UBS: Standpunkte zur US-Präsidentschaftswahl 2016

Die Präsidentschaftswahl in den Vereinigten Staaten am 8. November hat einen beispiellosen Verlauf genommen. Donald Trump wird der 45. Präsident der Ver-einigten Staaten werden, ein Ergebnis, das einige Beobachter als „die größte Wahlsensation der amerikanischen Geschichte“ bezeichnet haben.

17.11.2016 | 09:52 Uhr

Wir nehmen an, dass der designierte Präsident Trump jetzt schnell Kabinettsmit-glieder benennen wird. Aus unserer Sicht wird diese Liste nicht die schon be-kannten üblichen Namen umfassen. Die Wähler haben signalisiert, dass sie ein anderes Washington wollen, und Trump dürfte mit seinen Kabinettsentschei-dungen darauf eingehen.

Politische Folgen

Wie Donald Trump den Übergang von der Wahlkampagne zur Präsidentschaft gestaltet und auf welche politischen Themen er in seinen ersten 100 Tagen setzt, wird großen Einfluss auf die Risikobereitschaft haben. In seinen Wahlkampfreden hat Trump verschiedene übergreifende politische Maßnahmen angesprochen, doch seinem schriftlichen Wahlprogramm mangelt es an Details. Wir müssen daher auf Signale von Trump und leitenden Kongressmitgliedern warten, um eine klarere Vorstellung von den Prioritäten der neuen Regierung zu bekommen.

Die Wahlkampagne von Donald Trump konzentrierte sich auf sechs Kernthemen: Steuern senken, Infrastrukturinvestitionen anheben, Handelsabkommen neu verhandeln, illegale Einwanderung stoppen, Obamacare rückgängig machen und den Verwaltungsaufwand senken. Wir glauben zwar nicht, dass Trump alle seine Versprechen nach der Wahl verwirklichen wird, doch dürfte es ihm wichtig sein, eine Anzahl von Wahlversprechen umzusetzen, um dem Wähler aus der amerikanischen Mittelschicht, der ihn ins Amt gewählt hat, seine Loyalität zu demonstrieren. Für die Märkte wird die Abfolge und Priorisierung seiner angekündigten Politikziele bedeutende Folgen haben. Davon abgesehen sind wir zuversichtlich, dass sich die Bedingungen für gesetzgeberisches Handeln im kommen-den Jahr verbessern werden und die Erfolgsaussichten für wachstumsfördernde Maßnahmen wie geringerer Verwaltungsaufwand, niedrigere Unternehmenssteuern und verstärkte fiskalische Anreize optimistisch stimmen.

Wir erwarten, dass Trumps erste Agenda folgende Elemente umfassen wird: eine Überarbeitung der jüngsten exekutiven Anordnungen und Bestimmungen von Präsident Obama auf vielen Gebieten, eine Nominierung für den Obersten Gerichtshof, Gespräche mit führenden Republikanern im Kongress mit dem Ziel, Obamacare im Frühjahr durch Haushalts- und Harmonisierungsverfahren eher signifikant zu überarbeiten als rückgängig zu machen, sowie erste Verhandlungen über die Elemente eines umfassenden Steuerreformpakets. Wir erwarten, dass Trump durch die Rücknahme einiger exekutiver Anordnungen Obamas gegen die illegale Einwanderung vorgehen, aber keine Massendeportationen durchführen wird. Wahltagsbefragungen haben gezeigt, dass diese Position sogar bei seinen Unterstützern unpopulär ist.

In der Außenpolitik wird Donald Trump aus unserer Sicht anstreben, Abkommen mit Handelspartnern neu zu verhandeln, besonders mit China und Mexiko. Wir glauben nicht, dass er versuchen wird, das Nordamerikanische Freihandelsabkommen (NAFTA) sofort aufzuheben, doch sollte seine Politik gegenüber Mexiko eine Reihe von Fragen wie Grenzsicherheit und Einschränkung der illegalen Einwanderung berühren. Gegenüber China wird Trump Themen wie Währungsmanipulationen und illegales Preisdumping ansprechen. Die wahrgenommene Unberechenbarkeit Trumps sollte im Vergleich zu früheren Regierungen einen Verhandlungsvorteil darstellen.

