Uran: Strahlendes Comeback des vergessenen Rohstoffs -Teil 1
Titel der Publikation: | Uran: Strahlendes Comeback des vergessenen Rohstoffs |
Veröffentlichung: | 15.11.2024 |
Autor: | Tim Bröning |
Auftraggeber: | TiAM FundResearch |
Die Kernenergie feiert weltweit ein Comeback. Und damit die Nachfrage nach Uran. In der zweiteiligen Serie erklärt Finanz- und Rohstoffexperte Tim Bröning im Auftrag von TiAM FundResearch die Hintergründe und Chancen für Investoren. Teil 1: Weshalb bei Uran eine große Angebotslücke droht.
20.11.2024 | 16:05 Uhr
Es braut sich etwas zusammen im Uranmarkt – und die Zeichen stehen auf Sturm. Die Welt steht mitten in einer technologischen Revolution, die den globalen Strombedarf in unvorstellbare Höhen treibt. E-Autos, Smartphones, Drohnen, Roboter und Rechenzentren für künstliche Intelligenz (KI) sind nur einige Beispiele für den explodierenden Hunger nach Energie – und das in einer Zeit, in der die Reduzierung von CO₂-Emissionen zur dringendsten Aufgabe der Menschheit geworden ist. Laut der Internationalen Energieagentur (IEA) wird der weltweite Strombedarf bis 2040 je nach Szenario um erstaunliche 50-70 Prozent steigen. Dieser Bedarf lässt sich aber mit den heutigen Energiequellen nicht decken, ohne die Klimaziele zu komplett zu verfehlen. Erdgas und Kohle, die zusammen immer noch rund 60 Prozent der globalen Stromerzeugung ausmachen, sind keine nachhaltigen Lösungen.
Der Anteil an Kernenergie beträgt weltweit hingegen nur ca. 10 Prozent und ist nicht nur grundlastfähig, sondern auch nahezu CO₂-frei. Ein Kilogramm Uran liefert so viel Energie wie 16 Tonnen Kohle – und das ohne Emissionen. In einer Welt, die dringend nach klimafreundlichen Energielösungen sucht, ist die „vergessene Kernenergie" unverzichtbar geworden. Doch es gibt ein Problem: Der Uranmarkt steht bereits jetzt unter Druck.
Die Preisentwicklung von Uran: Ein Blick in die Vergangenheit
Der Uranpreis hat in der Vergangenheit extreme Höhen und Tiefen erlebt. In den frühen 2000er Jahren erlebte der Markt einen regelrechten Boom. Von rund 7 US-Dollar pro Pfund im Jahr 2001 stieg der Preis bis 2007 auf etwa 140 US-Dollar; inflationsadjustiert wären das heute fast 225 US-Dollar. Diese Rally führte zu beispiellosen Kurssteigerungen bei Uranaktien – 10x oder 20x waren normal. Doch die Finanzkrise 2008 und die Fukushima-Katastrophe 2011 verursachten einen massiven Einbruch des Uranpreises und eine Pleitewelle bei den Produzenten. Seit 2016 hat sich der Markt allerdings langsam wieder erholt, mit Preissteigerungen von etwa 20 US-Dollar auf aktuell 80 US-Dollar Pfund. Im Gegensatz zu früheren Preisanstiegen, die hauptsächlich spekulativ waren, wird die aktuelle Erholung aber scheinbar durch fundamentale Marktkräfte getrieben, die der legendäre Rohstoffinvestor Rick Rule etwas süffisant aber passend zusammenfasst mit den Worten „Either the uranium price goes up or the lights go out.“
Uranpreis-Chart
Das All-Time-High wurde 2007 mit etwa 140 US-Dollar erreicht. Inflationsbereinigt wären das heute ca. 225 US-Dollar. Seitdem Absturz bis auf unter 20 US-Dollar erholt sich der Uranpreis seit 2016 wieder.
Quelle: Trading Economics
Steht eine neue Mega-Hausse bevor?
Experten prognostizieren, dass die nächste Hausse bei Uranaktien weitaus nachhaltiger und langfristiger sein könnte als alles, was wir bisher erlebt haben. Die Frage scheint nicht mehr zu sein, „ob, sondern wann“ die nächste Mega-Rally startet. Maßgeblich beeinflusst wird eine nachhaltige Hausse im Rohstoffbereich jedoch immer durch die fundamentalen Entwicklungen auf der Angebots- und Nachfrageseite und ob daraus wirklich ein sich ausweitendes Defizit entsteht. Für potentielle Investoren sollten diese Fundamentaldaten eine Analyse wert sein.
