Anleger sollten das Jahr 2024 mit seinen beispiellosen geopolitischenRisiken nicht unterschätzen.
26.02.2024 | 14:34 Uhr
Denn welche Richtung die Demokratien weltweit einschlagen, wirkt sich direkt auf die Risikoprämien am Staatsanleihemarkt aus, so Malin Rosengren, Portfoliomanagerin für festverzinsliche Wertpapiere mit Investment-Grade-Rating bei RBC BlueBay Asset Management.
„Die vielen anstehenden Wahlen haben erhebliche Auswirkungen auf die Finanzpolitik. Da die amtierenden Regierungen um die Gunst ihrer Wähler kämpfen, rücken in Wahljahren die Bemühungen um eine Haushaltskonsolidierung oft zugunsten großzügigerer Ausgaben in den Hintergrund. Dies kommt zu einem Zeitpunkt, an dem antizyklische fiskalische Anpassungen weltweit dringend erforderlich sind, um die Schuldentragfähigkeit zu erhalten und den politischen Spielraum für künftige Konjunkturabschwünge zu schaffen. Es geht also nicht nur um die fiskalischen Risiken vor den Wahlen, sondern auch um die Frage, was danach kommt. Und wie können sich Anleger auf diesem unsicheren Terrain zurechtfinden?
Die Briten
Im Vereinigten Königreich gehen die Konservativen mit dem Wissen in die Herbstwahlen, dass ihre Chancen auf Machterhalt ohne ein kühnes Manöver gering sind. Der Spielraum ist jedoch stark eingeschränkt. Die anhaltende Inflation hindert die Bank of England (BoE) daran, die Wirtschaft mit einer geldpolitischen Lockerung zu stützen. Gleichzeitig haben das enttäuschende Wachstum und die hohe Verschuldung die fiskalischen Ungleichgewichte verschärft. Im Vorfeld der Wahlen sind sicherlich weitere finanzpolitische Maßnahmen geplant. Für den Haushalt im März werden spürbare Einkommensteuersenkungen erwartet.
Vielleicht noch besorgniserregender ist jedoch, wohin sich die Steuerpolitik unter einer Labour-Regierung entwickeln wird. Finanzpolitische Zurückhaltung entspricht nicht gerade der Ideologie der Partei. Erhöhte fiskalische Risiken bis Jahresende bieten Gelegenheiten für Leerverkäufe von Staatsanleihen in der Erwartung, dass zusätzliche Risikoprämien in die Renditen eingepreist werden. Das längere Ende ist angesichts der Angebotsrisiken besonders anfällig.
Über den großen Teich
In der Zwischenzeit gehen die USA mit der wohl schlechtesten Haushaltslage der fortgeschrittenen Volkswirtschaften in ihre Präsidentschaftswahlen. Die Regierung Biden hat die Wirtschaft mit massiven Steuerausgaben angekurbelt. Das war wohl die wichtigste Triebfeder für die Outperformance der US-Wirtschaft gegenüber dem Rest der Welt in den letzten Jahren. Mit Blick auf eine heiß umkämpfte Wahl wird sich diese Dynamik nicht ändern. Für die Anleger bedeutet das, dass die US-Wirtschaft im Laufe des Jahres weiterhin durch Staatsausgaben gestützt wird. Dies wird das Fortbestehen der Dienstleistungsinflation trotz des Straffungszyklus der US-Notenbank Federal Reserve (Fed) weiter fördern.
Wie können sich Anleger positionieren?
Vor diesem Hintergrund ist Vorsicht geboten: Der Markt könnte zu früh eine aggressive geldpolitische Lockerung erwarten. Wir halten den Handel mit steileren Kurven für wertvoll und gehen davon aus, dass der Markt eine höhere Laufzeitprämie einpreist, um dem anhaltenden Inflationsdruck und den umfangreichen fiskalischen Maßnahmen vor dem Hintergrund eines Rekord-Nettoangebots an Staatsanleihen (unter Berücksichtigung der quantitativen Straffung durch die Fed) Rechnung zu tragen.
