TiAM Round Table Megatrends: Die Gewinnerthemen für dieses Jahrzehnt - Teil 2

Megatrends versprechen aussichtsreiche Investments mit erheblichem Wachstumspotenzial. Doch wie lassen sie sich identifizieren? Und vor allem: Welche Trends versprechen künftig das größte Potenzial? Beim TiAM Round Table in Frankfurt verraten Anlageexperten, wo Investoren jetzt hinschauen sollten.

24.08.2022 | 07:30 Uhr von «P. Gewalt, R. Kohl, A. Niederländer»

TiAM: Pictet gilt als Wegbereiter thematischen Investierens. Was ist für Sie ein Megatrend?

Liebe: Wir machen es an drei Kriterien fest: Zum einen an der Langfristigkeit. Hier denken wir in Jahrzehnten. Zum anderen muss ein Megatrend so weitreichende Folgen für Gesellschaften und Volkswirtschaften haben, dass er auch die Art und Weise verändert, wie wir miteinander in Beziehung treten und interagieren. Und schließlich muss es eine strukturelle Wachstumsstory sein. Der entscheidende Punkt ist: Ein Megatrend ist oft eine abstrakte Beschreibung der Welt, aber kein Investitionsauftrag. Ein Anlagethema ist sozusagen die Übersetzung eines Megatrends in einen solchen Investitionsauftrag und diese Anlagethemen sitzen an den Schnittpunkten mehrerer Megatrends. Je mehr Schnittpunkte, desto stärker und valider ist ein Anlagethema.

TiAM: In Trends kann man nur investieren, wenn man die richtigen hat. Wie geht das?

Schwarzmann: Top-down bei Themen für langfristige (Mega-)Trends. Entscheidend für Unternehmen sind die zugrunde liegenden strukturellen Wachstumstrends, die Basis für überproportionales Wachstum sind. Damit wollen wir insgesamt die Chance erhöhen, einen Gewinner von morgen zu identifizieren. Allerdings darf man nicht außer Acht lassen, dass aus einem Megatrend mehrere Subthemen entstehen. Die Energiewende führt beispielsweise zum verstärkten Ausbau von Wind- und Solarenergie, doch das Recycling von Metallen wie Kobalt oder Kupfer gewinnt ebenso an Bedeutung. Welches dieser Subthemen relativ attraktiver ist, sollte auf Basis einer Bottom-up-Analyse ermittelt werden. Das Zusammenspiel von Bottom-up und Top-down ist der Sweet Spot beim Managen der Themen. Überdies meinen wir, dass eine zu enge Betrachtung eines Themeninvestments auf Dauer nicht im Sinne der Kapitalanlage steht. Subthemen haben oft eine kurze Lebensdauer und sind mit dem Risiko behaftet, vielmehr ein Hype zu sein.

Mohr: Was das Finden von Themen angeht, kommt jetzt der genaue Gegenentwurf. Wir agieren bottom-up und handeln sehr langfristig, aber wir denken nicht in Megatrends. Vielmehr schauen wir uns Zeiträume von acht bis zehn Jahren an und beschäftigen uns jetzt mit dem Jahr 2030 und mit den Themen, auf die Investoren bis dahin achten sollten. Aber wir kommen nicht von oben und fragen, was der nächste Trend ist.

TiAM: Wie kommen Sie ausgerechnet auf acht bis zehn Jahre?

Mohr: Das liegt unter anderem daran, dass sich in der Vergangenheit die großen Trends in Dekaden weitergedreht haben. Danach sind sie ausgelaufen und es kam etwas Neues. Auch heute noch sind es Zehnjahreszyklen, in denen sich die großen Trends herauskristallisieren. Die Anlageideen finden wir durch fundamentales Research, unter anderem und ganz klassisch durch Unternehmensgespräche. Aber wir bündeln auch intern das Know-how der verschiedenen Investmentteams, sodass um ein Thema herum eine Art Expertisecluster entsteht. Von dort können zusätzliche Impulse oder Anlageideen kommen.

TiAM: Haben Sie Fonds zu Einzelthemen?