Die Nachfrage: Mehr als nur stabil
Die globale Uran-Nachfrage wird derzeit von einer spannenden Dynamik angetrieben, die tiefgreifende Veränderungen in der Energie- und Technologiebranche widerspiegelt. Die Haupteinflussfaktoren auf die Nachfrage sind die folgenden.
1. Elektromobilität, KI und Rechenzentren als Antriebskraft der Zukunft
Elektroautos sind Schlüsselakteure im Kampf gegen den Klimawandel, da sie eine bedeutende Rolle bei der Reduzierung von CO₂-Emissionen spielen. Doch diese Fahrzeuge sind nur so sauber wie der Strom, der sie antreibt. Kernenergie gilt dabei als beste Option.
Aber nicht nur die Elektromobilität treibt die Nachfrage nach sauberer Energie. Auch Rechenzentren, die das Herzstück unserer digitalen Welt bilden und für die Verarbeitung gigantischer Datenmengen sowie die Entwicklung von künstlicher Intelligenz (KI) unerlässlich sind, benötigen enorme Stromkapazitäten. Elon Musk stellte dazu erst kürzlich in einem Interview klar „Die Berechnungen für KI nehmen alle sechs Monate um den Faktor 10 zu. Es wird bald nicht genug Strom geben, um all die Chips zu betreiben.“
Die Tech-Giganten investieren daher in nie gekannten Dimensionen in Kernkraft. Microsoft hat z.B. einen Deal abgeschlossen, um das berühmte, aber stillgelegte Atomkraftwerk Three Mile Island wiederzubeleben, Amazon und Google wollen SMRs (kleine AKWs) nutzen und Oracle will seine gigantischen Rechenzentren ausschließlich mit Atomstrom betreiben. Andere werden ganz sicher folgen, denn sie haben keine andere Wahl.
Gleichzeitig
heizen das rasante Bevölkerungswachstum und der wirtschaftliche Aufstieg vieler
Nationen, vor allem in Indien und China, den globalen Energiebedarf an. Mehr
Menschen bedeuten mehr Haushalte, Fabriken und Infrastruktur – all das
erfordert enorme Mengen an Energie. Auch hier wird Kernenergie zunehmend als
verlässliche Lösung angesehen, um den wachsenden Hunger nach Strom zu stillen
und gleichzeitig die Klimaziele einzuhalten.
2. Mehr Atomkraftwerke werden gebaut
Derzeit gibt es weltweit 440 Atomreaktoren, die Strom erzeugen. Zudem sind aktuell 67 neue Reaktoren im Bau und über 100 weitere in Planung. In China, das bei der Nutzung der Kernenergie eine führende Rolle spielt, sind allein 30 neue Reaktoren im Bau. Auch Indien und Frankreich bauen neue Atomkraftwerke, und in den USA werden bestehende Anlagen aufgerüstet.
3. Kleine Atomreaktoren (SMRs) revolutionieren den Markt
Eine neue Technologie,
die Small Modular Reactors (SMRs) sind die Zukunft der Kernenergie. Diese
kleineren und flexibleren Reaktoren bieten enorme Vorteile, denn man kann sie schneller
bauen und sie eignen sich ideal auch für abgelegene Regionen oder einzelne
Nutzer.
Weltweit gibt es mittlerweile bereits über 70 Projekte, die solche kleinen Atomreaktoren entwickeln und sie werden in Ländern wie Kanada, den USA, Großbritannien und China gebaut.
Die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) schätzt, dass SMRs bis 2050 etwa 20 Prozent der weltweit neuen Atomenergie ausmachen könnten. Diese Reaktoren benötigen stärker angereichertes Uran als die großen AKWs und damit große Mengen an Uran.
4. Der Übergang von Underfeeding zu Overfeeding
In der Urananreicherung,
die notwendig ist, um die Brennstäbe für AKW herzustellen, gibt es zwei Phasen:
Underfeeding und Overfeeding. Bei Underfeeding wird weniger Uran benötigt, um
angereichertes Uran herzustellen. Aber nun befindet sich die Industrie aufgrund
zu weniger Anreicherungskapazitäten durch den Boykott Russlands im Westen in
einer Phase des Overfeeding, was bedeutet, dass mehr Uran benötigt wird, um
dieselbe Menge angereichertes Uran zu produzieren. Schätzungen zufolge könnte
dieser Prozess jährlich 10 bis 15 Millionen Pfund Uran zusätzlich erfordern.
