Vorsicht vor Crash-Propheten!

Der Pessimismus nimmt zu. Immer mehr Autoren wecken die Furcht vor Pleiten, Krisen und Kurseinbrüchen – und verunsichern die Anleger. Dabei wäre es besser, einen kühlen Kopf zu bewahren und stärker auf die Fakten zu achten, die gar nicht so schlecht aussehen.

16.01.2020 | 07:58 Uhr

Crash-Propheten haben Konjunktur. Das zeigt nicht nur der Besuch in gut bestückten Büchereien, das lässt sich auch an verschiedensten Medienmitteilungen erkennen. Dabei geht die Bandbreite der Warnungen von einer zu erwartenden Abschwächung der Kursentwicklung in unterschiedlichen Märkten, über die das Schüren der Rezessionsangst bis hin zum ganz großen Knall, der unmittelbar – oder doch zumindest binnen der nächsten drei Jahre – nicht mehr zu vermeiden sei.

Das Problem: Bei nicht wenigen Zeitgenossen fallen diese Warnungen auf fruchtbaren Boden, was sich nicht zuletzt daraus schließen lässt, dass sich Crash-Bücher offenbar sehr gut verkaufen. „Ein weiteres Problem ist, dass sich solch ein Crash möglicherweise über kurz oder lang tatsächlich einstellt und die Crash-Propheten dann im Nachhinein recht behalten“, argwöhnt mein Münchner Bankerfreund. Allerdings: wann es soweit sein wird, steht in den Sternen – doch dazu später mehr.

Für allzu Ängstliche hat das Bombardement mit mehr oder weniger drastischen Warnungen zur Folge, dass sie ihre „Risiko-Assets“ vorsorglich abstoßen und in vermeintlich sichere Investments wechseln, die indes im Fall von bonitätsstarken Anleihen absehbar keine Rendite abwerfen und im Gegenteil an Kaufkraft verlieren. „Gold als sicherer Hafen ist wiederum ein zweischneidiges Schwert“, entfährt es dem Bankerfreund. „Es bringt ebenfalls keine Rendite, lebt also nur von der Hoffnung auf Preissteigerungen, was in der Vergangenheit nicht selten nach hinten losgegangen ist.“ Insbesondere dann, wenn die allgemeine Krisenangst wieder nachlässt. Allerdings empfehlen nicht wenige Experten zu Diversifikationszwecken eine gewisse Berücksichtigung von Goldinvestments in den Anlegerportfolios.

Doch zurück zu den Crash-Propheten

Nicht wenige der selbsternannten Auguren bieten ihren Lesern auch direkt ihre Hilfe an – mittels konservativ gestrickten Investmentfonds oder einer individuellen (Honorar-)Beratung. Was diese Fonds oder die Beratung zu leisten vermögen, ist schwer abzuschätzen. Klar dürfte aber sein, dass sie sich allenfalls dann lohnen, wenn der Crash wirklich eintritt.

Die Argumentation der Skeptiker basiert überwiegend auf einer steigenden Inflation bzw. wieder anziehenden Zinsen sowie andererseits auf den gestiegenen Aktienkursen, die den Verdacht einer Überbewertung nahelegen, was in einer harten Korrektur münden könnte. Dem stellt Manfred Schlumberger, Leiter des Portfoliomanagements bei StarCapital, beispielhaft ein paar Fakten gegenüber. 

So räumt er ein, dass die Aufwärtsbewegung an den Aktienmärkten inzwischen schon im elften Jahr angekommen ist. Da der längste Zyklus bislang 15 Jahre dauerte, könnte es also tatsächlich sein, dass in drei Jahren Schluss ist, mit steigenden Kursen. Aus psychologischen Gründen? Das Argument (zu) hoher Aktienbewertungen will er jedenfalls nicht gelten lassen. Er zieht hierzu die Kennzahl „Shiller-KGV“ heran, die den aktuellen Aktienkurs in Relation zum Durchschnittsertrag der letzten 10 Jahre setzt, und kann damit belegen, dass die Aktienbewertungen überwiegend niedriger sind als vor den Kurseinbrüchen in den Jahren 2000 und 2007. Einzige Ausnahme: US-Aktien im Jahr 2007.

Schlumberger zieht daraus das Fazit, dass hohe Bewertungen allein, also ohne weiteren Katalysator wie beispielsweise steigende Zinsen, keine Korrektur auslösen.

Das zeigt, dass (stark) steigende Zinsen die größte Gefahr für eine Börsenkorrektur oder einen Konjunktureinbruch darstellen, wie auch Schlumberger betont. Zugleich relativiert er die Gefahr, weil zwar die weltweite Verschuldung alles in allem auf über 250 Billionen Dollar angestiegen sei, was in etwa 320 Prozent des globalen Bruttoinlandsprodukts entspreche, doch zumindest bei privaten Haushalten sei die Verschuldung auf dem Rückzug.

„Der demographisch bedingte Überschuss an privaten Ersparnissen gegenüber den Investitionen in den Industrieländern limitiert die Gefahr steigender Zinsen“, entgegnet der StarCapital-Manager. Das Anhalten des schwachen Wachstums der Weltwirtschaft lasse wiederum keine dramatischen Anstiege der Rohstoffpreise erwarten. Und hinsichtlich der Inflation betont er, dass auch die Lohninflation infolge der stark steigenden Produktivität gedämpft bleibe, weshalb ein deutliches Anziehen der Konsumentenpreise in den nächsten Jahren wenig wahrscheinlich sei.

Und eine mögliche Staatspleite …

„Grundsätzlich“, so Schlumberger, gelte die Regel, dass monetär souveräne Staaten, die sich nur in ihrer eigenen Währung und am besten bei ihrer eigenen Bevölkerung verschulden und flexible Wechselkurse zulassen, nicht Bankrott gehen können. Dies gelte umso mehr für ein Land, das sich ausschließlich in der Welt-Leitwährung verschuldet – wie etwa die USA!

Nicht zuletzt stehen die Notenbanken als Retter in der Not parat, sofern sich eine schwere Wirtschaftskrise abzeichnet, die von einem Börseneinbruch begleitet werden könnte. Hier würden die Notenbanken und Staaten alles tun, um dies zu verhindern, versichert der Portfoliomanager: „Notenbanken können sich letztlich unendlich verschulden und die Staaten mit diesem Geld die Wirtschaft ankurbeln.“

Dass der Crash noch auf sich warten lässt, haben inzwischen auch die selbsternannten Propheten erleben müssen. Stattdessen sind die Kurse weiter gestiegen, was sich bei Anlegern, die ihnen vertraut haben, in entgangenen Renditen niederschlägt. Die ersten Autoren sind nun dazu übergegangen, weitere Crashbücher auf den Markt zu bringen, in dem den Katastrophe noch gravierender ausfällt – womit sie trotz ausgebliebener Krise weiter verdienen. Robert Shiller gilt übrigens als einer der Experten, die den 2000er-Einbruch vorhergesagt haben. Allerdings bereits 1996. Und in der Zwischenzeit hatten sich US-Aktien noch einmal verdoppelt, wie Manfred Schlumberger erinnert.

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