Seit Januar 2022 müssen viele Unternehmen Angaben zur sogenannten EU-Taxonomie machen. Ab 2024 werden diese Kennzahlen prüfungspflichtig. Eine aktuelle Umfrage zeigt: Nicht einmal die Hälfte der berichtspflichtigen Unternehmen hat mit der Konformitätsberichterstattung begonnen.
25.11.2022 | 07:15 Uhr
Die Frage der Nachhaltigkeit ist für die Wirtschaft schon lange keine theoretische Debatte mehr, sondern greift mittlerweile tief in den Unternehmensalltag ein. So müssen etwa seit Anfang 2022 Unternehmen, die zur nichtfinanziellen Berichterstattung verpflichtet sind, erstmals auch Angaben zur sogenannten EU-Taxonomie machen. Sie müssen also ihre „grünen“ Kennzahlen veröffentlichen. Dazu zählen Umsätze sowie Investitions- und Betriebsausgaben, die zu mehr Nachhaltigkeit führen. Ab 2024 werden diese Kennzahlen voraussichtlich nicht nur berichts-, sondern auch prüfungspflichtig. Und es werden weitere Berichtsthemen hinzukommen. Der Aufwand für die Berichterstattung gemäß der EU-Taxonomie wird weiter steigen. Das ist bereits heute absehbar. Dazu kommt: Nachlässigkeit bei der Konformitätsberichterstattung können sich die Unternehmen nicht leisten. Denn auch bei Finanzierungen spielt die nichtfinanzielle Berichterstattung eine immer größere Rolle. Banken müssen in Zukunft unter anderem die „Green Asset Ratio“ angeben, also den Anteil „grüner“ Kredite bzw. Investments in ihrem Portfolio.
Eine aktuelle PwC-Studie zeigt nun, dass diese Botschaft offensichtlich noch nicht bei allen betroffenen Unternehmen in Deutschland angekommen ist. Erst knapp die Hälfte der befragten Firmen (48 Prozent) hat mit der Konformitätsberichterstattung zur EU-Taxonomie begonnen. Vor allem die Angst vor dem Aufwand ist groß: Diesen schätzen nur 13 Prozent der taxonomieerfahrenen Unternehmen als gering ein, 54 Prozent halten ihn für mittelgroß. 46 Prozent gehen außerdem davon aus, dass sie für die Berichterstattung zusätzliches Personal einsetzen müssen. Und sechs von zehn Befragten mussten laut Umfrage bereits auf externe Unterstützung zurückgreifen, um ihren Berichtspflichten nachzukommen. „Unsere Ergebnisse zeigen, dass viele Unternehmen den Umsetzungsaufwand für die EU-Taxonomie häufig noch unterschätzen, zum Teil massiv. Zusätzliche Berichtsthemen und die Konformitätsprüfung werden ihn weiter erhöhen“, sagt Nadja Picard, Global Reporting Leader bei PwC Deutschland und ergänzt: „Unternehmen sollten die erforderlichen Ressourcen unbedingt zügig freigeben oder beschaffen, um späteren Zusatzaufwand zu vermeiden.“
Überraschend sei, dass zwei Drittel der befragten Unternehmen noch keinen standardisierten Prozess zur Lieferung der taxonomierelevanten Daten entwickelt haben, so Picard. „An standardisierten Prozessen führt kein Weg vorbei, damit die berichteten Daten verlässlich sind und künftig eine zuverlässige Steuerung des Unternehmens ermöglichen.“ Dazu gehöre es insbesondere, Prozesse und Verantwortlichkeiten klar zu definieren. „Nur so lassen sich mittelfristig viele der erforderlichen Reportingprozesse automatisieren. Das ist erforderlich, um den Aufwand für die Berichterstattung trotz steigender Anforderungen stabil zu halten“, erklärt Picard. Für automatisierte Prozesse seien dezidierte Nachhaltigkeitsreportingtools essenziell. Solche Tools nutzt laut Studie allerdings erst etwa jedes dritte Unternehmen (31 Prozent). Spezielle Tools für die Berichterstattung zur EU-Taxonomie nutzen sogar nur neun Prozent. Immerhin: 41 Prozent der befragten Unternehmen wollen künftig spezielle Tools einsetzen. Derzeit nutzen knapp drei Viertel der befragten Unternehmen Excel für die EU-Taxonomie-Berichterstattung, etwa jedes vierte Unternehmen setzt auf Word und rund jedes fünfte nutzt E-Mails. Aus Sicht der Experten ist das keine optimale Lösung. „Excel- oder Word-Dateien sind aus unserer Sicht für die Berichterstattung zur EU-Taxonomie nicht geeignet, weil diese Dateiformate nicht über Zugriffskontrollen und nur bedingt über eine Änderungsverfolgung verfügen. Somit erlauben sie keine prüfsichere Dokumentation“, so Picard.
Für Banken und ihre Unternehmenskunden ist das Thema sehr komplex. Denn nichtfinanzielle Kennzahlen werden in Zukunft eine immer größere Rolle bei der Kreditvergabe spielen. Die Regulierungsbehörden werden künftig von den Banken bei nicht-taxonomiekonformen Krediten sehr wahrscheinlich eine höhere Eigenkapitalunterlegung verlangen. In der Folge werden auch die Banken ihrerseits voraussichtlich zwischen nicht-taxonomiekonformen und taxonomiekonformen Krediten unterscheiden – und ebenso bei den Konditionen. Weil Banken die Informationen, die sie brauchen, jedoch oft noch nicht in ausreichender Weise von den Unternehmen erhielten, griffen sie derzeit noch auf die Daten externer Anbieter zurück, so die Autoren der Studie. Dies verursache hohe Kosten und sei überdies volkswirtschaftlich unsinnig, weil alle Banken dieselben Informationen benötigten. „Deutlich effizienter wäre es, diese regulatorischen Daten über eine gemeinschaftlich organisierte Infrastruktur öffentlich zugänglich zu machen, und so den Zeit- und Kostenaufwand für beide Seiten – Banken und Unternehmen – deutlich zu reduzieren“, sagt Andreas Feiner, Partner bei PwC Deutschland.
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