Wie abhängig ist die EZB von der US-Geldpolitik?

Titel der Publikation: Kann sich die EZB wirklich von der US-Geldpolitik abkoppeln?
Veröffentlichung: 07/2013
Autor: Dr. Marco Bragel
Auftraggeber: Deutsche Postbank AG (Website)
@ Feedback an Redaktion

Die US-Notenbank hat meist eine Vorreiterrolle für andere Notenbanken. EZB könnte sich mit Anpassung diesmal mehr Zeit lassen.

30.07.2013 | 11:03 Uhr

„Mit der Festlegung, die Zinsen für einen längeren Zeitraum nicht anzuheben, wollte die Europäische Zentralbank (EZB) vor allem dem sich abzeichnenden Ende der ultraexpansiven Geldpolitik in den USA begegnen“, sagt Dr. Marco Bargel, Chefinvestmentstratege der Postbank. Denn die Ankündigung der US-Notenbank Fed, ihr Anleiheankaufprogramm noch in diesem Jahr zurückzufahren, habe auch in der Eurozone die Renditen von Staatsanleihen in die Höhe getrieben. Aber kann die EZB überhaupt für längere Zeit eine von der Fed unabhängige Geldpolitik verfolgen? „Die historische Erfahrung spricht eher dagegen“, meint Bargel. „Denn in der Vergangenheit hat ein geldpolitischer Kurswechsel in den USA mit einer gewissen zeitlichen Verzögerung stets auch zu einer gleichgerichteten Kehrtwende in der europäischen Geldpolitik geführt.“ Die Zeitspanne bewege sich dabei zwischen vier und 18 Monaten nach der ersten Leitzinsänderung in den USA. In den Jahren 2008 und 2011 scheiterten Versuche der EZB, die Leitzinsen trotz sinkender oder gleichbleibender Zinsen in den USA, anzuheben. Die Euro-Währungshüter schwenkten letztlich um.

Zinsveränderungen: Bisher ist die EZB der Fed immer gefolgt

„Ein Grund für die zentrale Rolle der US-Notenbank für die Geldpolitik in Europa liegt in der konjunkturellen Vorreiterrolle der USA und der globalen Vernetzung der Volkswirtschaften“, erläutert Bargel. In der Vergangenheit seien Auf- und Abschwünge häufig durch die weltweit größte Volkswirtschaft eingeleitet worden. „Im Falle Deutschlands folgte ein Konjunkturaufschwung dabei meist einem klassischen Muster“, so Bargel. „Erst erholten sich die Exporte, dann die Unternehmensinvestitionen und schließlich folgte der private Konsum.“ Auch ein Konjunkturabschwung sei meist ausgehend von den USA über die Exporte eingeleitet worden.

Eine wichtige Rolle in der Geldpolitik spiele auch der Wechselkurs. Zog die Konjunktur in der Vergangenheit in den USA an und stand eine Zinsanhebung bevor, sei gleichzeitig eine Aufwertung des Dollars zu beobachten gewesen. Für Bargel ist eine Änderung der Wechselkurse von Bedeutung für die Geldpolitik: „Zum einen verändern sich durch eine Auf- oder Abwertung der heimischen Währung die preisliche Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Unternehmen und damit letztendlich auch die konjunkturellen Rahmenbedingungen“, erläutert der Postbank-Stratege. „Zum andere führt eine Änderung in den Wechselkursen in der Regel zu einem veränderten Inflationsausblick.“ Da sich importierte Güter bei einer Abwertung der heimischen Währung verteuern, steige das inländische Preisniveau an und umgekehrt. Daher müsse eine Notenbank den Außenwert der heimischen Währung im Auge behalten, wenn sie nicht eine Verfehlung des geldpolitischen Ziels der Preisniveaustabilität riskieren möchte.

„Sollte die US-Notenbank, wie erwartet, ihr Ankaufprogramm wegen der verbesserten konjunkturellen Situation in den USA noch in diesem Jahr zurückfahren, ist grundsätzlich mit einem Aufwärtsdruck für den US-Dollar zu rechnen“, erwartet Bargel. Dies erhöhe den Druck auf die EZB, ihrerseits die ultraexpansive Geldpolitik im Euroraum zurückzufahren. „Allerdings lassen die Rahmenbedingungen im Euroraum unseres Erachtens dieses Mal einen größeren Spielraum für die EZB, an ihrer ultraexpansiven Geldpolitik sehr viel länger festzuhalten.“ Denn noch immer werde die zyklische, exportgetrieben Erholung im Euroraum von strukturellen Problemen überlagert, die eine schnelle und kräftige Verbesserung erschweren. Die makroökonomischen Rahmenbedingungen sprechen für Bargel auf Sicht der kommenden Jahre für einen eher schwachen inflationären Druck in der Eurozone: „Inflationäre Effekte, die von einer Abwertung der heimischen Währung ausgehen, können in einem solchen Umfeld eher verkraftet werden, als bei einem dynamischen Konjunkturaufschwung.“ Die EZB habe den notwendigen Spielraum, die derzeitige Geldpolitik fortzuführen. Wenn dadurch der Euro gegenüber dem Dollar abwertet, könnte das den Eurohütern sogar entgegenkommen: „Denn durch eine Abwertung würde sich die preisliche Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Exportunternehmen verbessern“, sagt der Postbank-Experte.

EU-Rahmenbedingungen lassen der EZB Spielraum

Doch nur, weil die EZB den Spielraum für eine Fortsetzung der ultraexpansiven Geldpolitik hat, heiße das nicht, dass sie ihn auch ausschöpfen sollte. „Denn eine lang anhaltende Niedrigzinspolitik ist mit einer Reihe substanzieller Risiken verbunden“, warnt Bargel. „Sie verringert den Druck auf die Eurostaaten, mit wichtigen Strukturreformen fortzufahren.“ Eine geldpolitische Abwertung des Euro verdecke nur die wahren Ursachen der Wettbewerbsschwäche vieler Länder der Eurozone. Bei einer Aufwertung würden sie wieder zu Tage treten. „Die Niedrigzinspolitik führt außerdem zu einer realen Entwertung von Vermögen, wenn die laufende Verzinsung von Geldanlagen unterhalb der Inflationsrate liegt“, so Bargel. Langfristig niedrige Leitzinsen führten aber nicht nur zu einer sinkenden Verzinsung geldmarktnaher Anlageformen wie Bankeinlagen oder Geldmarktfonds. „Auf der Suche nach einem Renditeplus treiben Investoren nach und nach die Kurse in anderen Anlageformen immer weiter nach oben, so dass auch dort die Ertragschancen abnehmen“, sagt Bargel. Dadurch steige die Gefahr von Vermögensblasen. „Ein Risiko, das die Notenbanken durchaus sehen, angesichts der besonderen Umstände aber noch in Kauf nehmen.“

Diesen Beitrag teilen: