Die DIW-Chef Marcel Fratzscher sieht im Anstieg der Staatsschulden in der Corona-Krise keinen Grund zur Sorge.
22.02.2021 | 06:30 Uhr
"Da die Zinsen noch auf längere Sicht niedrig bleiben werden, kostet die Bedienung der Corona-Kredite den Staat praktisch nichts oder bringt sogar im Falle von negativen Zinsen Zinseinnahmen", sagte der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) der Deutschen Presse-Agentur.
Schulden für Investitionen in Bildung, Klimaschutz, Innovation und eine starke Infrastruktur seien notwendig, um langfristig gute Arbeitsplätze und die Attraktivität des Wirtschaftsstandorts zu sichern. "Dies schafft Steuereinnahmen, wodurch der Schuldenberg wieder leichter abgetragen werden kann."
Nach Einschätzung Fratzschers sollte die seit 2009 im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse, die nur in geringem Maße neue Kredite erlaubt, vorerst ausgesetzt bleiben. "Eine baldige Einhaltung der Schuldenbremse würde eine massive wirtschaftliche Vollbremsung erfordern, die vielen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ihren Arbeitsplatz und vielen Unternehmen ihre Existenz kosten könnte", warnte der Ökonom.
Kanzleramtschef Helge Braun (CDU) hatte jüngst eine Debatte in Gang gesetzt, wie es mit der Schuldenbremse weitergehen soll. Er argumentierte, auch bei strenger Ausgabendisziplin sei diese in den kommenden Jahren nicht einzuhalten. Nach heftiger Kritik aus den eigenen Reihen stelle er klar, die Schuldenbremse im Grundgesetz nicht aufgeben zu wollen.
Die Schuldenbremse kann nur in Notsituationen vorübergehend aufgehoben werden. Der Bund nahm in der Corona-Krise immense Schulden auf und setzte die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse außer Kraft. Auch 2021 soll sie noch einmal ausgesetzt werden.
Nach Einschätzung Fratzschers sind eine wirtschaftliche Erholung und eine erfolgreiche Transformation der deutschen Wirtschaft in Richtung Klimaschutz und Digitalisierung "mit der Schuldenbremse nicht vereinbar." Er forderte ein Reform, die einen zu starken Anstieg der Staatsverschuldung verhindere, "aber gleichzeitig der Politik den notwendigen Spielraum für die nächsten Jahre gibt, um die Grundlage für einen Wirtschaftsaufschwung zu schaffen."
Die Corona-Krise hatte im vergangenen Jahr tiefe Löcher in den Staatshaushalt gerissen. Nach ersten Berechnungen des Statistischen Bundesamtes gaben Bund, Länder, Gemeinden und Sozialversicherung im vergangenen Jahr 158,2 Milliarden Euro mehr aus als sie einnahmen. Details auch zu Konjunkturentwicklung Ende 2020 gibt die Wiesbadener Behörde am Mittwoch (0800) bekannt.
Quelle: dpa-AFX
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