Mohr: Nein, wir sind kein Single-Trend-Anbieter. Auf der Produktseite sind wir breit aufgestellt. Wenn ein neuer Fonds dazukommt, dann nicht um einen Trend herum. Wir haben Multithemen- oder globale Fonds. Da können auch etablierte Unternehmen der Old Economy drin sein.

von Hardenberg: Das kann ich gut nachvollziehen. Auch wir verzichten bewusst auf reine Trendportfolios. Sie sind uns zu eindimensional und langfristig nicht erfolgreich genug, um das Kapital unserer Kunden zu schützen und zu mehren. Darum geht es letzten Endes und das versuchen wir mit unserer Asset-Allokation zu erreichen. Basierend auf einer fundamentalen Analyse makroökonomischer Daten, sozialer Trends und politischer Entwicklungen entwickeln wir im strategischen Teil ein eigenes Weltbild mit einem zeitlichen Horizont von mehreren Jahren. Das ist unsere oberste Orientierungsinstanz, aus der wir ableiten, in welche Assetklassen wir langfristig investieren. Im taktischen Teil reagieren wir auf kurzfristige Entwicklungen und versuchen, Chancen und Diversifikationseffekte auszunutzen.

TiAM: Gibt es noch andere Herangehensweisen?

von Königsmarck: Als Lieferant von Wachstumsbausteinen machen wir genau das, worum viele andere hier am Tisch einen Bogen machen: Wir legen Produkte für einzelne Themen auf. Jüngstes Beispiel ist ein Wasserstofffonds, aber wir haben auch einen für Cyber Security im Programm. Wichtigstes Hilfsmittel, um investierbare Themen zu identifizieren, sind externe Researchquellen. Wir arbeiten mit globalen Experten zusammen, die im Durchschnitt 25 Analysten pro Thema haben. Oftmals sind das Menschen, die mit Investments nichts zu tun haben, aber in dem Themenumfeld zu Hause sind.

TiAM: Und wenn Ihnen die Experten gut zureden, wird dann ein neuer Fonds aufgelegt?

von Königsmarck: Ganz sicher nicht. Vielmehr müssen mehrere, klar quantifizierbare Kriterien erfüllt sein. Zum einen brauchen wir eine ausreichend große Anzahl von Unternehmen in dem Segment, so grob um die 100, zum anderen ein hohes Umsatzwachstum der Unternehmen, das über die nächsten zehn Jahre mindestens zweistellig sein muss. Darüber hinaus muss der Zielmarkt eine gewisse Größe haben. Und wir investieren bereits in einer ganz frühen Phase, in der man noch nicht weiß, welche Unternehmen die Gewinner der Zukunft sind. Daher nehmen wir eine Gleichgewichtung vor.

Issler: Das ist ein ganz wichtiger Punkt. Uns geht es ebenfalls darum, ausgetretene Wege zu verlassen. Der Punkt ist, viele Anbieter denken in Megatrends und investieren zum Beispiel in Wasser. Aber kein Investor hat einen Anlagehorizont von 30 Jahren und kauft heute Quellen, weil das in 30 Jahren gut laufen wird. Aus diesem Grund brechen wir das Ganze etwas herunter und überlegen, welche kleineren Trends es gibt. Wohlgemerkt Trends, keine Zyklen. Die Antwort finden wir durch einen intensiven internen Austausch, an dem Aktien-, Renten- und Immobilienanalysten beteiligt sind, welche die Bereiche oder Themen identifizieren, von denen wir denken, dass sich etwas verändert. Wir fragen uns, warum sich etwas verändert und was die Konsequenzen sind.

TiAM: Sehen Sie sich im Themenfondslager oder bei denjenigen, die Megatrends in übergreifenden Portfolios umsetzen?

Issler: Wir sehen das nicht ideologisch. Es gibt gute Gründe für beide Varianten und die bieten wir auch. Wir haben mit dem Global Ecology Fund einen Themenfonds und mit dem Strategic Bond Fund eine breite Anlagelösung, in denen Megatrends eine Rolle spielen.

TiAM: Gibt es eine Art Erfolgsformel bei Themeninvestments?

