UBS: Kopf oder Bauch

Acht von zehn Anlegern glauben, dass die Konjunkturerholung die Erwartungen erfüllt oder übertroffen hat, doch sie halten sich infolge der Finanzkrise mit Anlagen weiterhin zurück.

05.02.2016 | 11:44 Uhr

Der UBS Investor Watch untersucht Widersprüche zwischen der Haltung und dem Verhalten vermögender Anleger. Eine Erkenntnis: Millennials sind in Anlagefragen stärker im Zwiespalt als andere Generationen. Sie sagen: "Entscheidend ist das richtige Markt-Timing."

UBS Wealth Management Americas (WMA) hat heute den vierteljährlich erscheinenden Bericht UBS Investor Watch veröffentlicht. Unter dem Titel «The conflicted investor» präsentiert dieser die Ergebnisse von Befragungen, die vor und nach der hohen Marktvolatilität und den geopolitischen Turbulenzen der vergangenen Wochen unter wohlhabenden Anlegern durchgeführt wurden. Wie die Ergebnisse zeigen, sind die Anleger zwischen ihrer rationalen Sichtweise und den emotionalen Eindrücken durch die Finanzkrise hin- und hergerissen. 

Einerseits glauben die Anleger an die Konjunkturerholung: 79% gaben an, dass sie ihre Erwartungen erfüllt oder sogar übertroffen habe, und fast jeder Zweite (47%) bedauert, dass er in der Erholungsphase nicht stärker investiert hat. Andererseits hat das Jahr 2008 bei vielen Anlegern emotionale Spuren hinterlassen, die sie davon abgehalten haben, in vollem Umfang an der Erholungzu partizipieren.

So haben die meisten Anleger (89%) ihre Barmittelbestände seit der Krise konstant gehalten oder erhöht, und lediglich 18% sind bereit, für bessere Renditen auch höhere Risiken einzugehen. Die Volatilität und die globalen Ereignisse in letzter Zeit haben unter den Anlegern die Unsicherheit verstärkt, sodass es noch unwahrscheinlicher geworden ist, dass sie ihr Verhalten ändern werden. 42% der Befragten gaben an, dass die jüngsten Verwerfungen Erinnerungen an die Finanzkrise geweckt habe. Fast ein Viertel der Anleger sieht darin Signale für den Beginn eines langfristigen Marktrückgangs.

«Schon bevor die aktuelle Volatilität ihre Entschlossenheit weiter auf die Probe stellte, taten sich die Anleger schwer damit, dieKonjunkturerholung und deren positiven Effekte richtig gegen die latenten emotionalen Nachwirkungen der Jahre 2008 und 2009 abzuwägen», so Paula Polito, Client Strategy Officer, UBS Wealth Management Americas. «Die Finanzkrise hat offenbar einen langenSchatten auf die Ansichten der Anleger geworfen.»

Anleger mit einer bestehenden Finanzplanung zeigen sich in volatilen Zeiten deutlich zuversichtlicher als Anleger ohne eine solche Planung. Stattliche 98% sagen, dass ihre Planung sie auf Kurs hält, und 97% bestätigen, dass sie dank ihrer Planung ihre langfristigen Ziele fest im Blick behalten, anstatt sich von täglichen Marktschwankungen beeinflussen zu lassen.

Geopolitische Ereignisse und Innenpolitik als Quellen der Unsicherheit

Wohlhabende Anleger sind geteilter Ansicht, wie lange die Volatilität, die Anfang 2016 einsetzte, andauern wird. Nach Ansicht der meisten (77%) ist sie nur vorübergehender Natur, während fast ein Viertel (23%) glaubt, sie signalisiere, dass die USA am Rande eines längerfristigen Marktrückgangs stehen. Maßgeblichen Einfluss auf diese Debatte haben diverse geopolitische Ereignisse, die sich auf die Märkte auswirken, sowie die Unmenge an Informationen, die zu einer allgemeinen Verwirrung führt. Der Bericht UBS Investor Watch zeigt, dass die Volatilität nach Ansicht von 85% der wohlhabenden Anleger durch so viele Faktoren bedingt ist, dass sich schwer vorhersagen lässt, in welche Richtung die Märkte tendieren werden.

Mehr als drei Viertel der Befragten (76%) glauben, dass eine Vielzahl von globalen Bedenken die Märkte beeinflusst und es daher schwierig ist, die Situation der Finanzmärkte in ihrer Gesamtheit zu verstehen. 81% sind der Meinung, dass der weltweite Terrorismus ein Teil der «neuen Normalität» ist. Acht von zehn Anlegern (80%) bereitet der Ausgang der US-Präsidentschaftswahlen 2016 Sorgen, und drei Viertel (76%) finden die Höhe der Verschuldung des Landes bedenklich.

