Stabilitas: Welche Folgen haben die aktuellen Entwicklungen auf die Edelmetallmärkte?
Erfahren Sie im Interview mit Martin Siegel, verantwortlicher Berater der Stabilitas Fonds, wie sich Edelmetalle und Minenwerte in der aktuellen Inflations- und Zinslage verhalten, wie Stabilitas den weiteren Verlauf der Ukraine/Russland-Krise bewertet und welche Änderungen in letzter Zeit innerhalb der Fonds vorgenommen wurden.05.10.2022 | 09:57 Uhr
Wie bewerten Sie den weiteren Verlauf der Ukraine/Russland-Krise?
Der Krieg zieht sich länger hin und bringt mehr Zerstörung, als viele erwartet haben. Zudem hat der Ukraine-Russland Krieg größere Auswirkungen auf das aktuelle Weltgeschehen, als anfangs vermutet. Die Waffenlieferungen des Westens und das strategische Ziel der USA, Russland dauerhaft zu schwächen, lassen vermuten, dass Friedensverhandlungen vorläufig nicht geführt werden.
Durch die Inflationspolitik der Zentralbanken in den letzten Jahren hat sich die weltweite Verschuldung derart aufgeschaukelt, dass nun versucht wird, dem Druck der Schulden über den Weg der Inflation zu entkommen. Die meisten Marktteilnehmer akzeptieren hierfür die Begründung mit dem illegalen Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine.
Diese Begründung hält einer genaueren Beobachtung jedoch nicht Stand. Der Gaspreis steigt bereits seit Anfang 2020 und hat sich bis zum Jahresende 2021 etwa verzwanzigfacht. Dagegen ist der Preis seit Ende 2021 unter großen Schwankungen nur noch geringfügig angestiegen. Der Ölpreis notiert aktuell unter dem Niveau von vor dem Kriegsbeginn und wichtige Rohstoffe notieren auf 12-Monatssicht deutlich im Minusbereich: Eisenerz -15 %, Stahl -32 %, Kupfer -21 %, Holz -30 %, Gummi -20 %, Palmöl -28 %. Der Anstieg der Erzeugerpreise lag bereits im Dezember 2021 bei 24,2 % und die Inflation erreichte ebenfalls im Dezember 2021 bereits eine Rate von 5,3 %. Der aktuelle Anstieg der Verbraucherpreise hat also seine wesentliche Ursache in Entwicklungen, die weit vor dem Ausbruch des Krieges stattfanden.
Was bedeutet das für die Edelmetallmärkte?
Die Edelmetallmärkte leiden aktuell unter der rückläufigen Liquidität an den Märkten. Die Verknappung der Liquidität führt zu Kursverlusten an den Anleihemärkten, den Aktienmärkten und den Immobilienmärkten und wird vor allem in liquiden US-Anlagen geparkt.
Interessanterweise hält sich der Goldpreis in den meisten Währungen gut und weist seit dem Jahresbeginn z.B. auf Eurobasis oder Pfundbasis kleinere Gewinne aus. Dagegen notieren das spekulativere Silber oder die Minenaktien im Minusbereich.
Mit der jüngsten Ankündigung der Bank of England, Notkäufe von britischen Anleihen zu tätigen, ist die erste große Zentralbank vor dem Ausblick, dass die Wirtschaft bei steigenden Zinsen vor die Wand fährt, eingeknickt und hat den Kampf gegen die Inflation aufgegeben. Sobald der Bank of England auch andere großen Zentralbanken folgen, werden die Anleger gezwungen sein, sich durch Käufe von Aktien, Immobilien und Edelmetallen gegen die ausufernde Inflation zu schützen. In diesem Szenario sind Edelmetalle und Edelmetallaktien ein unverzichtbarer Teil einer Vermögensanlage.
Wie geht es den weltweiten Edelmetallminen aktuell?
Generell kann man sagen, dass die Edelmetallminen genügend Geld verdienen, denn die Gewinnspannen sind sehr groß und in den letzten Jahren sind die Preise für Edelmetalle kontinuierlich angestiegen. Ein Indiz für die gute Positionierung von Edelmetall-Produzenten sind die Dividendenzahlungen. Allerdings gibt es aktuell auch zwei Belastungsfaktoren: Der erste Faktor ist der fallende Goldpreis und der zweite Faktor sind die gestiegenen Energiekosten, die sich negativ auf die bisherigen Gewinnspannen auswirken. Wir müssen uns daher darauf einstellen, dass die Gewinne bei einigen Gesellschaften deutlich sinken werden. Für Investoren sind negative Entwicklungen meistens schlecht, denn zukünftigen Ergebnisse, Quartals- und Jahresberichte werden schlechter und die Dividendenzahlungen werden geringer ausfallen. Das belastet schon jetzt die Minenaktien und wird auch in Zukunft eine Belastung sein. Prognostiziert man einen Ausblick für die nächsten Monate, sind wir der Meinung, dass der Peak bei den Öl- und Gas-Preisen bereits erreicht ist. Überall auf der Welt wird die Energie-Produktion daher an das Limit gebracht, um von den hohen Preisen bestmöglich zu profitieren. Aufgrund der weltweiten Rezessionstendenz haben wir jedoch auch eine sinkende Produktion und damit einhergehend auch fallende Energieverbräuche. Es ist daher nur eine Frage der Zeit, bis auch Gas- und Öl-Preise wieder fallen. Aktuell tritt die Problematik des Flaschenhals-Effekts auf, denn die Produktionen sind nach Corona wieder angelaufen, allerdings sind die Lieferwege und Arbeitskräfte nicht mehr verfügbar. Bis sich nach der Krise wieder alles eingespielt hat, vergehen sehr wahrscheinlich zwei bis drei Jahre. Wir erwarten, dass die Zentralbanken ihren Kampf gegen die Inflation bei einem weltweiten Einbruch der Konjunktur aufgeben müssen, die sonst die Staatsdefizite bei steigenden Zinsen nicht mehr bedient werden können. Sobald die Anleger die Kapitulation der Zentralbanken vor der Inflation realisieren, wird ihr Interesse für Edelmetallanlagen erheblich zunehmen.
Was waren die größten Änderungen innerhalb der Fonds in den letzten 3 Monaten?
Durch einen sehr starken US-Dollar kam es am Markt zu einer Währungsverschiebung. Der US-Dollar ist nicht nur gegen den Euro stark, sondern auch gegen den australischen Dollar, den kanadischen Dollar und den afrikanischen Rand. Diese Länder sind neben China immer noch die größten Goldproduzenten. Der Goldpreis ist durch den starken US-Dollar in den oben genannten Währungen gestiegen beziehungsweise nicht gefallen. Die Gesellschaften, die in diesen Währungsräumen produzieren, haben somit einen Vorteil, wenn der US-Dollar stark ist. Aus diesem Grund haben wir den Anteil der australischen Werte erhöht. Bei Investitionen in afrikanische Werte sind wir hingegen zurückhaltend geblieben, da das Land erhebliche Probleme mit der Energieversorgung und der Infrastruktur hat. Und auch kanadische Unternehmen können häufig nicht von einem starken Dollar profitieren, da die Unternehmen ihre Bilanzen in US-Dollar erstellen und den Währungsvorteil somit nicht realisieren können.
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