Eines der Kernthemen, von denen der Markt hofft, dass sie von einer republikanisch geführten Regierung umgesetzt werden, ist die Aussicht auf eine Unternehmensteuerreform. Insbesondere gibt es hier die Idee eines Gesetzentwurfs zur Steuerrückführung, bei dem Unternehmen eine Steuererleichterung erhalten und ihre im Ausland erzielten Gewinne zu einem Steuersatz von 10% in die USA zurückführen könnten. Allerdings geben wir zu bedenken, dass die Multiplikatorwirkung einer Steuerrückführung auf das reale Wirtschaftswachstum begrenzt sein könnte.

Bei Barmitteln im Ausland von geschätzten USD 2,5 Billionen würde eine angenommene einmalige Steuersenkung auf 10% bedeuten, dass bis zu USD 250 Mrd. Steuergelder ins Inland zurückfließen und zur Haushaltsfinanzierung verwendet werden können. Bei näherer Betrachtung halten Unternehmen aus dem S&P 100 jedoch nur USD 700 Mrd. im Ausland. Die Tatsache, dass ihnen diese Barmittel im Inland nicht zur Verfügung standen, hat die Unternehmen nicht an Aktienrückkäufen gehindert. Das Marktthema der vergangenen Jahre waren Anleiheemissionen von US-Geschäftseinheiten, um Geld aufzunehmen und Aktien zurückzukaufen. Im Ergebnis glauben wir nicht, dass es zu einem starken Mittelzufluss in den Markt und in S&P-100-Aktien kommen wird. Zweitens ist darauf hinzuweisen, dass Haushaltsausgaben von USD 250 Mrd. ein sehr geringer Betrag sind, der gerade 1,5% des BIP ausmacht. Gerechnet als Prozentanteil am BIP haben die Haushaltsausgaben einen mehrjährigen Tiefpunkt erreicht, doch diese Summe scheint uns nicht besonders aufregend, solange nicht etwas kommt, das mit Blick auf die Infrastruktur umfassender und nachhaltiger wirkt. Angesichts notwendiger US-Infrastrukturausgaben von geschätzten USD 3 Billionen erscheinen USD 250 Mrd. wie ein Tropfen auf den heißen Stein. Es ist sicher besser als der Gegenwind, der bisher blies, aber für sich genommen nicht wirklich ausreichend für einen Konjunkturumschwung auf breiter Front.

Für die Zukunft stellt sich die Frage, ob Donald Trump eine populistische Agenda mit Schwerpunkt auf Handelsprotektionismus und Anti-Immigrationspolitik verfolgen wird oder eine pragmatische Agenda, die den Wiederaufbau Amerikas durch fiskalische Anreize anstrebt. In einem marktfreundlichen Szenario wird Trump von der überwiegend streng protektionistischen Rhetorik seiner Wahlkampagne ablassen und sich stattdessen darauf konzentrieren, die Binnenwirtschaft durch fiskalische Expansion und politische Anpassungen, Steuererleichterungen, weniger Regulierung und Maßnahmen gegen die steigenden Gesundheitskosten zu stimulieren. In diesem Fall könnte die Konjunktur in der zweiten Hälfte des nächsten Jahres auf einem festeren Fundament stehen, als aktuell von den Volkswirten prognostiziert wird. Wir denken jedoch, dass auf kurze Sicht störende Einflüsse durch verstärkte Bedenken über Handelsprotektionismus und Nationalismus gegen die potenziellen Vorteile sinkender Steuern und höherer Investitionsausgaben abgewogen werden sollten.

Der komplette Marktkommentar als pdf-Dokument.

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