Ton Wijsman, Portfoliomanager bei AllianceBernstein, erklärt, wie die Gesundheits-Branche bestehen kann, obwohl sie mit jeder Innovationsstufe nicht preiswerter, sondern teurer wird. Und wie man die Gewinner in dieser Branche erkennt.
20.10.2021 | 08:00 Uhr
Ton Wijsman, Portfoliomanager bei AllianceBernstein, umreißt in seinem Vortrag „Technologie revolutioniert das Gesundheitswesen“ auf der FondsConsult Investment-Konferenz in München die Entwicklung des Gesundheitsmarktes im Kontext der Weltwirtschaft und erklärt, warum Gesundheitsaktien in den vergangenen Jahren eher schlechter abgeschnitten haben als der Gesamtmarkt – und weshalb gerade in diesem Bereich in den kommenden Jahren enormes Potenzial steckt.
Dafür räumt er zunächst mit einem Missverständnis auf: Die Bekämpfung einer Pandemie, könnte man meinen, würde zuallererst Aktien aus dem Gesundheitssektor stärken. Sehe man sich die Entwicklung des Gesamtmarktes und die maßgeblichen Healthcare-Indizes an, stelle man jedoch fest, dass Aktien aus dem Gesundheitsbereich in den vergangenen eineinhalb Jahren zwar gut, aber im Vergleich zum MSCI World Index unterdurchschnittlich performt haben. Die Erklärung dafür liefert Wijsman prompt: „Der Gesundheitsmarkt ist kein zyklischer Markt. Er bewegt sich in einem Spannungsfeld zwischen Innovation, Preissetzungsmacht und Politik. Damit hat er seine eigenen Regeln. Der Nachteil: Zyklische Aufschwünge gehen an ihm vorbei. Der Vorteil: Unternehmen aus dem Gesundheitsbereich bewegen sich unabhängig vom Markt in einem stabilen Wachstumsumfeld.“
Wijsman untermauert seine Aussage mit einer Analyse der wichtigsten Triebfedern des Gesundheitsmarktes. Zum Beispiel Innovationen: „Die Bereiche Diagnostik und Robotik sind enorm dynamisch. Hier ist schon viel passiert, aber der Bedarf ist immer noch hoch.“ Die Preisentwicklung, ein weiterer spannender Faktor im Gesundheitssektor, sei wiederum sehr speziell. Hier unterscheide sich die Branche von anderen Wirtschaftssektoren. Im Technologie-Bereich beispielsweise seien die Preise für viele Produkte durch Innovationen tendenziell eher gefallen. Die Kosten im Gesundheitsmarkt seien in den vergangenen Jahren dagegen stark gestiegen. Und das habe nicht nur mit Innovationen zu tun. Als Beispiel nennt Wijsman eine Spritze gegen anaphylaktische Schocks. „Der Preis für einen Notfall-Pen ist von 100 auf 700 Dollar gestiegen, obwohl die Produktion nicht teurer geworden ist. Das ist einfach so, weil der Bedarf da ist. Die Angebotsseite stellt einfach die Frage: Was ist ein Leben wert?“, erzählt Wijsman. Qualität und Preis würden sich im Gesundheitsmarkt leider nicht grundsätzlich äquivalent zueinander verhalten. Aufschlussreich sei hier ein Blick auf den HAQ-Index (Healthcare Access and Quality Index). Der Index misst laut Definition die Todesraten aus „Ursachen, die bei effektiver medizinischer Versorgung nicht tödlich sein sollten“. Die Erkenntnis: In den USA bezahlt man viel für seine Gesundheit, bekommt aber nicht viel. In Entwicklungsländern sehe das komplett anders aus. Die Preise seien sehr niedrig, die Qualität zum Teil auch noch, aber nicht immer. „Hier ist noch viel Wachstumspotenzial für die Zukunft“, sagt Ton Wijsman.
Eine weitere Besonderheit der Gesundheitsbranche sei, dass die Preissetzungsmacht einiger Unternehmen in bestimmten Bereichen die Kosten im Gesundheitswesen erhöhe. Das habe Implikationen für die globale Gesundheitspolitik. Schließlich stelle sich die Frage, wer das alles bezahle. In den meisten Ländern, so Wijsman, müssten Arbeitnehmer ihre Behandlungskosten größtenteils selbst bezahlen. Es werde deshalb massive Veränderungen mit sich bringen, wenn der Druck in der entwickelten Welt auf die steigende Nachfrage aus den Schwellenländern treffe, wo sich immer mehr Menschen immer bessere Gesundheitsversorgung leisten könnten. Und auch in der Versicherungsbranche seien noch interessante Entwicklungen möglich.
In dieser Gemengelage die erfolgversprechendsten Gesundheits-Unternehmen zu finden, sei eine Herausforderung, erklärt Ton Wijsman. So schafften es von Tausenden an Biotech-Gründungen in den vergangenen 45 Jahren nur 790 Firmen an die Börse. Nur 18 von ihnen launchten erfolgreich zwei oder mehr Medikamente, und nur fünf Unternehmen aus dieser Reihe haben heute mehr als vier Medikamente auf den Markt gebracht, darunter Amgen und Genentech. „Wir investieren ausschließlich in solche Unternehmen. Wir wollen keine Volatilität im Portfolio“, so Wijsman. Der Schlüssel zu einem erfolgreichen Portfolio aus dem Gesundheitssektor sei, sich auf Unternehmen zu konzentrieren, die in einem positiven Umfeld operieren. Interessente Themenfelder seien unter anderem Gen-Therapie und Tiergesundheit. „Beim Thema Tiergesundheit gibt es kaum politischen Einfluss. Das minimiert regulatorische Risiken“, so Wijsman. Das Fondsmanagement des AB International Health Care Portfolio sucht zudem Unternehmen, die Gesundheit nicht teurer, sondern mit neuen Technologien preiswerter machen. Darüber hinaus finden sich im Portfolio breit aufgestellte Gesundheitsdienstleister, Hersteller medizinischer Geräte sowie Unternehmen aus den Bereichen Roboterchirurgie und Biotechnologie. Wichtig sei hier vor allem, dass die Firmen qualitativ hohes Wachstum aufwiesen. „Wissenschaft ist wichtig, aber die Finanzkraft von Unternehmen ist für uns wichtiger“, sagt Ton Wijsman.
Während Passivfonds Beschränkungen, aufweisen, kann das Fondsmanagement des AB International Health Care Portfolio in seinem Segment frei walten. Bisher zahlt sich diese Freiheit aus. Der Fonds gehört zu den besten in seiner Klasse. Über die vergangenen fünf Jahre hinweg performt der Fonds 20 Prozent besser als der MSCI HealthCare Index. Auch das Risikomanagement passt: Aufwärts- und Abwärtspartizipation sind überdurchschnittlich gut. Stieg der Markt, entwickelte sich der Fonds bisher im Schnitt fünf Prozent besser als der Healthcare-Index. Fiel der Markt, blieb der Fonds 20 Prozent oberhalb des Index. Aktuell umfasst das Portfolio 45 Unternehmen, mit breiter Streuung. Große Konzerne sind bewusst unterrepräsentiert. Von den größten Pharmafirmen findet sich keine einzige Im Portfolio. Auch chinesische Unternehmen bleiben außen vor, aus Gründen des Risikomanagements. „Wir können nicht einschätzen, wie der Markt dort in Zukunft reguliert wird“, erklärt Ton Wijsman.
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