Trumps globale Rezession

Titel der Publikation: Trumps globale Rezession
Veröffentlichung: 04/2020
Autor: Anders Åslund
Auftraggeber: Project Syndicate
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Am Montag, dem 24. Februar – die Aktienmärkte bewegten sich in Nähe ihrer absoluten Rekordstände – stürzte die Welt infolge der COVID-19-Pandemie plötzlich in eine Finanzkrise. Und seitdem hat die internationale Politik eine schlechte Lage maximal verschlimmert

14.04.2020 | 07:45 Uhr

Am 6. März begannen Russland und Saudi-Arabien einen Ölpreiskrieg, der die Weltmärkte zusätzlich erschütterte. Und die Fernsehansprache von US-Präsident Donald Trump am 11. März, in der er eine Aussetzung der meisten Reisen von Europa in die USA verkündete, führte die Krise in völlig neue Höhen und stürzte die Finanzmärkte in absolute Panik.

Die Kombination aus coronabedingter Wachstumsabschwächung und weltweiter Finanzpanik macht eine globale Rezession in diesem Jahr so gut wie sicher. Doch könnte die Rezession schon bald unsere geringste Sorge sein.

Wie Charles Kindleberger in seinem bahnbrechenden Buch Manien – Paniken – Crashs. Die Geschichte der Finanzkrisen dieser Welt zeigte, folgen Finanzkrisen einer klaren Logik, und zwar sowohl was ihre Entwicklung als auch was ihre Bewältigung angeht. Argentinien und der Libanon sind seit dem COVID-19-Ausbruch bereits mit ihren Auslandsschulden in Verzug geraten. Als Nächsten dürften Konkurse bedeutender Konzerne folgen. Die natürlichen Kandidaten sind dabei Reiseveranstalter und Fluglinien, doch ereignen sich derartige Unternehmenszusammenbrüche häufig in unerwarteten Bereichen.

Nach ein paar großen Konkursen und Staatsausfällen dürfte die Welt es vermutlich mit einer Liquiditätsverknappung wie im September 2008 nach der Pleite von Lehman Brothers zu tun bekommen. Eine Liquiditätsverknappung trifft normalerweise die Peripherieländer mit eigenen Währungen. Diese brechen dann zusammen, was eine Flucht in den Dollar und den Euro auslöst.

Obwohl es sehr schwierig ist, nach Ausbruch einer Finanzpanik wieder Vertrauen zu schaffen, hält die Bewältigung der Krise von 2008 wichtige Lehren für die heutigen Entscheidungsträger parat. Zwar entsprang jene Krise im Finanzsektor, der inzwischen über eine viel bessere Kapitalausstattung zu verfügen scheint, und die Entscheidungsträger mussten sich nicht mit einer Pandemie auseinanderzusetzen. Trotzdem bleiben die grundlegenden Lehren dieselben.

Eine globale Finanzpanik aufzuhalten erfordert zwei Dinge: internationale politische Zusammenarbeit und enorme Mengen staatlicher Liquidität (weil der private Sektor sein Geld in einer derartigen Situation hortet). Obwohl sich die Bekämpfung der Krise von 2008 damals chaotisch ausnahm, erscheint sie im Rückblick beinahe ideal.

Die US-Regierung hatte 2008 die Statur, um zu helfen, die Welt zu einen. Mitte November 2008 lud Präsident George W. Bush zum Washingtoner G20-Gipfel über die Finanzmärkte und die Weltwirtschaft ein, der den Beginn einer koordinierten globalen Anstrengung zur Bewältigung der Krise markierte. Die entscheidende Formulierung der einstimmig verabschiedeten Gipfelerklärung lautete: „Wir sind entschlossen, unsere Kooperation zu verbessern und zusammenzuarbeiten, um das globale Wachstum wiederherzustellen und die nötigen Reformen in den Weltfinanzsystemen umzusetzen.“ Neben dem Versprechen verschiedener Arten von Finanzhilfen verpflichteten sich die Staats- und Regierungschefs der G20 zum Erhalt einer offenen Weltwirtschaft.

Parallel dazu retteten das US-Finanzministerium und die Federal Reserve in schneller Folge ein wichtiges Finanzinstitut nach dem anderen. Obwohl der ad-hoc-artige Ansatz der Entscheidungsträger und der Mangel an klaren Leitprinzipien viel öffentliche Kritik hervorriefen, wurden diese Institute sehr schnell stabilisiert. Zudem vereinbarten Republikaner und Demokraten im Kongress ein großes fiskalpolitisches Konjunkturpaket. Trotzdem setzte sich das Chaos an den Finanzmärkten fort, bis die Märkte am 9. März 2009, ein halbes Jahr nach dem Zusammenbruch von Lehman Brothers, schließlich die Talsohle erreichten.

Leider scheint die Welt derzeit schlecht aufgestellt für eine Wiederholung dieser erfolgreichen politischen Reaktion des Jahres 2008. Zunächst einmal fehlt es an den politischen Voraussetzungen – nicht zuletzt, weil die US-Regierung keinen Wirtschaftspolitiker von nationaler oder internationaler Statur aufweist. Trump selbst fehlt es an Glaubwürdigkeit, und er hat das Vertrauen der Märkte in Notenbankchef Jerome Powell schwer untergraben. Finanzminister Steven Mnuchin macht sich unsichtbar.

Der Mangel an internationaler Durchschlagskraft reicht über die USA hinaus. Die Spitzen der Europäischen Union, der Europäischen Zentralbank und des Internationalen Währungsfonds sind sämtlich neu im Amt. Bundeskanzlerin Angela Merkel ist eine politisch geschwächte Regierungschefin auf Abruf, das internationale Standing des französischen Staatspräsidenten Emmanuel Macron hat gelitten und der britische Premier Boris Johnson ist mit dem Brexit beschäftigt.

Den offensichtlichsten Unterschied zwischen heute und 2008 jedoch macht der Mangel an Führung durch die USA. Trumps Nationalismus und Protektionismus und seine Weigerung, auf den Rat der Experten zu hören, machen eine glaubwürdige Gipfelpolitik und Kooperation während seiner Amtszeit schwer vorstellbar. Das bedeutet, dass die Welt bis mindestens Januar 2021 auf einen koordinierten Versuch zur Beilegung der aktuellen Krise warten muss.

Auch finanziell ist die Welt womöglich weniger gut aufgestellt als 2008, um die Krise zu bewältigen. Zwar scheint der globale Finanzsektor in einem besseren Zustand zu sein als vor zwölf Jahren. Doch die globale Verschuldung (im Verhältnis zum BIP) war nie höher. Die Staatsverschuldung der USA im Besonderen hat ihren höchsten Stand (als Anteil vom BIP) seit dem Zweiten Weltkrieg erreicht. Und während die meisten EU-Mitgliedstaaten zum Glück über jede Menge Haushaltspielraum verfügen, müssen sie diesen mit großem Geschick nutzen.

Es versteht sich von selbst, dass die COVID-19-Pandemie die größte Herausforderung für die Weltwirtschaft seit 2008 ist. Und bisher sieht es aus, also wären die Regierungen weltweit der Herausforderung diesmal nicht gewachsen. Wenn sich das nicht sehr rasch ändert, gibt es jeden Grund, eine lange, schwere weltweite Rezession mit gleichermaßen profunden Auswirkungen auf die entwickelten Länder und die Entwicklungsländer zu erwarten.

Anders Åslund ist Senior Fellow des Atlantic Council in Washington. Sein neuestes Buch ist Russia’s Crony Capitalism: The Path from Market Economy to Kleptocracy.

Copyright: Project Syndicate

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