Vermögen beginnt jenseits des Geldes

Über eine sehr spezielle Aufgabe und Verantwortung eines 'Family Office as a Service' befasst sich Ferenc von Kacsóh von PARITER|fortis.

18.07.2024 | 14:00 Uhr von « Ferenc von Kacsóh »

Die Welt der (U)HNWI verändert sich derzeit rapide, insbesondere wächst die Zahl der Menschen, die in kürzester Zeit über ein liquides Vermögen von € 50 - 250 Mio. verfügen. Die Ursachen: Crypto-Investments, hochdotierte Spielerverträge, Erbschaften, der Verkauf eines eingesessenen Unternehmens oder hochskalierten StartUps. Auch wenn es manchem Politiker nicht gefallen mag: solche Vermögensstände sind keine Ausnahmeerscheinung mehr, sondern das "neue normal" in diesem Teil der Gesellschaft. 

Solche Menschen finden sich dann allerdings plötzlich in einem Umfeld wieder, auf das sie vom Leben – weder durch Erziehung noch durch Familiengeschichte, und schon gar nicht durch eigene Erfahrung – vorbereitet wurden: ein Minenfeld aus persönlichen und familiären Bindungen, verwoben mit Anspruchshaltungen verschiedenster Parteien; dazu noch Glücksritter, die vom neu erworbenen Vermögen und einer zuweilen naiv anmutenden Erfahrungslosigkeit dieser Prinzipale profitieren wollen. 

In dieser Situation sind viele Banker und Vermögensverwalter überfordert: einerseits fehlt ihnen das Know-How mit der Situation umzugehen – andererseits wachen sie eifersüchtig über ihre Kunden, immer in der Befürchtung, ein lukratives Mandat zu verlieren. Auch Anwälte und Steuerberater haben primär gänzlich andere Aufgaben, werden aber von Prinzipalen als 'Rettungsfallschirm' angefragt. 

Genau hier braucht es einen Family Officer, der passgenau diese geforderte Dienstleistung erbringt: mit dem Prinzipal die Lage analysieren, sortieren, einordnen, und Strategien entwickeln – und der Dienstleister wie Banken, Vermögensverwalter, Anwälte und Steuerberater koordiniert, aber ohne in Konkurrenz zu diesen zu treten.

Erfahrung kann man nicht 'googeln'

Was passiert bei den meisten als erstes, wenn das Geld des 'Cash-Events' erst einmal auf dem Konto ist? – Richtig: Power-Shopping. Klingt nach Klischee, passiert aber in den allermeisten Fällen genau so. Bitte richtig verstehen: in einem gewissen Maß ist das auch absolut in Ordnung – es sollte nur genauso schnell ein Ende finden wie es kam. 

Und dann? Dann kommt erst einmal etwas, was Psychologen als "die große Leere" bezeichnen: ein Vakuum, das gefüllt werden will: viel Geld, viel Zeit – aber keine Aufgabe, keine Herausforderung (mehr). Manche suchen Erfüllung auf dem Golfplatz, in Parties, Drogen und wechselnden Partnern, andere werden von falschen Freunden und Investment-'Gurus' ausgenommen, oder füllen die Klatschblätter. Frei nach Kosztolányi: "Ein sicherer Plan, um aus einem großen Vermögen ein kleines zu machen." 

Hier ist es absolut unerlässlich, sehr frühzeitig – und am besten schon vor dem Cash-Event – ein Mindset zu etablieren, das es dem Prinzipal gestattet Übersicht zu behalten, echte Freunde von falschen zu unterscheiden, die 'Bodenhaftung' zu behalten, und sich mit Menschen auszutauschen, die diese Erfahrung bereits gemacht haben. 

Diese hatten ja sehr ähnliche Herausforderungen zu meistern, und können aus der Erfahrung heraus ihre Lösung weitergeben, die der Prinzipal dann für seine spezifische Lage adaptieren kann. Der richtige Family Officer bietet dafür den geschützten Raum, der dafür erforderlich ist.

Professionalisierung der Familie

Die erste Frage, die sich hier den meisten stellt: warum braucht es das? Ein altes Sprichwort tönt so: "Wohlstand kommt vom Geld behalten" – das adressiert den professionellen Umgang mit Geld. Nicht umsonst bezeichnet sich die britische Königsfamilie selbst als "Die Firma". Im Folgenden sehen wir auch, warum. 

