendwende herbei.

Immerhin gibt es positive Anzeichen. Laut einer Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) scheint der Abwärtstrend zum Jahresende hin erst einmal gestoppt. „Der Markt hat eine Phase der Bodenbildung erreicht“, fassen die IW-Experten die Ergebnisse ihrer Jahresabschluss-Studie zusammen. Von Oktober bis Dezember 2023 seien die Kaufpreise für Eigentumswohnungen um 0,8 Prozent zum Vorquartal gestiegen. Auch die Preise für Ein- und Zweifamilienhäuser zogen um 0,6 Prozent an. Für Büro- und Gewerbeimmobilien bleiben die Aussichten laut Frühjahrsgutachten des ZIA (Zentraler Immobilien Ausschuss) zwar mittelfristig noch eher düster. Doch es bleibt die Hoffnung, dass mit einer möglichst baldigen Zinswende auch hier der Wind wieder dreht. Bis dahin scheint unter Immobilienfondsmanagern die Regel zu gelten: Nichts sehen, nichts hören, nichts sagen.

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