5. Energieversorger müssen ihre Uranvorräte wieder auffüllen
In den letzten Jahren haben viele Energieversorger ihre Uranvorräte stark reduziert, um zu sparen. Die meisten Versorgungsunternehmen haben nur noch für 2 bis 3 Jahre Uran auf Lager, obwohl sie normalerweise Vorräte für 4 bis 5 Jahre halten. Um diese Vorräte wieder aufzufüllen, müssen die Versorger in den nächsten Jahren schätzungsweise 20 bis 25 Millionen Pfund Uran pro Jahr zusätzlich kaufen.
6. Ziel, die Atomkraft weltweit zu verdreifachen
Mehr als 22 Länder (u.a. die USA, Frankreich und Großbritannien) haben sich Ende 2023 auf der UN-Klimakonferenz sogar zum Ziel gesetzt, ihre Atomkraftkapazität bis 2050 zu verdreifachen, was den weltweiten Uranverbrauch von derzeit 180 Millionen Pfund Uran pro Jahr auf 500 bis 600 Millionen Pfund steigen lassen würde.
Der US-Klimabeauftragte John Kerry verwies dabei auf Aussagen von Wissenschaftlern, dass eine Klimaneutralität bis 2050 ohne den massiven Ausbau der Atomkraft nicht mehr erreicht werden könne. Daher haben sich auch große Finanzinstitute wie z.B. CitiBank, Goldman Sachs, Morgan Stanley, BNP Paribas und Credit Agricole dazu verpflichtet, diesen Ausbau zu unterstützen und sich öffentlich dazu bekannt, Investitionen in die Kernenergie zu fördern.
7. Steigende Nachfrage durch Finanzinvestoren
Nicht nur Energieunternehmen benötigen Uran, auch Finanzinvestoren kaufen große Mengen, da sie von steigenden Uranpreisen überzeugt sind. Der Sprott Physical Uranium Trust ist bspw. einer der größten Investoren in physisches Uran. Dieser Trust hat bereits über 66 Millionen Pfund Uran erworben, was etwa einem Drittel des jährlichen globalen Uranverbrauchs entspricht. Dieses Uran wird physisch eingelagert und somit dem Markt entzogen.
Fazit Nachfrage: Die Nachfrage nach Uran steigt rasant an
Langfristig wird die Nachfrage nach Uran aus den genannten Gründen weiter stark steigen. Im Jahr 2024 wird der globale Bedarf nach Uran auf etwa 180 Millionen Pfund geschätzt. Bis 2025 könnte dieser Bedarf laut Prognosen auf über 190 Millionen Pfund ansteigen. Nicht berücksichtigt wird bei diesen Prognosen in der Regel die darüber hinausgehende Nachfrage durch SMRs, Overfeeding oder das Auffüllen von Lagerbeständen durch die Versorger.
Die Angebotsseite: bestenfalls stabil
Das Uran-Angebot bietet derzeit ein recht überschaubares Bild – besonders für die kommenden Jahre. Aktuell liegt das jährliche Angebot bei 150-160 Millionen Pfund, abhängig von unerwarteten Störungen oder operativen Problemen. Ein massiver neuer Uranfund könnte zwar theoretisch das Angebot verändern, aber das Entwickeln neuer produktionsfähiger Uranminen dauert in der Regel mindestens 10 Jahre. Das bedeutet, dass die Uranproduktion bis Ende dieses Jahrzehnts ziemlich gut vorhergesagt werden kann.
Verschiedene große Projekte sollen in den nächsten Jahren in Betrieb gehen, wie zum Beispiel das Arrow-Projekt von NexGen Energy (geplant ab 2030), das Phoenix-Projekt von Denison Mines (ab 2027) und das Dasa-Projekt von Global Atomic (ab 2025). Diese und andere bekannte Projekte könnten dem Markt jährlich etwa 30 bis 40 Millionen Pfund Uran zusätzlich liefern. Doch Verzögerungen sind fast immer ein Faktor. Zum Beispiel könnte das Dasa-Projekt aufgrund des Militärputsches in Niger stark beeinträchtigt werden. Nigers neue Militär-Regierung hat kurz nach der Machtergreifung beispielsweise dem französischen Uranproduzenten Orano die Genehmigung zum Uranabbau entzogen. Ob Global Atomic das gleiche Schicksal ereilen wird, wird sich zeigen. Allerdings hat Global Atomic schon jetzt massive Probleme die weitere Finanzierung des Projektes durch Banken sicherzustellen.