Die nächste Frage ist die nach den involvierten Personen. Das ist zunächst der engste Familienkreis, und selbst hier gilt: "Need to know!" – Nur wer es wirklich wissen muss erfährt, dass es überhaupt einen Cash-Event gab, oder gar in welcher Höhe. 

Dazu sollte man sich grundsätzlich vor Augen halten: 95 Prozent der Artgenossen einer jeden Spezies auf diesem Planeten können sich auf den Tod nicht ausstehen: sie sind Konkurrenten um Ressourcen und Fortpflanzung. Im Tierreich ist das genauso wie bei Menschen. 

Das Narrativ, dass Menschen als Empathie-begabte Wesen 'anders' seien, vergessen wir besser sehr schnell. Um so wichtiger ist es daher, sich als durch Vermögen exponierte Person zu schützen. Dieser Schutz findet auf durchaus unterschiedlichen Ebenen statt – aber immer beginnt es in der Kernfamilie, und zwar zu allererst beim Prinzipal selbst. 

Was also bedeutet 'Professionalisierung' in diesem Zusammenhang? – Nochmals: zuallererst ist es das Mindset des Prinzipals, der diese Entwicklung für sich als Bedürfnis definiert, dann sein Umfeld danach sortiert und professionelle Strukturen schafft:

• Welcher Personenkreis ist als Kernfamilie definiert?

• Was sind die Werte, die uns ausmachen – einzeln als Person, und gemeinsam als Kernfamilie? 

• Wie wollen wir diese Werte dokumentieren, und unserem Umgang miteinander (das sog. Innenverhältnis) in einer Family Governance eine Struktur geben, damit auch unter den neuen Umständen die Verlässlichkeit, das Urvertrauen zueinander – trotz des erlangten Wohlstandes – bestehen bleibt? 

• Wie binden wir die nachfolgende Generation so stabil ein, dass nicht einmal die Seelenfänger der sog. "Elite"-Universitäten diese Bindung lösen können? 

• Welche Verhaltensweisen wollen wir im Umgang mit Außenstehenden (das sog. Außenverhältnis) zulassen, und welche dulden wir auf gar keinen Fall? 

• Wollen wir als Familie in der Öffentlichkeit überhaupt wahrgenommen werden, und wenn ja: warum und wie? Wer kommt als 'PR-Sherpa' in Frage? 

• Erstellung einer Versorgungs- und Vertretungsvollmacht, einer Patientenverfügung, eines Testamentes für alle Familienmitglieder, sowie Auswahl und Bestellung eines Testamentsvollstreckers etc. 

• Strukturierung der Vermögenswerte, Erstellung einer zum Wertekanon kongruenten Investitions-Charta, digitale Katalogisierung relevanter Unterlagen etc.

Ja, das Führen einer solchen Familie als Prinzipal hat sehr viele Parallelen mit der Führung eines mittelständischen Unternehmens und bedarf genau deswegen ebenfalls einer professionellen Struktur. 

Legacy-Building 

Erst wenn all diese Punkte der 'Pflicht' abgearbeitet sind folgt ggf. die 'Kür' – also das, was man heute eine Legacy, ein Vermächtnis nennt. Angesichts der eigenen Endlichkeit haben Menschen – der eine mehr, der andere weniger – das natürliche Verlangen, etwas 'Bleibendes' zu hinterlassen. Grundsätzlich stellt sich für den Prinzipal und dessen Familie also die Frage, ob es eine Legacy überhaupt braucht – und wenn ja: ob es allein für den Prinzipal als Person oder ob es die Legacy der Familie sein soll. 

Man unterscheidet zudem zwischen einer 'natürlichen' Legacy einerseits, die durch das (berufliche) Handeln der Person oder der Familie entsteht: herausragende Staatsmänner wie Kohl, Thatcher und Mitterrand gehören dazu, Unternehmerfamilien wie Siemens, Rothschild, Quandt oder Benz, Sportler wie Franz Beckenbauer oder Cassius Clay aka Muhammad Ali, Börsen-Schlitzohre wie André Kosztolányi oder Wissenschaftler wie Albert Einstein, und viele bildende Künstler, Schriftsteller und Musiker. Wesentliches Merkmal einer 'natürlichen' Legacy ist, dass die Person selbst sich gar nicht so viele Gedanken darum gemacht hat, sondern das Entstehen der Legacy natürlicher Teil des Lebens war. 

