Clément Inbona, Fondsmanager bei LFDE beschäftigt
sich damit, welche vier unerwarteten Wendungen 2025 prägen könnten:
„Während die Adventszeit von Weihnachtsvorbereitungen geprägt ist, steht sie in
der Finanzbranche im Zeichen der Prognosen. Banken, Vermögensverwalter und
Wirtschaftsforschungsinstitute folgen dieser Tradition. Für 2025 wirken die
Aussichten besonders konsensfähig: Dynamisches Wirtschaftswachstum in den
USA, schleppende Wirtschaftstätigkeit in Europa, weitgehend kontrollierte
Inflation und damit eine lockere Geldpolitik scheinen die gemeinsamen
Nenner der bislang entwickelten Szenarien zu sein. Daraus leitet sich eine
Präferenz für amerikanische Aktien ab, insbesondere solche, die mit dem Trump-Bump
(Trump-Boom) in Verbindung stehen, oder auch eine Vorliebe für
Unternehmensanleihen, die sowohl auf sinkende Zinsen als auch auf ein
dynamisches weltweites Wachstum reagieren.
Alternative Szenarien
Wenn jedoch ein breiter Konsens besteht, wird dieser oftmals
infrage gestellt. Die Auswirkungen auf die Finanzmärkte können in solchen
Fällen erheblich sein. Werfen wir daher einen Blick auf alternative Szenarien,
die dieses scheinbar stabile Bild ins Wanken bringen könnten.
Auf der geopolitischen Seite nehmen wir an, dass Präsident
Trump direkt nach seinem Amtsantritt Russland und die Ukraine an den
Verhandlungstisch bringt. Nach anfänglichen Spannungen könnte schließlich
dauerhafter Frieden vereinbart werden. Eine solche Entwicklung würde es
europäischen Aktien ermöglichen, den Bewertungsrückstand gegenüber
amerikanischen Aktien schnell aufzuholen. 2025 könnte somit zum lang
ersehnten Jahr Europas werden.
Eskalation um Ölproduktion
Auf der Inflationsseite, und damit auch bei den
Zentralbanken, könnte eine Eskalation im Wettstreit um die Ölproduktion
zwischen der OPEC, den USA und anderen Ölproduzenten Ländern zu
einem deutlichen Rückgang des Ölpreises führen. Nach einigen Monaten würde sich
dieser Preisverfall insgesamt auf die Energiepreise auswirken. Dies könnte die
Inflation stark abbremsen, woraufhin die Zentralbanken mit drastischen
Zinssenkungen und einer Ausweitung ihrer Bilanzen gegensteuern würden, um die
Wirtschaft wieder anzukurbeln. Anleihen würden in diesem Szenario zum
Jahresende zweistellige Renditen erzielen und die Aktienmärkte verdrängen.
Neue Behandlungsformen im Gesundheitsbereich
Im Bereich Gesundheit könnte die breite Verfügbarkeit von
Behandlungen gegen Fettleibigkeit den starken Rückgang der Lebenserwartung in
den USA aufhalten. Dies würde auch zu einem demografischen Aufschwung in
anderen Industrieländern beitragen, wodurch die Produktivität und damit das
Wirtschaftswachstum erheblich gesteigert werden würden. Dadurch könnte eine
neue Phase dynamischen Wachstums und Vollbeschäftigung beginnen, begleitet
von einer Rallye risikoreicher Anlagen, insbesondere solcher, deren Bewertungen
derzeit unter dem schleppenden Wachstum leiden.
Vom „Trump-Boom“ zum „Trump-Absturz“
Im internationalen Handel könnte die Einführung von Zöllen
durch die Trump-Regierung zu einer schnellen Aufwertung des US-Dollars auf den
Devisenmärkten führen. Dadurch würde der protektionistische Ansatz der USA an
Wirkung verlieren da der starke Dollar amerikanische Exporte unattraktiver
macht und das Wirtschaftswachstum der USA bremst. Der amerikanische
Ausnahmezustand endet und aus dem „Trump-Boom“ wird ein „Trump-Absturz“.
Per Definition erscheinen diese Hypothesen heute
unwahrscheinlich, da sie vom allgemeinen Konsens abweichen. Da auf den
Finanzmärkten jedoch nichts nach Plan verläuft und sich alles schnell
verändert, lohnt es sich gedankliche Szenarien durchzuspielen. Solche
Wirtschaftsfiktionen helfen dabei, widerstandsfähige und gut diversifizierte
Portfolios aufzubauen.
Quelle: Trading Economics
Naomi Fink, Chief Global Strategist von Nikko Asset
Management, formuliert sechs Thesen fürs kommende Jahr:
- Die Wirtschaft
in den USA wird angesichts der erwarteten fiskalischen Anreize
weiter wachsen. Die Inflation liegt allerdings immer noch über
dem Ziel der Fed. Die Folge sind erhöhte Risiken, insbesondere was die
amerikanische Renditestrukturkurve angeht.
- Der US-Dollar wird
stark bleiben, aber plötzliche Störungen sind nicht auszuschließen.
Dollar-unterstützende „Carry Trades“ könnten zunehmen, wenn sich die
Renditedifferenzen zugunsten von US-Staatsanleihen vergrößern. Diese
Geschäfte werden jedoch zunehmend anfällig für steigende Risikoscheu. Ein
solcher Anstieg birgt zudem das Risiko einer starken und plötzlichen
Aufwertung des Yen.
- Japans
Notenbank BOJ wird die Zinsen weiter anheben. Über das Tempo
dieser Erhöhungen werden inländische Faktoren entscheiden. Aber auch die
anhaltende Schwäche des Yen, die sich über die Importe mit Verzögerung auf
die Kerninflation auswirkt, wird eine Rolle spielen.