Gleichzeitig nähern sich einige große Uranminen ihrem Produktionsende. Besonders die Cigar Lake Mine von Cameco, die etwa 18 Millionen Pfund Uran pro Jahr fördert, könnte gegen Ende der 2020er Jahre erschöpft sein. Dies entspricht mehr als 10 Prozent der globalen Uranproduktion. Ähnliche Szenarien gelten für zwei große Minen von Kazatomprom (Inkai und Budenovskoye) sowie andere Produktionsstätten wie die Langer-Heinrich-Mine von Paladin Energy und die Somair Mine von Orano.
Kazatomprom hat zwar ehrgeizige Pläne zur Produktionssteigerung, um die auslaufenden Minen zu ersetzen, kämpft aber immer wieder mit technischen Schwierigkeiten. Besonders Versorgungsengpässe bei Säuren, die für die In-Situ-Abbaumethoden entscheidend sind, haben in den letzten Jahren zu Zielverfehlungen geführt. So wurde bereits der ursprüngliche Produktionsplan für 2025 kürzlich um fast ein Fünftel reduziert.
Insgesamt erwarten Experten nur eine moderate Erhöhung des Uranangebots in den kommenden Jahren – wenn alles gut geht. Die Balance zwischen neuen Projekten und dem Wegfall großer Förderstätten lässt den Markt weiterhin unter Druck stehen, was die Preise langfristig in die Höhe treiben könnte.
Versorgungsdefizit: Angebotslücke bleibt dieses Jahrzehnt bestehen
Die Zukunft des Uranmarktes könnte kaum spannender sein! Mit einer globalen Nachfrage von 180-190 Millionen Pfund Uran pro Jahr und einem Angebot, das bei 150-160 Millionen Pfund liegt, öffnet sich eine jährliche Angebotslücke von mindestens 20-30 Millionen Pfund – eine Kluft, die voraussichtlich mindestens bis zum Ende des Jahrzehnts bestehen bleibt. Diese Diskrepanz sorgt dafür, dass der Uranpreis unter enormem Aufwärtsdruck steht.
Zum Vergleich: Der Uranpreis liegt derzeit bei rund 80 US-Dollar pro Pfund, nachdem er Anfang 2024 bereits bei 106 US-Dollar notierte. Das Allzeithoch im Uranhype von 2007 lag bei etwa 140 US-Dollar pro Pfund, was inflationsbereinigt heute stolze fast 225 US-Dollar entsprechen würde. Es scheint daher fast unausweichlich, dass der Preis in den kommenden Monaten weiter steigt – vor allem, da immer mehr Energieversorger realisieren, dass der Uranpreis nicht mehr signifikant einbrechen wird und sie sich zu höheren Preisen eindecken müssen.
Während die Preise für die Zwischenprodukte im Uranverarbeitungsprozess – UF6, Conversion und Enrichment – bereits an ihren Allzeithochs kratzen oder diese erreicht haben, bleibt Uran U308 als Ausgangsstoff selbst noch weit hinter diesen Entwicklungen zurück. Das Potenzial für eine drastische Preissteigerung ist also greifbar.
Natürlich gibt es Risiken: Ein schwerer Reaktorunfall könnte Regierungen dazu veranlassen, aus der Atomenergie auszusteigen und ihre Uranreserven auf den Markt zu werfen, wie nach dem Fukushima-Unglück 2011 geschehen. Doch durch technologischen Fortschritt in der Sicherheit von Kernkraftwerken und die steigende Bedeutung von CO₂-freier Energie ist ein solches Szenario heute deutlich unwahrscheinlicher. Tatsächlich fährt Japan seine Reaktoren wieder hoch und demonstriert damit, dass die Atomkraft trotz ihrer Vergangenheit eine zentrale Rolle im Energiemix des Landes spielt.
Unter diesen Bedingungen scheint es, dass die Uranproduzenten ein einmaliges fundamentales Setup vorfinden. Ohne ein disruptives Ereignis stehen die Chancen für eine weitere Preisexplosion gut – das Timing könnte kaum besser sein!
Nachfrage-Angebots-Chart
Viele Experten sehen selbst bei konservativen Annahmen sich ausweitende Uran-Angebots-Defizite für die nächsten Jahre voraus. Für 2024 beträgt das Produktionsdefizit wahrscheinlich bereits mehr als 25 Prozent.