„Was mir Sorge macht, dass es im Schnitt alle neun Jahre zu einer Bankenkrise kommt.“

Alexandra Altinger steht seit Juli 2019 an der Spitze bei JO Hambro Capital Management. Im Interview spricht die Deutsch-Italienerin über Trends im Asset Management, neue Fondsideen und Gleichstellung im Unternehmen.

14.06.2023 | 12:15 Uhr von «P. Gewalt und T. Aigner»

TiAM FundResearch: Frau Altinger, welche wichtigen Trends sehen Sie aktuell in der Asset-Management-Branche?

Alexandra Altinger: Im Mittelpunkt steht derzeit die Thematik, ob und wie sich die Bankenkrise weiterentwickeln wird. Die Frage ist doch, ob die bisherigen Bankenpleiten isolierte Fälle waren, die durch den rasanten Zinsanstieg ausgelöst wurden. Oder bewegen wir uns auf eine systematische Krise zu. Es ist bis heute nicht klar, wohin die Reise letztlich gehen wird. Denn es gibt weiterhin große Unterschiede zwischen den Aussagen der US-Notenbank Fed, nach denen alles in Ordnung ist, und den Reports von einigen Analysten, die davon ausgehen, dass eine ganze Reihe von Banken stark gefährdet sind.

Bezieht sich das Problem nur auf die USA oder ist ein weltweites Problem?

Es ist nicht klar, wie viele Banken auf riesigen Bergen nicht realisierter Verluste mit Anleihen sitzen. Was mir Sorge macht, dass es im Schnitt alle neun Jahre zu einer Bankenkrise kommt. Und das größte Problem ist, dass selbst eine gute Kreditwürdigkeit nichts hilft, wenn die Glaubwürdigkeit des Finanzinstituts angegriffen ist. Alles hängt vom Vertrauen der Anleger und Sparer gegenüber der Bank ab. Soll heißen: Wenn es eine größere Glaubwürdigkeitskrise gibt, kommt es ganz schnell zu einer globalen Bankenkrise.

Gibt es weitere Themen, die die Branche bewegen?

Das zweite große Thema in der Branche ist ESG, eng verbunden mit der dazu nötigen Datenerhebung. Das grundlegende Problem ist, dass verschiedene Regierungen und Regulatoren verschiedene ESG-Ansätze verfolgen. Das macht es so schwierig, ESG-Abteilungen aufzubauen, wenn die Regeln so unterschiedlich sind und diese sich zudem noch die ganze Zeit ändern. Dazu kommt noch die Gefahr von Greenwashing. Wenn sie heute ESG-Kriterien anwenden wollen, brauchen sie Daten zum Messen, Einschätzen und Feststellen, welchen Impact verschiedenen ESG-Maßnahmen bei den jeweiligen Unternehmen haben. Deshalb haben wir auch unser eigenes ESG-Datenzentrum aufgebaut.

Ist das ein Muss für alle Asset-Manager

Die richtig großen Vermögensverwalter haben alle ihre eigenen ESG-Daten-Abteilungen. Die kleineren Asset-Manager häufig nicht. Als ich hier bei JO Hambro meine Arbeit begann, hatten wir auch keine ESG-Kapazitäten. Die haben wir inzwischen mit einem neuen Team aufgebaut. Das heißt aber nicht, dass alle JO Hambro -Fondsmanager die gleichen ESG-Werkzeuge benutzen müssen. Im Einklang mit unserer Multi-Boutique können die Manager eine Vielzahl von diesen Werkzeugen und Strategien nutzen, um Investitionen auszuwählen.

Welche sind das?

Dazu gehören die Anwendung von Nachhaltigkeitskennzahlen, Ausschlussprüfungen, Best-in-Class-Investitionskriterien, die Steuerung der Strategie auf thematischer Basis oder Impact Investing. Einige unserer Strategien schließen beispielsweise alle Tabak-, Alkohol-, Rüstungs-, fossilen Brennstoff-, Glücksspiel- und Pornografieunternehmen aus. Andere verfolgen einen integrierten Ansatz und berücksichtigen branchenübergreifend die Besonderheiten der Unternehmen, in die sie investieren.

