Warum die Chinesen plötzlich so viel Gold kaufen
TiAM FundResearch blickt auf die Woche zurück und gibt einen Ausblick auf die kommenden Tage. Diesmal im Fokus: China kauft derzeit so viel Gold wie selten zuvor.06.05.2024 | 07:15 Uhr
Rückblick auf die vergangene Woche
Gold ist so teuer wie niemals zuvor. Und ein Ende des Goldrauschs ist nicht abzusehen. Aber warum ist das so? Die in der vergangenen Woche veröffentlichte Statistik des Branchenverbands World Gold Council (WGC) lässt erahnen, was dahinterstecken könnte. Denn hier wird deutlich, wer in welcher Form Gold kauft. Und da fällt auf, dass zwar die globale Goldnachfrage im ersten Quartal 2024 im Vergleich zum Vorjahr zurückgegangen ist. Doch dafür ist die sogenannte OTC-Nachfrage (Over-the-Counter) nach Gold weltweit auf 1238 Tonnen gestiegen. Seit 2016 wurde nicht mehr so viel Gold physisch über den Tresen gereicht. Es geht bei den Geschäften oft um 12,5 Kilogramm schwere Goldbarren. Wer solche Klötze kauft, transportieren lässt und sie sich in den Tresor legt, tut dies nicht, um einen kurzfristigen Spekulationsgewinn einzufahren. Hier geht es um strategische Interessen.
Doch wer hat solche Interessen und warum? Der größte Teil der OTC-Nachfrage stammt aus Südostasien und der Türkei. Besonders auffällig aber ist der Gold-Kaufrausch im Reich der Mitte. Die chinesische Zentralbank hat im ersten Quartal 27 Tonnen Gold erworben – ein Rekordwert. Auch die Nachfrage chinesischer Investoren ist um 68 Prozent auf 110 Tonnen nach oben gesprungen – wobei die Grenzen zwischen staatlichen und privaten Unternehmen, Institutionen und Investoren in diesem Fall fließend ist. Interessant ist deshalb die Frage nach dem Warum. Warum füllen Chinas Staat und seine Unternehmen die Goldreserven auf? Gold löst schließlich nicht die aktuellen Probleme, mit der Chinas Wirtschaft derzeit zu kämpfen hat. Mit Gold lässt sich der angeschlagene Immobilienmarkt nicht kitten. Gold im Tresor hilft nicht, den lahmenden Binnenmarkt anzukurbeln. Und einen starken Anstieg der Inflation, gegen den man sich mit Gold im Depot zu einem gewissen Grad absichern kann, muss China ebenfalls nicht befürchten.
Gold ist – ebenso wie übrigens auch Kryptowährungen – allerdings praktisch, wenn es darum geht, Wirtschaftssanktionen zu umgehen. Wobei Gold deutlich wertstabiler und vertrauenswürdiger ist als virtuelle Tokens. Die deutliche Zunahme als Goldkäufen könnte also ein Hinweis darauf sein, dass sich China darauf vorbereitet, in naher Zukunft stärker von Wirtschaftssanktionen betroffen zu sein. Denn über Gold können Regierungen und Unternehmen selbst dann frei verfügen, falls sie vom SWIFT?System ausgeschlossen werden sollten. Auch Russlands Zentralbank hatte etliche Monate vor dem Einmarsch seiner Truppen in die Ukraine massiv Gold aufgekauft. Dass seit dem Inkrafttreten des EU-Sanktionspaketes mehr als die Hälfte der russischen Reserven eingefroren sind, hat Russland zwar geschadet. Nicht nur, aber auch dank der hohen Goldreserven blieb Putins Reich jedoch weiterhin flüssig.
