In den vergangenen Jahren waren Anleihen europäischer Banken bei Investoren wenig gefragt. Doch jetzt deutet sich eine Wende an. Vor allem CoCo-Bonds und alte (Legacy-)Nachranganleihen versprechen hohe Renditen bei akzeptablem Risiko. Seit 2013 haben sich die Bilanzen der Institute stark verbessert.
12.07.2022 | 07:30 Uhr von «Christian Bettinger»
Derzeit brauchen Anleiheinvestoren starke Nerven: Anhaltend hoher Inflationsdruck, steigende Renditen und der Russland Ukraine-Konflikt lasten seitdem Jahresbeginn auf den Kursen festverzinslicher Wertpapiere. Zeitgleich droht die Kombination aus hohen Inputkosten und nach wie vor gestörten Lieferketten, den Unternehmen die Quartalsergebnisse zu verhageln. Doch bei europäischen Banken lohnt es sich, genauer hinzuschauen. Insbesondere Nachranganleihen, speziell Pflichtwandelanleihen (Contingent Convertibles = CoCo) oder Legacy-Strukturen europäischer Banken bieten derzeit eine attraktive Einstiegsmöglichkeit.
Doch warum ist die lange geschmähte Branche nun wieder spannend? Zum einen zeigt ein Blick in die Bilanzen der europäischen Banken, dass die Institute in den vergangenen Jahren kräftig aufgeräumt haben und heute auf soliderem Fundament stehen. Im Vergleich zur Vor-Lehman-Ära hat sich die durchschnittliche Eigenkapitalquote – gemessen am „Tier 1“-Kapital der größten 22 börsennotierten europäischen Banken – seit 2010 um mehr als sechs Prozentpunkte erhöht. Die Institute haben einerseits ihre Kapitalpolster durch Kapitalerhöhungen und Nachrangemissionen aufgebessert, andererseits durch Bilanz-verkürzungen Eigenmittel freigesetzt.
Zeitgleich wurden – speziell seit Ende der Staatsschuldenkrise in Südeuropa 2013 – die Problemkredite in den Büchern signifikant abgebaut. Wider Erwarten führten selbst die mehrfachen Lockdowns und die infolge der Coronakrise temporär ein-setzende Rezession nicht zu einem merklichen Anstieg der Kreditausfälle.
Ein weiterer positiver Bilanzfaktor für Banken ist ihre gesteigerte Kosteneffizienz. Trotz rückläufiger Zinserträge im hartnäckigen Niedrigzinsumfeld und zeit-gleich kostenintensiven regulatorischen Vorgaben ist es den europäischen Banken gelungen, das Aufwands-Ertrags-Verhältnis sukzessive zu verbessern. Darüber hinaus dürften Banken zukünftig wieder von höheren Zinsen und steileren Zinskurven profitieren, nachdem sich die Zinsergebnisse zahlreicher Institute über Jahre rückläufig entwickelt haben.
Sowohl beim Risikomanagement als auch bei der Kapitalausstattung stehen zahlreiche Häuser heute deutlich besser da als in der Vergangenheit. Probleme wie das Platzen einer Immobilienblase oder hohe Rohstoffpreise würden die Kreditbücher zwar temporär belasten, die Banken aber nicht in ihrer Existenz bedrohen.
Neben der soliden Bilanzqualität sprechen technische Aspekte für ein Engagement in Bankanleihen. In den vergangenen Jahren hat die Europäische Zentralbank (EZB) den Markt durch Käufe von Unternehmensanleihen (nicht von Finanzanleihen) unterstützt und damit dem Segment mit seiner Volatilität genommen. Mit der nun begonnenen Rückführung der Ankaufprogramme muss der Markt jetzt ein neues Gleichgewicht finden: Die künstlich niedrig gehaltenen Risikoaufschläge dürften sich ausweiten.
Finanzanleihen werden sich diesem Druck nicht gänzlich entziehen können, doch sie dürften weniger betroffen sein, da sie nicht im Kaufprogramm der EZB enthalten waren. Zudem dürften Neuemissionen in größerem Ausmaß von der Unternehmensseite als von der Bankenseite kommen.
