UBS: Liquidität - Ist weniger mehr?

Haben Vermögensanlagen, die schwierig zu bepreisen oder zu veräußern sind, wirklich einen Platz in den Portfolios von Investoren verdient? Auf der Suche nach verbesserten Erträgen und risikoadjustierten Renditen hat diese Frage zu einem stark wachsenden Interesse institutioneller Investoren an einer breiten Palette illiquider Anlageklassen wie Infrastruktur, Private Credit, Immobilien und Private Equity geführt.

02.05.2017 | 14:10 Uhr

Aber wie sollten Investoren bei einer Allokation in illiquiden Anlagen vorgehen? Wir glauben, dass Investoren,  die in der Vergangenheit  das Risiko weniger leicht handelbarer Anlagen akzeptierten, dafür eine Gegenleistung erhalten haben – die sogenannte „Illiquiditätsprämie“ –, wegen der es sich lohnt, illiquide Handlungsoptionen zu untersuchen. Allerdings gilt es dabei bestimmte Fallstricke und Grundsätze zu beachten.

Wie bei jeder beobachteten Prämie oder Überschussrendite müssen wir zunächst die strukturellen  Gründe verstehen,  warum die Prämie existiert und auch in Zukunft fortbestehen sollte, bevor wir sie in eine Anlagestrategie einbeziehen.

Vereinfacht gesagt glauben wir, dass die Illiquiditätsprämie existiert, weil die meisten Investoren hohen Wert auf die Verfügbarkeit von Barmitteln legen. Daher verlangen sie eine höhere Rendite aus Anlagen, die nicht jederzeit problemlos in Barmittel umgewandelt werden können, d. h. für solche Anlagen, die begrenzten Zugang zum investierten Kapital ermöglichen oder die nur schwierig oder unter hohen Kosten verkauft werden  können  – besonders in Zeiten von erhöhtem Marktstress. Diese Beziehung wird in unserer ersten Grafik verdeutlicht; die Darstellung stammt aus dem Jahr 2011, ist aber bis heute gültig.

Wir möchten auch darauf hinweisen, dass es vielen Investorengruppen aus regulatorischen oder anderen Gründen praktisch unmöglich ist, illiquide Investments zu halten. Zum Beispiel unterliegen regulierte Anlagefonds aufsichtsrechtlichen Liquiditätsanforderungen und sind im Allgemeinen gehalten, Rücknahmeanträge der Investoren sofort zu erfüllen.

Die höhere Renditeerwartung bei illiquiden Anlagen lässt sich auch durch die Opportunitätskosten rechtfertigen, die ein Investor zu tragen hat. Investoren, die solche Anlagen halten, sind nur begrenzt in der Lage, ihre Portfolios als Reaktion auf neue Informationen umzugewichten, kurzfristigen Kapitalbedarf zu erfüllen oder auf veränderte Umstände zu reagieren, die den Verkauf von Anlagen erfordern. Mit einer geringeren Zahl von Datenpunkten und weniger Transparenz erschwert es Illiquidität den Investoren, die möglichen Risiko­ und Renditepotenziale von Anlagen zu bewerten und auf Basis der erwarteten Beziehungen zwischen unterschiedlichen Anlageklassen effiziente Allokationsentscheidungen zu treffen.

Insgesamt glauben wir, dass es starke strukturelle Gründe für die Existenz einer allgemeinen Illiquiditätsprämie und, mit Blick in die Zukunft, für ihr Fortbestehen gibt.

Asymmetrie der Information
Im nächsten Schritt können wir einen Blick auf die Treiber der Liquiditätsunterschiede zwischen einzelnen Märkten werfen, um zu verstehen, wie sie eine Anlagestrategie  vermutlich beeinflussen  werden.  Einer der wesentlichen Treiber der Liquidität ist aus unserer Sicht der Grad der Informationsasymmetrie unter den Marktteilnehmern; laienhaft gesagt, das Ausmaß, in dem kurssensible Informationen einer privilegierten Minderheit oder nur einem einzigen Marktteilnehmer zur Verfügung stehen, verglichen mit Märkten, in denen alle Teilnehmer gleichermaßen auf kurssensible Informationen zugreifen können.

