Ulrich Kaffarnik von DJE Kapital diagnostiziert in seiner Kapitalmarktanalyse die größte Marktmanipulation aller Zeiten und stellt die entscheidende Frage: Wie kann man das wieder korrigieren?
07.10.2021 | 07:30 Uhr
Auf der FondsConsult Investment-Konferenz am Tegernssee schlägt Ulrich Kaffarnik von DJE Kapital sein Rad durch die Weltkonjunktur. In der Rückbetrachtung sei 2020 ein gutes Jahr für Investoren gewesen. Das laufende Jahr 2021 sei vor allem ein Aktienjahr. Die anderen Assetklassen hätten sich bisher eher enttäuschend entwickelt. Woher der Aktienboom komme, sei leicht auszumachen: „Der monetäre und der fiskalische Impuls summieren sich auf insgesamt 32 Billionen US-Dollar. Das ist die größte Marktmanipulation aller Zeiten“, sagt Ulrich Kaffarnik. Allein die USA drehten den Geldhahn in einem Maße auf, wie es bisher noch nie da gewesen sei. „Joe Bidens Investitions-Plan ist das größte US-Programm aller Zeiten. Das bedeutet immense Konsequenzen für den Schuldenstand in den USA. Auch die Pro-Kopf-Verschuldung ist auf Rekordniveau. Das wird in der Zukunft in der Form nicht so weitergehen“, ist Kaffarnik überzeugt. Die entscheidende Frage laute nun: Wie bekommt man so etwas jemals wieder eingefangen? Vielleicht gar nicht, beantwortet der Kapitalmarktexperte seine Frage selbst. Die riesigen Assets, die bei den Zentralbanken liegen, könnten vielleicht einer Art Semi-Lösung zugeführt werden. Laufzeiten von Anleihen würden zum Beispiel verlängert. Neue Anleihen mit Nullzins könnten alte ablösen. „Die Unabhängigkeit der Zentralbanken steht nur noch auf dem Papier“, so Kaffarnik.
Vielleicht erledige sich das Thema Überschuldung nach und nach auch von selbst, zum Beispiel durch eine höhere Inflation. Die US-Geldmenge sei innerhalb kurzer Zeit enorm angestiegen. US-Banken würden Bonds kaufen, einfach nur deshalb, weil sie viel Geld in ihren Büchern stehen hätten. „In den zurückliegenden 16 Monaten sind 20 Prozent aller jemals geschaffenen US-Dollar entstanden. So etwas habe ich noch nicht gesehen. Und ich bin schon lange dabei“, so Kaffarnik. Die Herausforderung für die Notenbanken bestünde nun darin, die Deutungshoheit über das Geschehen zu behalten. Von dem Schreckensszenario einer Hyperinflation sei die Welt jedoch weit entfernt. Ulrich Kaffarnik glaubt, dass die Wirtschaft gerade ihren Wachstumshöhepunkt erreicht, das Wachstum aber mit etwas weniger Tempo weitergeht. Gleichzeitig werde sich die Inflationsentwicklung auf einem etwas erhöhten Niveau stabilisieren. „Die weltweiten Lieferketten werden wieder besser funktionieren, die Globalisierung ist nicht tot. Allerdings werden Produktionen auch wieder zurückgeholt. Das wird zu etwas höheren Preisen führen. Ich erwarte deshalb, dass sich die Inflation in den kommenden Jahren bei etwas über zwei Prozent einpendeln wird“, so Kaffarnik. Für diesen Fall habe sich die Europäische Zentralbank EZB schon die passende Hintertür-Regel geschaffen: „Wenn die Inflation einmal über zwei Prozent steigt, muss die EZB nicht automatisch aktiv werden, sondern sie kann auf Zeit spielen.“
Für den Zinsmarkt sieht Kaffarnik wenig neue Impulse – weder nach oben noch nach unten. Das von den Notenbanken angekündigte Auslaufen der Anleihekaufprogramme – das sogenannte Tapering – schrecke die Marktteilnehmer nicht mehr. „Als die Notenbanken im Jahr 2013 von Tapering sprachen, war das ein Desaster am Bondmarkt. Der Unterschied zu heute besteht darin, dass die Marktteilnehmer dies schon lange erwarten. Es gibt deshalb keinen Überraschungseffekt. Die Leute erwarten ein „peaceful tapering“. Deswegen glaube ich, dass es diesmal nicht so kommen wird wie 2013“, so Kaffarnik.
Einen positiven Ausblick lieferte Kaffarnik für europäische Aktien: „Die Mutter aller Europa-Charts“, der Stoxx Europe 600, habe eine 20 Jahre alte Schallmauer übersprungen. „Es gibt kein stärkeres Kaufsignal als die Überwindung eines früheren Allzeithochs“, so Kaffarnik. Natürlich können man auch niemals den US-Aktienmarkt ignorieren, hier sei die Dynamik nach wie vor größer als in Europa. Insbesondere die FAANG-Aktien seien, trotz hoher Bewertung, immer noch attraktiv. Allerdings könnte dieses Aktiensegment unter zukünftiger Regulierung leiden. Insgesamt ist Kaffarnik positiv gestimmt für Aktien. „Vergleicht man die Gewinnrendite von Aktien mit den aktuellen Anleiherenditen, muss man feststellen: Eigentlich sind Aktien immer noch billig“, so Kaffarnik. Dass die Zinsen wieder nachhaltig steigen werden, glaubt er nicht. „Die Zinsen waren 1981 zehnmal so hoch wie heute. Seitdem fallen sie seit Jahrzehnten mehr oder weniger kontinuierlich.“
Wenig Überraschungen erwartet Ulrich Kaffarnik beim Thema Währungen. „Der Devisenmarkt ist langweilig geworden. Da kann man auch der Farbe beim Trocknen zusehen. So hoch ist die Volatilität“, konstatiert er. Auch der Goldmarkt habe sich zuletzt beruhigt.
Ulrich Kaffarniks Fazit bleibt für die kommenden Monate vorsichtig optimistisch: „Das Beste liegt zwar hinter uns. Der geldpolitische und der fiskalpolitische Impuls lassen nach. Aber wir haben ein positives konjunkturelles Umfeld. Wenn nicht noch irgendein Schock kommt, bleiben Aktien weiterhin attraktiv.“
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