Andererseits gibt es die 'gewollte' Legacy. Diese wird durch das Merkmal geprägt, dass die Person bzw. die Familie gezielt Maßnahmen ergreift und Handlungen vornimmt, um 'berühmt' bzw. in einer bestimmten Art von der Öffentlichkeit wahrgenommen zu werden und sich in deren Erinnerung zu verankern. Die Bandbreite ist hier sehr groß, sie reicht von der reinen Eigennützigkeit der Selbstvermarktung gescripteter 'Reality-Stars' bis hin zum zivilgesellschaftlich relevanten Engagement eines Robert Bosch, der als Sozialunternehmer Vorbild für viele sein wollte und noch heute ist.

Für wieder andere werden posthum Stiftungen gegründet, ob sie es zu Lebzeiten selbst gewollt hätten oder nicht. 

Gemeinsam scheint aber allen der Grundsatz zu sein: je größer das Vermögen – also je größer der Abstand zum Durchschnittsvermögen in der Bevölkerung – desto größer auch die gefühlte Verantwortung beim Prinzipal, damit auch etwas Sinnstiftendes für das Gemeinwohl anzufangen. 

Der Grundsatz der deutschen Verfassung, dass Eigentum verpflichte, wird also – entgegen herrschender linksgrüner Enteignungsphantasien – in Kreisen der (U)HNWI durchaus ernst genommen. Nur halt anders, denn die Wahrnehmung zu beseitigender Missstände unterscheidet sich je nach ideologischer Perspektive massiv. 

Semantischer Exkurs 

Diese gefühlte Verpflichtung kleiden leider viele in den Satz: "Ich will der Gesellschaft etwas zurück geben." – Semantisch fatal, denn das impliziert, dass man zuvor der Gesellschaft etwas (zu Unrecht) weg-genommen habe. Objektiv ist das aber in 99% der Fälle falsch, denn das Vermögen wurde – selbst oder durch die Generationen zuvor – völlig legal z.B. durch unternehmerisch verantwortungsvolles Handeln erworben. Zudem ist die überwiegende Zahl der Unternehmer auch steuerehrlich. Warum also ist Wohlstand im Unbewussten vieler Vermögender noch immer in Teilen schambehaftet? 

Weitere semantische Aspekte: das Wort "vermögend" ist ein Synonym für das "befähigt sein", oder auch "ermächtigt sein". Zugleich ist "nachhaltig" lediglich eine neutrale Zuschreibung, das Synonym dafür ist "dauerhaft". Erst durch das Hinzufügen einer Wertung wie gut, schlecht, gewinnbringend etc. gewinnt es an Bedeutung. Auch das Wort "Wohlstand" ist für viele nicht selbsterklärend, doch tatsächlich steht es v.a. für die Perpetuierung des Wohlergehens durch aktives Handeln.

Fazit: 

Grundlage jeder vermögenden Familie ist deren Befähigung, Werte und Vermögen dauerhaft und im Bewusstsein der mit dem Wohlstand verbundenen Verantwortung einzusetzen. Bei der Legacy geht es selten um das Individuum, sondern viel mehr um die Familie als Wertegemeinschaft, die für diese Werte und die gelebte Verantwortung steht. Das ist der tiefere Sinn das Satzes "Vermögen beginnt jenseits des Geldes" – oder im englischen Original: "Wealth starts beyond the money".

Ein beratendes Family Office mit entsprechender Qualifikation bietet auch hier den dafür benötigten geschützten Raum, und ist als neutraler Dienstleister für Vermögensverwalter und Banken, frei von konkurrierenden Eigeninteressen, insbesondere eine sinnstiftende Ergänzung, Instanz der Mediation und Instrument der Kundenbindung.


Zum Autor: 

Ferenc von Kacsóh ist Mitbegründer und Geschäftsführer der PARITER|fortis® GmbH, einem beratenden Family Office as a Service. Der Kaufmann, psychologische Coach und Stiftungsmanager (EBS) ist auch Initiator des Mentoring-Programmes Qi.ntessence, und aktiv in den Kernthemen Unternehmercoaching, Wealth Ownership Relocation, Family Governance und Nachfolgeplanung, sowie der Allokationsstrategie.

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