Der Handel in einem öffentlichen  Markt stellt keine Garantie für Liquidität dar, wie Investoren in börsennotierten kleinen Aktienunternehmen oder Hochzinsanleihen zweifellos bestätigen werden. Dennoch bieten die regulierten öffentlichen  Aktienmärkte der Industrie­ länder zumindest in der Theorie ein faires Spielfeld, das zur Investorenbeteiligung ermutigt und die Liquidität stützt. So müssen zum Beispiel börsennotierte Unternehmen im Vereinigten Königreich regelmäßig Informationen über ihr operatives Geschäft veröffentlichen, und kurssensible Nachrichten müssen über einen regulierten Nachrichtendienst an alle Marktteilnehmer gleichzeitig verbreitet werden.

Im Gegensatz dazu herrscht in privaten Märkten eine signifikante Informationsasymmetrie. So sind fundamentale  Daten wie Umsatz, Gewinne, Cashflow, Dividenden, Schuldenlast und Zinskosten im Bereich Private Equity ebenso relevant wie bei der Bewertung und Analyse von börsengehandelten Unternehmen. Doch ohne regulierten Markt oder die Verpflichtung zur Gleichbehandlung können einige Marktteilnehmer Zugang zu weitaus tiefgreifenderen Informationen über Fundamentaldaten, Unternehmensstrategie oder wirtschaftlichen Erfolg eines bestimmten Unternehmens oder Wertpapiers besitzen als andere. Dies stellt ohne Zweifel ein beträchtliches Risiko für jeden Marktteilnehmer dar, der schlechteren Zugang zu Informationen hat und der daher mit geringerer Wahrscheinlichkeit handeln und Liquidität bereitstellen wird.

Die Bedeutung asymmetrischer Informationen als wesentlicher Treiber von Liquidität wird in Zeiten von erhöhtem Marktstress deutlich. Warum hat sich die Geld­Brief­Spanne im Interbankenkreditmarkt 2007 so erheblich ausgeweitet, bevor er 2008 praktisch zum Erliegen kam? Vor allem deshalb, weil die Kreditgeber glaubten, andere Marktteilnehmer hätten kurssensible Informationen über die Bonität des Kreditnehmers, die nicht öffentlich gemacht wurden. Und ein großer Teil der veröffentlichten Informationen wurde als nicht vertrauenswürdig betrachtet – so wird die Glaubwürdigkeit von Marktinformationen ebenso wichtig wie die Information selbst.

Es gibt jedoch Situationen, in denen zusätzliche Erwägungen ins Spiel kommen können. Wenn der Markt für eine bestimmte Anlage aus irgendwelchen Gründen illiquide ist, könnten Investoren es vorziehen, diese Anlage nicht zu besitzen. Dadurch versehen sie den Kaufpreis mit einem Illiquiditätsabschlag. In solchen Fällen reflektiert der Abschlag die Zeit, die benötigt werden könnte, um einen Käufer zu finden, der den mit der Anlage verbundenen Wert erkennt und bereit ist, sie zum richtigen Preis zu erwerben.

Alpha, nicht Beta der wesentliche Treiber illiquider Märkte 
Passive Anlagestrategien für liquide Anlageklassen, die von einem fairen Spielfeld mit häufigen  Transaktionen und Informationsgleichheit für alle Marktteilnehmer profitieren,  gewinnen zunehmend an Popularität. Liquidität und Transparenz erlauben es den Investoren, gefahrlos einem passiven Ansatz zu folgen und preiswerten Zugang zur Marktperformance, dem Beta, zu gewinnen. Die Bedingungen in illiquiden Märkten sind davon sehr verschieden; Investoren müssen sich hier auf die Investmentkompetenz der Spezialisten und das Können der Fondsmanager verlassen – auch als Alpha bekannt.

Alpha bedeutet nicht nur eine überlegene Einzeltitelauswahl. Es beinhaltet unter Umständen auch die Fähigkeit, auf Basis besonders hochwertiger Informationen und Beziehungen günstige Gelegenheiten aufzuspüren, eine operative Plattform zur Verbesserung des Risikomanagements und die juristischen Kompetenz, Transaktionen so zu strukturieren, dass Risiken gemindert und falls nötig die Rückgewinnungsquoten maximiert werden. Dies zeigen die üblicherweise mit Kreditklauseln gespickten Finanzierungsunterlagen bei der Ausgabe von Infrastrukturkrediten, die niedrigere Ausfallquoten und eine höhere Rückgewinnung als bei Unternehmens­ anleihen mit vergleichbarem Rating ermöglichen können.

Schließlich kann Illiquidität genutzt werden, um Alpha zu generieren, indem man einfach als williger Käufer von Anlagen auftritt, die aufgrund niedriger Transaktionsvolumen in ihrem speziellen Markt günstig zu erwerben sind. In solchen Fällen entsteht Alpha nicht durch einen besseren Informationsstand, sondern durch die mangelnde Bereitschaft anderer  Investoren, ihr Kapital über einen ungewissen Zeitraum zu binden.

