Was macht man mit einem risikolosen Zins, der nicht mehr ganz risikolos ist?

Seit über 50 Jahren ist der „risikolose“ Zins ein Grundpfeiler der modernen Kapitalmarkttheorie, sowohl bei der Unternehmensanalyse als auch im Asset Management.

09.10.2012 | 12:56 Uhr

Heute sind die Zinsen so niedrig wie nie zuvor, aber die Bonitätsratings der meist überschuldeten Industrieländer werden herabgestuft oder von den Ratingagenturen unter Beobachtung gestellt. Es scheint keineswegs mehr sicher, dass es keine Ausfallrisiken gibt – obwohl der risikolose Zinssatz ein fehlendes Ausfallrisiko unterstellt.

Aber welche Bedeutung haben Herabstufungen eigentlich, wenn die Regierungen zur Not Geld drucken können? Offensichtlich berücksichtigen die Ratingagenturen, dass die expansive Geldpolitik zu immer höheren Zins- und Währungsrisiken führt – zumal die Zinsen zurzeit extrem niedrig sind. Deshalb dürften immer mehr Investoren (zumindest aber jene, die keine Restriktionen beachten müssen) über ein neues Konzept für ihre Asset-Allokation nachdenken.

Anstatt risikolose Wertpapiere als Basis zu nehmen, überlegen einige institutionelle Investoren, ob man die einzelnen Wertpapiere nicht unabhängig voneinander beurteilen kann – anhand ihrer (nicht abdiskontierten) Cashflows, ihrer Wechselkurssensitivität und ihrer Liquidität. Dies dürfte zu Umschichtungen in Aktien führen, und damit in eine Assetklasse, die im Moment als besonders unattraktiv gilt. Dies lässt zumindest ihr geringer Anteil an den Portfolios vermuten.

Multinationale Unternehmen überzeugen mit stabilen Bilanzen, vor allem aber bieten sie höhere Renditen als Staatsanleihen und eine möglicherweise geringere Verschuldungsquote – obgleich Unternehmensanleihen eine kürzere Duration haben als Staatsanleihen und weniger liquide sind. Auch bieten Unternehmen mit Preissetzungsmacht oder einem geringeren Kapitalbedarf einen attraktiven Schutz gegen Inflationsrisiken. Schließlich können sie, weil sie weltweit aktiv sind und weltweit produzieren, Steuererhöhungen aus dem Weg gehen und die Auswirkungen von Wechselkursänderungen besser verkraften.

Anders als früher müssen Investoren jetzt aber weniger auf das Marktrisiko und mehr auf das Alpha achten – und sich die Zeit nehmen, die Geschäftsmodelle der einzelnen Unternehmen zu verstehen.

Der Marktkommentar im pdf-Dokument

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