Liebe: Das Geheimnis besteht darin, dass mittel- und langfristig die Ertragschancen von Unternehmen systematisch unterschätzt werden, die an Bedeutung hinzugewinnen. Intrinsisch gilt die Annahme, dass die Wachstumswerte abflachen und zum Branchenmittel zurückkehren. Bei Megatrends sind die Wachstumsraten aber systematisch hoch – auch in der Zukunft. Diese Fehleinschätzung sorgt für eine bessere Wertentwicklung, wenn wir es mit Unternehmen zu tun haben, die tatsächlich die richtigen Produkte und Dienstleistungen anbieten. Hier liegt die Herausforderung, weil bei Innovationen auch immer die Möglichkeit des Scheiterns gegeben ist. Man muss sehr selektiv vorgehen, um die Unternehmen zu finden, die auf langfristigen Wachstumspfaden sind. Dann haben Investoren mit Megatrends die Chance, an der Zukunft zu partizipieren. Aber das ist alles andere als trivial.

TiAM: Wie wählen Sie bei Bantleon die Unternehmen aus?

Schwarzmann: Wir achten auf das implizierte Wachstum, also die Wachstumsrate der Gewinne, was notwendig ist, um die aktuelle Unternehmensbewertung zu rechtfertigen. Wenn der aktuelle Aktienpreis unterstellt, dass die Gewinne eines Unternehmens in den nächsten zehn Jahren jährlich um 30 Prozent wachsen müssen, dann muss aus fundamentaler Sicht eine große Überzeugung vorliegen, dass ein solches Wachstum sogar noch übertroffen werden kann. Andernfalls ist es eine tolle Wachstumsstory, aber zu diesem Preis kein tolles Investment. Diese Herangehensweise verdeutlicht die Relevanz von Unternehmensanalysen bei Themeninvestments.

TiAM: Wie können Investoren bei Megatrends die Risiken sinnvoll begrenzen?

Mohr: Titelselektion ist das A und O. Wir suchen Unternehmen aus, die schon etwas etablierter sind. Angesichts der Größenordnung unserer Fonds und der Assets, die wir bewegen, brauchen wir eine gewisse Marktkapitalisierung. Wir reden hier über Portfolios, die 30 bis 40 Jahre alt und mehrere Milliarden schwer sind. Wir halten zum Beispiel Amazon seit 2007 im Portfolio und die Aktie hat sich seitdem immer wieder weiterentwickelt – vom Buchhändler zum Onlinesupermarkt, wo man wirklich alles kaufen kann. Optimal sind für uns Unternehmen, die etabliert sind und sich weiterentwickeln, sodass wir über Jahrzehnte investiert bleiben können.

von Hardenberg: Wir gehen noch einen kleinen Schritt weiter und setzen gezielt auf „Schumpeter-Aktien“ mit Marktdominanz und Preissetzungsmacht. Insofern ist Amazon ein gutes Beispiel. Wir suchen Unternehmen, die in monopolartigen Strukturen agieren und Geschäftsmodelle haben, die in allen Marktphasen zu stabilen Gewinnen und regelmäßigen Dividenden führen. Zum anderen investieren wir in innovative disruptive Unternehmen, die die Platzhirsche herausfordern und eine hohe Innovationskraft aufweisen. Entscheidend ist hier weniger die Dividende als das Wachstum.

TiAM: Wenn Risikomanagement zu einem großen Teil aus der richtigen Titelselektion besteht, müssen wir uns die Selektionskriterien genauer anschauen. Worauf kommt es an?

von Hardenberg: Wir nutzen zum einen qualitative Kriterien, das heißt wir suchen Unternehmen mit einem soliden und nachhaltigen Geschäftsmodell, das wir vollständig verstehen. Ergänzend setzen wir quantitative Modelle ein, die auf Risikofaktoren beruhen. Hierzu gehören beispielsweise Value, Momentum, Low-Beta, Qualität, worunter wir die Monopolisten mit stabilen Erträgen und Cashflows verstehen, und Growth in Form der disruptiven Herausforderer. Im Gegensatz zu klassischen Selektionskriterien bieten Risikofaktoren empirisch gesehen eine robustere Diversifikation sowie eine stabilere Überrendite.

TiAM: Wie selektieren die anderen?

von Königsmarck: Pauschal kann ich das für uns nicht beantworten, weil die Kriterien davon abhängen, in welcher Phase des Themas wir uns befinden. Für bereits fortgeschrittene Themen wie Cyber Security zählt zum Beispiel der Anteil, den das Thema am Gesamtumsatz des Unternehmens hat. Unternehmen in diesem Stadium sind in der Regel auch profitabel. In der Frühphase eines Themas zählt eher eine mögliche Marktführerschaft. Es ist aber nicht entscheidend, ob ein Unternehmen bereits Gewinne erzielt oder nicht. Schwarzmann: Für uns besteht die Kunst darin, überproportionales Wachstum zu einem vernünftigen Preis zu erwerben. So vermeiden wir es, dem Markt in überhitzten Segmenten nachzulaufen.