Sollte das gestiegene Gold-Interesse Chinas tatsächlich in diesem Zusammenhang gesehen werden, stellt sich die nächste Frage: Warum sollte China Angst vor westlichen Sanktionen haben? Mögliche Auslöser dafür gäbe es einige: etwa eine Ausweitung der chinesischen Kooperation mit Russland, geplante harsche Reaktionen auf die immer häufigeren Aufdeckungen chinesischer Spionageaktivitäten in Europa und den USA, ein aggressiveres Vorgehen im Südchinesischen Meer oder auch ein Angriff auf Taiwan. Die Liste ließe sich verlängern. Doch ganz gleich, welchen Punkt aus dieser Liste man herauspicken würde: Unterm Strich ließe sich daraus nicht herauslesen, dass sich das Verhältnis Chinas zum Westen in naher Zukunft entspannt.
Man kann deshalb nur hoffen, dass sich China mit den Goldkäufen einfach nur gegen einen Verfall des US-Dollar absichern will – für den Fall, dass die Fed die Zinsen doch noch deutlich senkt. China ist mit rund 798 Milliarden US-Dollar an US-Anleihen im Gepäck der zweitgrößte Schuldner der USA. Auch dies ist im Übrigen für China im Krisenfall ein Risikofaktor. Auch deshalb hat die Regierung ihn über die vergangenen Jahre hinweg wohl schon zielstrebig reduziert. Im November 2013 hielt China noch US-Staatsanleihen im Wert von über 1,3 Billionen US-Dollar in seinem Besitz. Wir sprechen hier also über eine Halbierung des US-Dollar-Wertes bei den chinesischen Währungsreserven. Goldbarren anstelle von US-Anleihen zu horten, ist aus Sicht eines Staates, der die USA immer weniger als Handelspartner sieht, sondern mehr als Konkurrent herausfordert, nur konsequent.
Fazit: „Eine Viertelstunde Frühling ist mehr wert als ein Sack Gold“, lautet ein chinesisches Sprichwort. In diesem Sinne sollten wir uns also wohl noch viel Sonnenschein wünschen.
Ausblick auf interessante Termine in dieser Woche
Am Dienstag findet eine Online-Pressekonferenz des Digitalverbandes Bitkom statt. Das Thema: „Digital Finance – Wie digital ist die deutsche Finanzbranche?“. Hauptgeschäftsführer Bernhard Rohleder stellt die Ergebnisse einer Umfrage vor, für die der Verband mehr als 1.000 Verbraucherinnen und Verbraucher befragen ließ. Die Ergebnisse der gleichlautenden Studie vom vergangenen Jahr finden sich hier.
Am Mittwoch lädt Kremlchef Wladimir Putin zum Jubiläumsgipfel der Eurasischen Wirtschaftsunion ein. Die Union hatte er vor zehn Jahren gegründet. Mitglieder sind unter anderem das rohstoffreiche Kasachstan und Kirgistan in Zentralasien sowie Belarus und die Südkaukasusrepublik Armenien. Moskau versucht seit Jahren, neue Mitglieder für den Verbund zu gewinnen, um ein Gegengewicht zur EU zu bilden. Die Rekrutierung neuer Mitglieder für den Verbund unter russischer Führung darf man sich wohl in etwa so vorstellen: Putin macht ein Angebot, dass man nicht ablehnen kann…
Am Donnerstag legt der chinesische Zoll die Außenhandelszahlen für April vor. Darin wird die Entwicklung der chinesischen Importe und Exporte deutlich. Der Export ist für die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt immer noch ein sehr wichtiger Faktor. Die chinesische KP will China jedoch mehr und mehr davon unabhängig machen.
Am Freitag stellt die Handelskammer der EU in China ihre Geschäftsklima-Umfrage vor. Die Lage der europäischen Unternehmen in China wird kritisch erläutert. Kammerchef Jens Eskelund sowie die Leiter von sechs regionalen EU-Handelskammern in der Volksrepublik wollen ihre Eindrücke schildern. Nicht-chinesische Firmen in der Volksrepublik klagen seit Jahren über andauernde Probleme wie erschwerte Marktzugänge, unfairen Wettbewerb mit chinesischen Konkurrenzen oder Unsicherheiten in Chinas Gesetzgebung sowie beim grenzüberschreitenden Datentransfer.