Dank kürzerer Duration und besserer Kreditqualität ist bereits eine Investition in Senior-Bank-Anleihen lohnenswert. Doch der Nachrangbereich ist noch um einiges spannender. Tiefe Nachranganleihen europäischer Banken (CoCos) stellen aktuell eine attraktive Anlagemöglichkeit dar. Nahe am Eigenkapital der Bank werden diese Nachranganleihen mit einem fixen Kupon und unendlicher Laufzeit, dafür aber mit einem Rückkaufrecht seitens der Bank nach frühestens fünf Jahren emittiert.
Selbst wenn nachrangige CoCo-Anleihen dabei mehrheitlich ein Rating im High-Yield-Bereich tragen, zeichnen sich sämtliche europäischen Großbanken durch solide Investment-Grade-Ratings im Seniorbereich aus. Seit Jahresbeginn sind die Risikoaufschläge deutlich gestiegen und liegen aktuell nahe dem Niveau in der Marktkorrektur Ende 2018. Aus unserer Sicht stellen sie kurz- bis mittelfristig ein attraktives Einstiegsniveau dar, mit Renditen um 5,6 Prozent.
Dafür riskiert der Anleger, falls der Regulator eine Insolvenz für das Finanzinstitut feststellt, eine (Teil-)Abschreibung oder eine Wandlung in Aktien. Bei den Kuponzahlungen handelt es sich streng genommen um eine feste Absichtserklärung seitens des Emittenten, jedoch nicht um eine Verpflichtung zur Zahlung. Selbst wenn es bisher noch nicht vorgekommen ist, obliegt es theoretisch der Diskretion des Finanzinstituts, den Kupon nicht zu zahlen. Ein weiteres Risiko besteht, wenn der Emittent einer CoCo-Anleihe die Rückkaufoption nicht ausübt. Dies war in den vergangenen Jahren zwar eher die Ausnahme, kann im Einzelfall aber kurzfristig für eine deutliche Volatilität sorgen.
„Legacy Anleihen“ europäischer Banken sind eine weitere spannende Möglichkeit. Diese Anleihen sind Nachrangtitel, die auf-grund ihrer Ausstattungsmerkmale die Anrechenbarkeit für das Eigenkapital Ende 2021 verloren haben. Bereits vor Ablauf dieser Frist hatte der Regulator den betroffenen Finanzhäusern empfohlen, diese Strukturen zurückzukaufen oder die Vertragsbedingungen abzuändern.
Vor diesem Hintergrund sind Legacy- Strukturen interessant, da sie häufig deutlich unter Nominalwert handeln und somit nicht selten zweistellige Renditen bei einem Call oder Rückkauf versprechen. Daneben zeichnen sich Legacy-Strukturen als meist variabel verzinsliche Wertpapiere aus – durch geringere Zinsrisiken und ein niedriges Marktbeta. Damit sind sie eine interessante Beimischung für Renten- und Multi-Asset-Portfolios.
Dass diese Anleihen auch Risiken bergen, zeigte sich im ersten Quartal. Während in den Vorjahren noch zahlreiche Emittenten der Empfehlung des Regulators gefolgt waren, haben sich in diesem Jahr einige wenige Emittenten weniger anlegerfreundlich geäußert – und so dafür gesorgt, dass sich die Marktstimmung in diesem Segment eingetrübt hat. Es braucht wohl Positivbeispiele, um das Vertrauen in diese Anleihen wieder zu stärken. Allerdings winkt in diesem Fall deutliches Kurspotenzial. Indes verdeutlichen die vereinzelten Negativbeispiele, dass es sinnvoll ist, nach Emittenten breit zu streuen und die Strukturen aktiv zu managen.
In Anbetracht der hohen Komplexität beider Segmente und unter Berücksichtigung einer sinnvollen Diversifikation, empfiehlt sich eine Investition über ein breit diversifiziertes Fondsvehikel.
Darüber hinaus kann es für Anleger und Anlegerinnen grundsätzlich sinnvoll sein, über einen flexiblen und dynamischen Investmentansatz auf das volatile Marktumfeld reagieren und in jeglichen Marktphasen Investmentopportunitäten nutzen zu können.
Fondsname | Berenberg Credit Opportunities |
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Fondsstart | 08.06.2018 (I-Tranche) |
Fondsvolumen | 64,6 Mio. € |
Fondskosten (TER) | 0,72 % |
Wertzuwachs 3 Jahre | 6,73 % |
ISIN | LU 063 663 026 0 |
Stand: 30.05.2022
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