- China wird
einen Drahtseilakt vollführen, was die heimischen Anreize angeht. Peking
muss auf den Druck reagiere, der vom schwächelnden Konsum ausgeht, und
sich gleichzeitig auf US-Zölle vorbereiten.
- Das Wachstum
in Europa könnte seine Talsohle erreicht haben. Drohende US-Zölle
dürften eine Erholung allerdings abschwächen.
- Die Zentralbanken werden
unterschiedliche Wege beschreiten. Einige könnten versuchen, den
Auswirkungen der US-Zölle mit einer lockereren Geldpolitik
entgegenzuwirken. Andere dürften die Zügel anziehen, um die Inflation im
Griff zu behalten, die aus den USA oder aus einem Anstieg der in Dollar
gehandelten Rohstoffe resultiert
Quelle: Trading Economics
Prof. Dr. Jan Viebig, Chief
Investment Officer der ODDO BHF SE, analysiert Entwicklungen an den internationalen Finanzmärkten 2025:
- Die
Volatilität an den Finanzmärkten wird im Zuge geopolitischer Risiken im
Jahr 2025 zunehmen. Eine internationale Diversifizierung ist unerlässlich.
Die Schwankungsbreite am Aktienmarkt ist derzeit ungewöhnlich
niedrig. Auch im Jahr 2025 sollten Anleger dann gierig werden, wenn
die Volatilität steigt und andere Angst haben.
- Die
Aktienmärkte sind teilweise hoch bewertet. Doch es ist nicht zu erkennen,
dass sich eine Spekulationsblase aufgebaut hätte. Die positive
Aktienperformance im Jahr 2024 wurde von einigen wenigen Technologiewerten
mit einer hohen Marktkapitalisierung getrieben. Die extreme Konzentration
am Aktienmarkt stellt ein zentrales Risiko im Jahr 2025 dar und spricht
ebenfalls für eine breitere Diversifizierung.
- Aktienanleger
sollten 2025 nicht auf kurzfristige Wetten setzen, sondern sich für
langfristige Engagements an den Börsen entscheiden. Wer langfristig in
Aktien investiert, profitiert vom Zinseszinseffekt, den Einstein einmal als
„Achtes Weltwunder“ bezeichnet haben soll, und der Tatsache, dass das
Verlustrisiko von Aktien mit der Länge des Anlagezeitraumes sinkt.
- Eine
rigorose Aktienselektion leitet uns auch 2025. Wir bevorzugen Investments
in langfristige Wachstumstrends wie Künstliche Intelligenz und
transformative Medizin. Wir raten Anlegern im Jahr 2025 in Unternehmen zu
investieren, die hohe Kapitalrenditen aufweisen, über klare
Wettbewerbsvorteile verfügen, deren Umsätze strukturell wachsen und die zu
einem vertretbaren Kurs am Markt handeln.
- Der
amerikanische Aktienmarkt bleibt strukturell attraktiv. Für Engagements an
der Wall Street spricht vor allem, dass die Eigenkapitalrenditen von
amerikanischen Unternehmen diejenigen in Deutschland übersteigen und das
langfristige Potentialwachstum und die Arbeitsproduktivität in den USA
deutlich höher sind als in Europa.
- Den
chinesischen Aktienmarkt halten wir auch 2025 für unattraktiv. Die
chinesische Volkswirtschaft leidet unter einer Immobilienkrise, einer
Überschuldung der lokalen Regierungen und übermäßigen Eingriffen der
kommunistischen Regierung. Unsere negative Haltung zu China werden wir
überdenken, wenn sich nachhaltige politische Reformen und eine Erholung
des schwächelnden Konsums in der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt
abzeichnen.
- Small
and Mid Caps sind auch im kommenden Jahr einen Blick wert. Die Anleger
haben sich in den vergangenen Jahren stark auf einige wenige Titel
konzentriert. Wir erwarten, dass sich die Bewertungslücke zwischen den
Favoriten der vergangenen Jahre und den Small and Mid Caps im kommenden
Jahr wieder verringern wird.
- Die
Zinsstrukturkurve dürfte im kommenden Jahr steiler werden. Vor allem in
den USA dürfte das Wirtschaftsprogramm des kommenden US-Präsidenten Donald
Trump die Kapitalnachfrage, die Staatsverschuldung und die
Risikoaufschläge langfristiger Staatsanleihen steigen lassen. Gleichzeitig
ist mit weiteren Zinssenkungen durch die Fed und die EZB am kurzen Ende zu
rechnen. Wir erwarten, dass die europäische Zentralbank die
Leitzinsen im Jahr 2025 stärker senken wird als die US-Notenbank.
- Steigende
Anleiherenditen im langfristigen Bereich werden voraussichtlich dazu
beitragen, dass sich an den Anleihemärkten auch im
Investment-Grade-Bereich interessante Anlagemöglichkeiten ergeben werden.
Wer kurzfristige Anlagen hält, wird sein Kapital nur zu einem niedrigeren
Zinssatz wiederanlegen können, da die kurzfristigen Zinsen im Jahr 2025
vermutlich fallen werden. Die Zinsen von Investmentgrade Anlagen sind
weiterhin attraktiv und der Verschuldungsgrad der Emittenten von
Investment-Grade-Anleihen ist derzeit relativ niedrig im historischen
Kontext.
- Eine
Anlage in Private Equity sollte für manche Anleger eine Überlegung wert
sein. Für Investoren, die einen Teil ihres Portfolios längerfristig binden
können, kann eine Diversifizierung in Beteiligungen an
nicht-börsennotierten Wachstumsunternehmen attraktiv sein.
Quelle: Trading Economics
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