Liebe: Etwas überspitzt formuliert müssen die Unternehmen mehr als nur Konzept sein. Sie müssen am Markt erfolgreich und profitabel sein. Und diese Unternehmen gibt es für die Trends und Themen, in die wir investieren wollen.

TiAM: Werden die Inflation oder geopolitische Konflikte Auswirkungen auf die großen Zukunftstrends haben?

Liebe: Aus meiner Sicht verändern der Ukraine-Krieg oder die Zinswende die Megatrends nicht. Diese werden bleiben, aber das Umfeld der Unternehmen wird sich verändern, sie werden sich anders aufstellen müssen, Lieferketten diversifizieren, näher an die Produktion heranrücken. Das ist eine kurzfristige Belastung – und eine riesige Chance für die Zukunft.

Schwarzmann: Der Ukraine-Krieg ist ein Game Changer, weil jetzt das Thema Energie der Zukunft noch einmal komplett neu aufgerollt wird und neue Treiber bekommt. Bisher ging es im Wesentlichen um das Erreichen der Klimaziele. Mit dem Überfall Russlands auf die Ukraine kristallisiert sich jetzt die Energieunabhängigkeit als neue Dimension heraus. Die Politik will die Energiesouveränität der EU erreichen – und das hat eine ganze Reihe von Konsequenzen, die notwendige Veränderungen in mehreren Bereichen beschleunigen werden. Es entsteht kein neues Thema, aber der Krieg beeinflusst ein bereits bestehendes Thema ganz erheblich.

TiAM: Wie wirkt sich die Inflation aus?

Schwarzmann: Wir haben schon 2020 und damit sehr früh eine steigende Inflation prognostiziert, ebenso die Wahrscheinlichkeit von Zinserhöhungen. Viele haben unsere Einschätzung damals rundheraus abgelehnt. Mittlerweile sind Inflation und Zinswende da. Wir haben früh angefangen, inflationsindexierte Anleihen einzubauen. Außerdem haben wir die Duration stark verkürzt. Das Ganze spielt aber natürlich auch auf der Aktienseite eine wichtige Rolle. Infrastrukturaktien etwa können profitieren, weil sie inflationsgekoppelte Verträge haben.

Issler: Wir sprechen in dem Zusammenhang nicht von einer Zinswende, sondern von steigenden Preisen. Man muss unter die Motorhaube schauen und sich überlegen, was die Konsequenzen entlang der Wertschöpfungskette sind. Auf der Anlageseite heißt das zum Beispiel, nach spannenden Emittenten Ausschau zu halten. Das ist nicht zyklisch, vielmehr hat ein Umdenken stattgefunden.

TiAM: Was bedeutet all das für Anlageportfolios?

Mohr: Wie haben leicht umgeschichtet und die Geschäftsmodelle hinterfragt, in denen wir investiert sind. Wir setzen noch mehr als vorher auf Unternehmen, die eine gewisse Preissetzungsmacht haben und aus dem täglichen Leben nicht wegzudenken sind. Aber wir haben unsere Portfolios nicht komplett umgebaut.

von Hardenberg: Die große Transformation bringt enorme Wachstumspotenziale mit sich, da es um nicht weniger geht als einen radikalen Umbau der gesamten Industrie, Mobilität und Energiewirtschaft. Ob sich hier völlig neue Unternehmen oder bestehende Marktführer durchsetzen werden, ist allerdings noch unklar. Wir bleiben auf der Suche nach langfristigen Monopolisten und Herausforderern und werden die Portfolios weiterhin robust aufstellen.

von Königsmarck: Wir beobachten, dass einige unserer Themen stärker profitieren, wie zum Beispiel Cyber Security, aber auch alles, was dem Energiesegment zugeordnet werden kann, andere etwas weniger stark. Wichtig ist, ein Thema systematisch zu erschließen, anstatt heute die Gewinner von morgen nennen zu wollen.

Hier lesen Sie Teil 1 dieser Serie

Die Fondsportraits

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