Berechnung der Illiquiditätsprämie Doch von welcher ‚Prämie‘ für Illiquidität ist hier die Rede? UBS Hedge Fund Solutions hat eine Studie mit 234 Hedgefonds auf der HFS­Plattform durchgeführt, um festzustellen, ob es eine Verbindung zwischen der Hedgefonds­Performance und der Liquidität der zugrunde liegenden Investitionen gab. Dabei wurde die Rücknahmefrist als Annäherung an die Liquidität der zugrunde liegenden Positionen verwendet. Die Studie kommt zu dem Schluss, dass jeder Monat der Illiquidität etwa 20 Bp. zusätzliche Rendite bedeutet.

Dieses Ergebnis stimmt in etwa mit einer weiteren Analyse überein, bei der die Investitionsgeschichte von fast 1400 Private­Equity­Fonds über einen Zeitraum von 24 Jahren aus den Positionen von über 200 institutionellen Investoren abgeleitet wurde. Die Analyse zeigte, dass die Median­Rendite der Private­Equity­Fonds nach Gebühren den entsprechenden Aktienmarkt (S&P 500) um über 3% jährlich übertraf.

Abgrenzung der Illiquiditätsprämie Natürlich können hier auch andere Faktoren eine Rolle spielen als die unmittelbare Belohnung für eine Bereitschaft zur Illiquidität. In den späten1980er­Jahren führte Harvard­Professor Michael C. Jensen die zusätzlichen Renditen von weniger liquiden Privatunternehmen gegenüber börsengehandelten Aktiengesellschaften auf größere Kapitaleffizienz und höhere Schuldenaufnahme zurück.

Selbst wenn wir zweifelsfrei feststellen können, dass illiquide Anlagen langfristig eine höhere Rendite erzielt haben, und dabei einen gewissen empirischen Nachweis der Höhe dieser Überrendite erbringen, ist damit nicht eindeutig erwiesen, dass dies direkt auf die Illiquidität zurückzuführen ist.

Letzten Endes bestehen alle Anlageklassen aus einer Ansammlung  unterschiedlicher Risikoprämien in wechselnden Anteilen. Illiquidität ist daher mit einer Vielzahl anderer Risikoprämien wie Volatilität und Größe verflochten. (Es lässt sich darüber spekulieren, inwieweit die gut untersuchte ‚Small­Cap­Prämie‘ kleinerer Aktiengesellschaften eine Folge ihrer Illiquidität oder ihrer Größe ist.) Genaue Messungen werden durch die Tatsache weiter erschwert, dass Liquidität keine Konstante, sondern multidimensional und im Zeitablauf veränderlich ist.

Spielt die Messung der Illiquidität eine Rolle?
Der Versuch, die Illiquiditätsprämie abzugrenzen und zu messen, mag die akademische Forschung noch auf Jahre hinaus beschäftigen; wir sind jedoch der Auffassung, dass die Nachweise für höhere Renditen durch illiquide Anlagen hinreichend sind, um solche Anlagen in Erwägung zu ziehen. Als zentralen Aspekt für Investoren betrachten wir dabei die mögliche Gesamtrendite aus allen möglichen Risiken – einschließlich der Illiquidität – im Zusammenhang mit den übergeordneten Anlagezielen und -beschränkungen  jedes Investors.

Wichtiger  als die Frage, ob die Illiquiditätsprämie präzise gemessen werden kann, ist die Tatsache, dass sich Illiquidität gezielt nutzen lässt. Es ist gesagt worden, Illiquidität sei „im Kern die Übertragung ökonomischer Renten von denjenigen, die Liiquiditätsrisiken vermeiden wollen, auf die Risikobereiten.“ Wir glauben aber, dass ausgewählte illiquide Anlagen ‚risikobereiten‘ Investoren, die diese Risiken verstehen und akzeptieren, attraktive Renditen für das eingegangene Risiko bieten können. Dies sollte aus unserer Sicht ein starker Anreiz für professionelle Investoren mit längerfristigem Horizont sein, näher zu unter­ suchen, was illiquide Anlagen ihnen zu bieten haben. Zumindest scheinen langfristige Investoren klar im Vorteil zu sein, wenn es darum geht, die möglichen höheren Renditen, die mit illiquiden Anlagen generell zu erzielen sind, zu ihrem Vorteil auszunutzen.








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