„Trump wird das Rad in Bezug auf Nachhaltigkeit nicht ganz zurückdrehen können“

Sven Kuhlbrodt, Senior Consultant Investor Relations beim Rohstoffspezialisten Baker Steel, spricht im ersten Teil des zweiteiligen Interviews über aktuelle Schwierigkeiten von grünen Investments und den hauseigenen ESG-Ansatz.

13.12.2024 | 09:30 Uhr

TiAM FundResearch: Herr Kuhlbrodt, welche kurz- und langfristigen Folgen kann der Sieg von Donald Trump für den Nachhaltigkeitssektor Ihrer Meinung haben?

Sven Kuhlbrodt: Unter Joe Biden haben die USA in einigen ESG-Fragen erhebliche Fortschritte erzielt, insbesondere durch den Inflation Reduction Act (IRA) und seine Anreize für grüne Investitionen. Aber es gab gleichzeitig auch einen Boom in der US-Ölproduktion. Unter Donald Trump, vor allem weil die Republikaner die Kontrolle über den Kongress erlangt haben, ist eine Deregulierungsagenda wie in seiner ersten Amtszeit sehr wahrscheinlich. Und Trump wird wohl zudem gegen die ESG-Integration in der US-Finanzindustrie hart vorgehen.

Inwiefern?

Indem Trump zum Beispiel den Treuhändern von Pensionsfonds nur erlaubt, „pekuniäre“ Aspekte bei Investitionsentscheidungen zu berücksichtigen und eine neue SEC-Vorschrift verhindert, die die Offenlegung von Kohlenstoffemissionen und Klimarisiken durch Unternehmen vorschreibt. Und in seiner letzten Amtszeit verließen die USA das Pariser Abkommen, bevor sie unter Biden wieder eintraten – im nächsten Jahr sollen die Länder ihre Emissionsreduktionsziele im Rahmen des Abkommens verschärfen. Eine zweite Trump-Präsidentschaft könnte die bestehenden Verpflichtungen verwässern oder ganz aufgehoben werden. Andere Länder könnten diesem Beispiel folgen. Und Trump wird auf jeden Fall dem Sektor der fossilen Brennstoffe einen Schub geben.

Kann Trump in den USA denn das Rad der ESG-Maßnahmen ganz zurückdrehen?

Nein, das glaube ich nicht. Denn obwohl es viel Kritik vonseiten der Republikaner am IRA gab, könnte es schwierig sein, einige Teile zurückzuschrauben. Und zwar aus drei Gründen: Erstens ist ein substanzieller Teil der Investitionssubventionen entweder bereits ausgezahlt oder zugesichert. Zweitens sind einige US-Staaten, die am meisten von dem IRA-Programm profitieren, republikanische Staaten wie Texas. Diese Staaten wird Trump wahrscheinlich nicht verärgern wollen, da dies dort Jobs kosten würde. Und drittens würden einige Geschäfte Elon Musk, einem der wichtigen Berater Trumps, von Anti-IRA-Maßnahmen wahrscheinlich negativ betroffen werden.

Viele nachhaltige Fonds müssen mit Mittelabflüssen leben. Welche Gründe machen Sie dafür verantwortlich?

Es gibt zwei unterschiedliche Philosophien über nachhaltige Investitionen. Einige definieren sie als Investitionen in nachhaltige/grüne Technologiewerte, die in den Jahren 2021-22 einen großen Hype erlebten und eine Outperformance erzielten – viele Solar-, Wind-, Wasserstoff- usw. Aktien wurden zu überhöhten Multiplikatoren gehandelt. Da sich diese Entwicklung umgekehrt hat, haben viele spezialisierte (Multi-Asset) ESG-Fonds in letzter Zeit eine klare Underperformance erzielt. In Verbindung mit der teilweise damit zusammenhängenden Gegenreaktion zu ESG-Investments in den USA hat dies zu erheblichen Abflüssen aus solchen Fonds geführt.

Und der zweite Ansatz?

… verfolgt die Integration von ESG-Überlegungen in alle Arten von Fonds und Assetklassen, um mehr Strenge und Risikominderung anzustreben und eine bessere Leistung der Unternehmen, in die investiert wird, zu unterstützen – ein Ansatz, den auch Baker Steel verfolgt. Dazu hat sicherlich auch die Offenlegungsvereinbarung beigetragen. Diese Integration hat sicherlich auch Marktanteile von „reinen“ ESG-Fonds weggenommen. Uns ist kein einziger Fall bekannt, weder auf institutioneller noch auf Berater-Ebene, wo ein Abfluss aus unseren Artikel 8+ Fonds auf eine nachlassende Wichtigkeit des ESG-Themas zurückzuführen ist. Allerdings ist die Anzahl der ESG-bezogenen Fragen marginal gesunken.

Wie sieht der ESG-Ansatz von Baker Steel konkret aus?

Baker Steel ist führend bei ESG-Investitionen im Bergbau – wir sind Unterzeichner der UNPRI Principles for Responsible Investment. Unsere UCITS-Fonds sind mit Artikel 8+ der Offenlegungsverordnung konform und verfügen beide über ein ESG-Label der unabhängigen Kennzeichnungsagentur LuxFLAG. Wir integrieren ESG-Faktoren in unsere Anlageentscheidungen als Mittel zur Risikominderung und zur Steigerung der Performance.

Gab es in den vergangenen Jahren Änderungen bei Ihrem ESG-Ansatz?
Wir verfeinern unseren Ansatz laufend, haben aber keine wesentlichen Änderungen vorgenommen. Im vergangenen Jahr haben wir einen speziellen ESG-Spezialisten eingestellt, der unseren ESG-Ansatz überwacht und weiter vorantreibt. Im Jahr 2023 wurden wir Mitglied des Lenkungsausschusses der Global Investor Commission on Mining 2030, einer gemeinschaftlichen, von Investoren geleiteten Initiative, die sich mit den wichtigsten systemischen Problemen des Bergbausektors und deren Bewältigung befasst. Die Kommission hat gerade ihren ersten wegweisenden Bericht veröffentlicht, in dem sie Ziele und Prioritäten für ihre Arbeit festlegt.

Welche sind das?

Der Kommissionsbericht nennt sechs grundlegende Prioritäten für Investoren, die einen ökologisch und sozial verantwortlichen Bergbausektor unterstützen wollen, der die weltweite Nachfrage nach Mineralien und die Ziele des Pariser Abkommens erfüllen kann. Dazu zählen langfristige Investor-Prioritäten, die Kreislaufwirtschaft, sinnvolle Regulierung, lokale Verbesserungen in Infrastruktur und Gesellschaft, geringere negative Umwelteffekte und die Aufarbeitung historischer Fehler. Sie stellt aber auch fest, dass die Welt ohne ein ausreichendes Angebot an Metallen und Mineralien für saubere Energietechnologien und einen kontrollierten Rückgang der Kohleproduktion die Netto-Null-Ziele nicht erreichen wird. Baker Steel unterstützt darüber hinaus die dieses Jahr entwickelten Consolidated Mining Standard Initiative verschiedener Assoziationen von Minengesellschaften, wie dem International Council on Mining and Metals, der aufgrund der UN-Sustainable Development Goals entwickelt wurde.


Hier lesen Sie den zweiten Teil des Interviews über grüne Investments in der Bergbaubranche und die Probleme mit rechtlichen Vorgaben.

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