Das spiegelt sich inzwischen auch in unserem Fondsangebot wider. Inzwischen bieten wir zwei Artikel 9- und drei Artikel 6-Fonds an. Die Mehrheit sind aber Artikel acht-Produkte.

Sind neue Fonds gerade ein Thema bei ihnen?

Altinger: Ja, denn wir denken immer zehn Jahre voraus. Wenn sie nicht das richtige Produkt zur richtigen Zeit haben, verlieren Sie Ihre Kunden. Sie werden irrelevant. Wir hören dem Markt daher sehr genau zu und analysieren die Ideen und Ansprüche unserer Kunden. So ist uns klar geworden, dass thematisches Investieren sehr gefragt ist. Mit dem Regnan Sustainable Water and Waste Fund haben wir daher einen Artikel 9-Fonds auf den Markt gebracht, der nur Unternehmen sucht, die zur Lösung des Plastikproblems in den Weltmeeren beitragen. Diese Rahmenbedingung für thematischen Investieren werden wir weiter für neue Produkte nutzen.

Sie kämpfen dafür, dass die Finanzindustrie weiblicher wird. Wie gut klappt das in Ihrem Unternehmen?

Noch nicht gut genug. Vor allem im Portfoliomanagement. Von unseren 20 Portfoliomanagern sind nur zwei weiblich.

Warum?

Das liegt an unserer geringen Fluktuation. In der 30-jährigen Geschichte von JO Hambro ist noch kein Portfoliomanager zur Konkurrenz gegangen. Es werden einfach keine Stellen frei. Das ist gut für die Kunden, aber nicht für die Frauen.

Damit werden Sie sich doch nicht abfinden. Was tun Sie, damit Ihr Fondsmanagement trotzdem weiblicher wird?

Wir haben Analystinnen eingestellt. Wenn irgendwann doch Stellen frei werden, dann können sie ins Portfoliomanagement aufsteigen. Aber das dauert. Es geht nicht in vier oder fünf Jahren. In der Unternehmensleitung ist es einfacher, da wechseln die Positionen häufiger. Dort haben wir schon etwa 40 Prozent Frauen.

Wie machen Sie J O Hambro als Arbeitgeber für Frauen attraktiv?

Flexibilität ist sehr wichtig – also das Angebot, dass sie von zu Hause arbeiten können. Außerdem sorgen wir für eine sehr inklusive Arbeitsatmosphäre. Das heißt, in unseren Meetings wird wirklich jede Stimme gehört, nicht nur die lautesten. Und wir setzen auf Diversität. Bei der Performance-Beurteilung unserer Führungskräfte fragen wir einmal im Jahr ab: Welche Frau hast du gefördert? Welche Minderheit hast du unterstützt? Und das wirkt sich dann auch auf den Bonus aus.

Bonus ist ein gutes Stichwort. Kann eine Frau in Ihrer Firma sicher sein, bei gleicher Leistung auch das gleiche Gehalt zu bekommen wie ein Mann?

Ja. Wir vergleichen die Gehälter regelmäßig und achten wirklich streng darauf, dass sie unabhängig sind von Geschlecht, kultureller oder ethnischer Zugehörigkeit. Und wir führen gerade unsere erste interne Gender-Pay-Gap-Studie durch. Die Ergebnisse sollen im Sommer vorliegen.


Zur Person: Alexandra Altinger verfügt über 30 Jahre Erfahrung in der Vermögens- und Asset-Management-Branche in Europa, Asien und den USA. Vor ihrem Wechsel zu JOHCM hatte sie mehrere Führungspositionen inne, unter anderem bei Lansdowne Partners International, Wellington Management International und Goldman Sachs in Tokio und London.

Frau Altinger ist CFA Charterholder und Mitglied des CFA UK Advisory Council. Sie ist außerdem Gründungsmitglied des Beratungsausschusses von The Diversity Project, einer ehrgeizigen Initiative zur Förderung der Vielfalt in all ihren Formen in der britischen Vermögensverwaltungsbranche.

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