Der Cash-Konflikt

Wohlhabende Anleger haben in den letzten Jahren beträchtliche Cash-Reserven gehalten (durchschnittlich 20%), und viele von ihnen betrachteten dies als eine Sicherheitsmaßnahme. Obwohl sie weiterhin lieber an ihrem Geld festhalten, glaubt mehr als die Hälfte, dass es unklug ist, «zu viel» Cash zu halten. Sie seien bereit, ein Viertel ihrer Cash-Bestände anzulegen, wenn sich ihnen die richtigen Anlagemöglichkeiten bieten. Nur 14% gaben an, sie würden der nächsten Generation raten, einen hohen Cash-Anteil zu halten.

Das bedeutet allerdings nicht, dass alle wohlhabenden Anleger ihre Barmittel auch tatsächlich investieren – ganz im Gegenteil. Fast neun von zehn Anlegern (89%) haben ihre Cash-Bestände seit der Finanzkrise konstant gehalten oder sogar erhöht, und rund 40% glauben, dass man als Anleger nie «zu hohe» Cash-Bestände halten kann. Sieben Jahre nach der Finanzkrise und der anschließenden Hausse betrachten nur 33% der Befragten Marktrückgänge als Anlagechance.

Millennials äußern Bedauern

Der Bericht UBS Investor Watch ergab auch, dass es die Millennials als Gruppe wohl bedauern, Anlagen bei Marktrückgängen verkauft (52% gegenüber 23% der Generation X und 14% der Babyboomer) und in Erholungsphasen nicht stärker investiert zu haben (68% gegenüber 52% der Generation X und 44% der Babyboomer).

«In Anlagefragen sind die Millennials eindeutig in einem stärkeren Zwiespalt als andere Generationen», erklärt Sameer Aurora, Head of Client Strategy, UBS Wealth Management Americas. «Fast die Hälfte gibt an, sie würden jetzt höhere Risiken eingehen, hält aber doppelt so hohe Barmittel wie die Babyboomer. Außerdem sind die Millennials mit der Positionierung ihrer Portfolios am unzufriedensten, allerdings ist bei ihnen die Wahrscheinlichkeit, dass sie daran etwas ändern, ebenfalls am geringsten.»

Da sie während der Finanzkrise relativ jung waren, haben Millennials darüber hinaus andere Lektionen gelernt als die Generation X, die Babyboomer und die 2. Weltkriegs-/Swing-Generation. Beispielsweise ist mehr als die Hälfte (57%) der wohlhabenden Anleger aus der 2. Weltkriegs-/Swing-Generation zu der Erkenntnis gelangt, dass es wichtig ist, an einer «Buy and Hold»-Strategie festzuhalten – aber nur ein Drittel der Millennials (33%) sieht das auch so. Und während 27% der Millennials angeben, dass Markt-Timing die wichtigste Lektion ist, die sie gelernt haben, stimmen dem nur 10% der Babyboomer zu.

Der Bericht UBS Investor Watch ergab, dass Millennials nach eigener Aussage seit der Finanzkrise bereit sind, mehr Risiken einzugehen (43%) – doppelt so viele wie aus der Generation X (21%), mehr als drei Mal so viele wie unter den Babyboomern (12%) und fast fünf Mal so viele wie aus der 2. Weltkriegs-/Swing-Generation (9%). Doch wenn sie nach ihren Cash-Beständen gefragt werden, zeigt sich, dass die Millennials im Durchschnitt am meisten davon halten: 41% gegenüber 28% für die Generation X, 20% für die Babyboomer und 19% für die 2. Weltkriegs-/Swing-Generation.

Weitere wichtige Ergebnisse:

• Seit der Krise haben wohlhabende Anleger ihre Renditeerwartungen insgesamt gesenkt, und nur 17% streben an, den Markt zu übertreffen

• 68% der Millennials bedauern es, dass sie während der Erholung am Aktienmarkt nicht stärker investiert haben, gegenüber 52% der Generation X, 44% der Babyboomer und 45% der 2.Weltkriegs-/Swing-Generation

• Die Zufriedenheit mit der Positionierung ihrer Portfolios ist unter den Millennials (15%) im Vergleich zur Generation X (32%), den Babyboomern (50%) und der 2. Weltkriegs-/Swing-Generation (56%) am geringsten.

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