Keine Branche ohne spezifische Regulierungen: Allerdings scheint der Gesetzgeber bei der Finanzindustrie jedes Maß zu verlieren mit verheerenden Folgen für Asset Manager, Verbraucher und Vermittler.
12.02.2020 | 13:50 Uhr von «Christian Bayer»
Im
Rahmen der Jahrespressekonferenz desBundesverband Investment und Asset Management e. V. (BVI) warnt Hauptgeschäftsführer Thomas Richter vor einer
Einschränkung der Wettbewerbsfähigkeit europäischer Asset Manager durch eine
ausufernde Regulierung: „Die Überregulierung in der EU behindert Europas Asset
Manager im globalen Wettbewerb. Sie ist fixiert auf Verbraucherschutz und
Finanzmarktstabilität und berücksichtigt bei aufsichtlichen und regulatorischen
Abwägungsentscheidungen nicht die Folgen für die Wettbewerbsfähigkeit der Asset
Management Branche. Das muss sich ändern“, stellt Richter fest. Mit Blick auf
die USA verweist er darauf, dass dort die Wettbewerbsfähigkeit des Asset
Managements als eines der Regulierungsziele von der Politik ins Auge gefasst
wird, während es in Europa kaum Gewicht hat. Als positiven Schritt wertet
Richter den Auftrag der neuen EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen an den
Finanzmarktkommissar Dombrovskis zur Förderung der Wettbewerbsfähigkeit in der
EU.
Mit Blick auf das Altersvorsorgevermögen in Höhe von 1,5 Billionen Euro, das
von der Fondsindustrie verwaltet und das aus seiner Sicht das Rückgrat der
privaten Altersvorsorge bildet, plädiert Richter für eine steuerliche
Entlastung der Kleinsparer und eine Abschaffung des Solidaritätszuschlags auf
Kapitalerträge. Mit dem Ziel der Entlastung solle sich die Politik auch von der
Finanztransaktionssteuer verabschieden, weil sie selbst unter ihren
Befürwortern mittlerweile keine Unterstützung mehr finde und sich der aktuelle Vorschlag
des Bundesfinanzministers von den ursprünglichen Zielen entfernt habe. Zur
Förderung der Altersvorsorge befürwortet der BVI eine Riester-Rente mit
deutlich weniger bürokratischem Aufwand. Zusammen mit den Verbänden der
Versicherer und Bausparkassen hat der BVI einen Fünf-Punkte-Plan vorgelegt, der
einfache Standardprodukte vorsieht. „Die Vorschläge der Finanzverbände liegen der
Bundesregierung vor. Für eine Reform der geförderten Altersvorsorge ist in
dieser Legislaturperiode nicht mehr viel Zeit“, gibt Richter zu bedenken.
Auch bei der Regulierung der Finanzanlagenvermittler ist die Bundesregierung am
Zug. Voraussichtlich am 19. Februar steht der Referentenentwurf aus dem
Bundesfinanzministerium zur geplanten Übertragung der Erlaubnis- und
Aufsichtszuständigkeit für Finanzanlagenvermittler auf die BaFin auf der Agenda
des Kabinetts. DieIndustrie- und Handelskammer (IHK) Mittlerer Niederrhein hat
sich in diesem Zusammenhang an die Bundestagsabgeordneten der Region gewandt
und sie aufgefordert, sich gegen die Übertragung der Aufsicht von den
Gewerbeämtern und den IHKs an die BaFin auszusprechen. „Aus unserer Sicht
besteht für eine Änderung der Aufsicht keine Notwendigkeit, dies wäre sogar
kontraproduktiv,“ so IHK-Hauptgeschäftsführer Jürgen Steinmetz. „Weder gab es
in der Vergangenheit hierüber Beschwerden noch sonstige Anhaltspunkte.“
Steinmetz gibt zu bedenken, dass die BaFin kaum Erfahrung mit der Aufsicht von
Kleingewerbetreibenden hat und für den Aufbau neuer Strukturen Kosten
entstünden, die von den Vermittlern getragen werden müssten. „Die Kosten für
eine Erlaubnis würden sich nach derzeitigen Berechnungen um das Vier- bis
Sechsfache erhöhen“, so Steinmetz. Laut aktuellen Umfragen würden bei einem
Wechsel der Aufsicht etwa 50 Prozent der Finanzanlagenvermittler ihre Zulassung
zurückgeben. „Diese Ausdünnung des Angebots kann nicht im Sinne der Verbraucher
sein“, gibt Steinmetz zu bedenken. Zusätzlichen bürokratischen Aufwand und die
Gefahr einer uneinheitlichen Rechtsanwendung sieht Steinmetz für die vielen
Vermittler, die neben dem Geschäftsfeld Finanzanlagen auch die Vermittlung von
Versicherungen und Immobiliendarlehen betreiben. Diese hätten dann mit zwei
Aufsichtsbehörden zu tun. „In jedem Fall sollten für kleine und
mittelständische Vermittler adäquate Lösungen gefunden werden, um eine
Verdrängung durch größere Finanzdienstleistungsinstitute aufgrund der höheren
Kosten zu vermeiden“, appelliert Steinmetz an die Abgeordneten.
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