WM-Länderblickpunkt Ghana

Titel der Publikation: Länderstudie Ghana
Veröffentlichung: 06/2014
Autor: Christoph Witte
Auftraggeber: Credendo Group (Website)
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Deutschlands WM-Gruppengegner steht vor wichtigen Aufgaben. Für dieses Jahr wird ein Wachstumsrückgang erwartet. Die hohe Inflationsrate erfordert eine straffere Geldpolitik.

20.06.2014 | 13:47 Uhr

Am morgigen Samstag kommt es zum WM-Gruppenspiel zwischen Deutschland und Ghana. Zum dritten Mal sind die „Black Stars“ bei einer Fußballweltmeisterschaft dabei. Und wie vor vier Jahren kommt es in der Gruppenphase zum Duell mit Deutschland. Aber nicht nur die Spieler werden im Stadion von Fortaleza vor großen Herausforderungen stehen, auch das Land selbst hat mit Blick auf die wirtschaftliche Situation schwere Aufgaben zu bewältigen.

Nur Gold wird häufiger exportiert als Erdöl

Die vergangenen zwei Jahrzehnte liefen gut: „Eine stabile politische Lage sowie ein positiv bewertetes Geschäftsklima zeichneten Ghana seit den 1990er-Jahren aus“, blickt Christoph Witte, Deutschlanddirektor des belgischen Kreditversicherers Credimundi, in seiner aktuellen Länderanalyse zu Ghana zurück. Innerhalb der letzten zwei Jahrzehnte sei das Land stark gewachsen. „Ghana entwickelte sich nicht nur zum zweitgrößten Goldförderer des Kontinents, sondern auch zu einem der bedeutendsten Kakaoproduzenten der Welt.“ Ende 2010 nahm mit Beginn der Förderung des Offshore-Öl-Vorkommens im „Jubilee-Field“ vor der Küste Ghanas jedoch die Bedeutung der Ölproduktion für die westafrikanische Wirtschaft zu. „Erdöl ist mittlerweile zweitwichtigstes Exportgut, nur Gold wird noch häufiger exportiert“, erläutert Witte. „2011 erreichte Ghana sogar den Status eines ‚Lower Middle Income Country‘ – mit einem Wirtschaftswachstum von 15 Prozent.“

Quelle: IWF, Weltbank, UNCTAD

Doch der Ölboom hat auch seine Schattenseiten: unhaltbare laufende Ausgaben, sehr ambitionierte Infrastrukturprojekte sowie exzessiv hohe Ausgaben vor den Wahlen. 2012 führte dies zu einem Haushaltsdefizit von rund zwölf Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) – ein Rekordhoch. Angetrieben durch enorme Lohnausgaben im öffentlichen Sektor, teure Energiesubventionen und hohe inländische Zinssätze bei kurzen Laufzeiten der Inlandsschulden verharrte das Defizit auch 2013 im zweistelligen Bereich. „Sollten jetzt keine tiefgreifende Konsolidierungsmaßnahmen vorgenommen werden, wird das Haushaltsdefizit auch 2014 und 2015 im zweistelligen Bereich bleiben“, warnt Witte.

Wachstumsrückgang steht Konsolidierung im Weg

Doch den Konsolidierungsmaßnahmen steht ein nicht zu unterschätzendes Problem im Weg: Witte erwartet im laufenden Jahr einen Rückgang des Wirtschaftswachstums auf 4,8 Prozent. „Das verlangsamte Wirtschaftswachstum Ghanas ist unter anderem zurückzuführen auf Störungen bei der Stromversorgung, fallende Goldpreise und einen durch die hohen Zinsen geschwächten Privatsektor.“ Hohe Leistungsbilanzdefizite bewirkten zudem eine Abwertung der Währung Cedi. Dies führte zu einer Inflationsrate von 13,5 Prozent Ende des vergangenen Jahres. Daraufhin führte die Zentralbank des Landes Anfang 2014 partielle Kapitalverkehrskontrollen ein und hob die Zinssätze an. „In naher Zukunft ist wegen des außenwirtschaftlichen Ungleichgewichtes eine weitere Straffung der Geldpolitik wahrscheinlich, während der Wechselkurs unter Druck stehen dürfte“, erwartet Witte.

Entwicklung wichtiger Wirtschaftsdaten 

Quelle: Schweizerische Eidgenossenschaft

Auf dem internationalen Kapitalmarkt ist Ghana inzwischen angekommen. Witte erwartet, dass das Land trotz wachsender Kursschwankungen auch in diesem Jahr wieder Staatsanleihen herausgeben wird, um das Haushaltsdefizit zu finanzieren. An einem Programm des Internationalen Währungsfonds (IWF) wolle es nämlich nicht teilnehmen, da die strengen Auflagen der Kampagne für die Präsidentschafts- und Parlamentswahlen Ende 2016 schaden könnten. „Wenn kurzfristige Maßnahmen ergriffen werden, ein weiterer Aufbau der Staatsverschuldung und ein Reputationsschaden verhindert werden kann, bietet das Land dennoch ein beständiges Potenzial für Wirtschaftswachstum und Entwicklung – nicht zuletzt aufgrund der enormen Öl-Reserven“, meint Witte. 

Ein Sieg der „Black Stars“ im Spiel gegen Deutschland dürfte die Stimmung in der Bevölkerung verbessern und die momentanen Schwierigkeiten zumindest vorübergehend vergessen lassen. Ginge es jedoch um die Wirtschaftskraft, dann wäre Deutschland der klar Sieger: Mit einem BIP von rund 2,7 Billionen Euro spielt die Bundesrepublik in einer anderen Liga als Ghana mit einem BIP von 0,33 Billionen Euro. 




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