Wichtig ist auch die Frage, wie es weitergeht. Wohin könnte die Reise unter einer Trump-Regierung gehen? Die fiskalischen Spielräume in den USA werden wohl weiter ausgedehnt werden, um zusätzliche Anreize für die Wirtschaft zu schaffen. Obwohl die Republikaner öffentlich den Anschein erwecken, den Staat verkleinern zu wollen, scheinen sie in Wirklichkeit wenig Lust auf Sparmaßnahmen zu haben.
Es ist davon auszugehen, dass Trump seine Patriotenparade mit einer Reihe zusätzlicher Einfuhrzölle, einer aggressiven Außenpolitik und dem Ende der externen Finanzierung, beispielsweise der Ukraine, fortsetzen wird. Sollte er jedoch die Mehrheit im Repräsentantenhaus erringen, wird seine erste Maßnahme wahrscheinlich eine weitere Steuersenkung sein.
Die Risiken in den Beziehungen zwischen den USA und China werden an Bedeutung gewinnen, da sie mit einer konzertierten Verlagerung der Prioritäten des chinesischen Staatspräsidenten Xi Jinpings von der Wirtschaft hin zur Sicherheit zusammenfallen. Dies begünstigt einen starken Dollar, insbesondere gegenüber Währungen von anfälligeren Nachbarn wie dem mexikanischen Peso (wo Trump gegen die Einwanderung von der US-Südgrenze vorgehen wird) und lässt die ukrainischen Kredite gefährdet erscheinen.
Israel hingegen ist ein Nutznießer, da die Finanzierung und Unterstützung des Landes weiter verstärkt wird, was sich positiv auf die Kredit-Spreads auswirkt. Allerdings wird die Wahl wahrscheinlich erst nach der Entscheidung über Trumps Kandidatur im März ein zentrales Thema für den Markt sein.
Zurück nach Europa…
In Europa ist der erwartete Aufstieg der Rechtspopulisten bei den Wahlen zum Europäischen Parlament weit weniger ein Grund zur Sorge für Anleger. Stattdessen sehen wir den Kontinent als einen durch den soliden europäischen Rahmen abgesicherten Leuchtturm der Stabilität in einem Jahr großer Unsicherheit. Eine Koalition der Mitte wird die nächste Legislaturperiode prägen, während die Nationalisten erfahrungsgemäß nicht gut zusammenarbeiten. Dies dürfte trotz der externen Risiken durch den Ukraine-Konflikt und China den europäischen Spreads zugutekommen.
… und zu den Schwellenländern
In den Schwellenländern werden die Wahlunsicherheiten die Volatilität an den Märkten und die Risikoprämien erhöhen. Chancen sehen wir vor allem in Polen und Rumänien. In Polen wird die neue Regierungskoalition unter Donald Tusk ihre Position bei den Kommunalwahlen im Frühjahr wahrscheinlich weiter festigen. Ein Wahlsieg geht zwar auf Kosten höherer Staatsausgaben, aber die Verringerung des Einflusses der konkurrierenden PiS-Partei auf lokaler Ebene stärkt die Fähigkeit der Regierung, die Rechtsstaatlichkeit wiederherzustellen, EU-Mittel zu sichern und Polens Attraktivität für ausländische Direktinvestitionen zu steigern. All dies dürfte den Aufwertungsdruck auf den Złoty verstärken. In Rumänien sollte die Wiederwahl der derzeitigen Regierung bei den Parlamentswahlen politische Kontinuität bedeuten. Weniger Unsicherheit und eine stabile Regierung wirken sich positiv auf die rumänischen Kredit-Spreads aus.
Phasen anhaltender Volatilität bieten Anlegern enorme Chancen. Wir glauben, dass sich das aktuelle politische Umfeld gerade für Anleger eignet, die einen aktiven Ansatz verfolgen und geopolitische Risiken effektiv steuern können.“
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