„It´s the economy“ – In der Vergangenheit hat sich schon öfter erwiesen, dass die aktuelle wirtschaftliche Situation entscheidend für den Ausgang der US-Wahlen ist. Für Trump bedeutet das Chance, aber auch Risiko.
05.02.2020 | 14:30 Uhr von «Christian Bayer»
Trumps gestrige Rede zur Lage der Nation war eine Lobeshymne auf seine eigene Politik.
So weit, so erwartbar. Allerdings kann er zu Recht auf Erfolge wie eine
niedrige Arbeitslosenquote und steigende Aktienkurse verweisen. Falls das
Coronavirus zu einer drohenden Rezession führt, würde das die Chancen Trumps
schmälern.
Bei den Demokraten steigt indes die Nervosität. Dies wurde deutlich,
als die Vorsitzende des Repräsentantenhauses und US-Oppositionsführerin Nancy
Pelosi öffentlichkeitswirksam eine Kopie der gestrigen Trump-Rede zerriss.
Zudem geriet die Auszählung der Stimmen bei der Parteiversammlung zur
Kandidatenauswahl in Iowa wegen einer fehlerhaften App für die Demokraten zum
Desaster. Sieger wurde Pete Buttigieg, der noch vor Monaten als Außenseiter
gehandelt wurde.
Einer der potentiellen demokratischen Kandidaten, der in Iowa
nicht angetreten war und damit nicht mit dem Auszählungs-Schlamassel in
Verbindung gebracht wird, könnte sogar davon profitieren. Michael Bloomberg, ehemaliger
Bürgermeister von New York, gilt vielen als chancenreicher Herausforderer von
Trump. Die Präsidentschafts-Wahl am 3. November könnte also spannender werden
als viele glauben.
Vincent Reinhart, Chefökonom bei BNY Mellon Investment Management geht davon
aus, dass ein potentieller Nachfolger der Demokraten einen stärkeren Fokus auf
Staatsausgaben vor allem bei Infrastruktur- und Umweltschutzprojekten legen
würde. Zudem wäre eine stärkere Preiskontrolle im Gesundheitswesen zu erwarten.
Finanziert würden die Mehrausgaben durch Steuererhöhungen, die auch die
Gewinnsituation der Unternehmen belasten könnten. Vor dem Hintergrund möglicher
Unsicherheiten rät Reinhart aktuell, Anlegern vorsichtig zu agieren. Der
Experte erwartet dieses Jahr volatilere Aktienmärkte, da die Meinungen, wer die
Wahl gewinnt, bis zum November stark schwanken könnten.
Reinhart beobachtet aktuell mehrere Faktoren, die dazu führen, dass Anleger
eher sorglos agieren. Dazu zählt beispielsweise, dass das Impeachment-Verfahren
de facto abgehakt ist. Der Nominierungsprozess des demokratischen Gegenkandidaten
führt aus Sicht des Experten dazu, dass die Profile der Herausforderer nicht klar
wahrgenommen werden.
Das macht es aus Sicht des Ökonomen für Investoren
schwierig, die Kandidaten zu unterscheiden. Möglicherweise würden Anleger auch
die Reaktion der Fed falsch einschätzen. „Die Marktteilnehmer erwarten, dass
die US-Notenbank erneut die Leitzinsen senken wird, falls der
Präsidentschaftswahlkampf einen negativen Schock auslösen sollte. Doch wer
darauf setzt, könnte eine böse Überraschung erleben. Denn in ihrer letzten
Sitzung signalisierte die Fed, dass sie ihren geldpolitischen Kurs 2020 nicht
verändern wolle“, so Reinhart.
Der Experte sieht die Gefahr, dass bei einem
Wahlsieg der Demokraten beispielsweise. Unternehmen aus den Bereichen Finanzen,
Gesundheitswesen und Technologie ihre Expansionspläne auf Eis legen oder
zumindest verschieben würden. „In der Konsequenz würden die Aktienkurse sinken,
wobei sich Anleger darüber bewusst sein sollten, dass eine Kurseinpreisung
bereits vor dem ersten Wahlgang vollzogen werden würde“, so Reinhart.
Unsicherheiten für die Märkte im Vorfeld der Wahlen sieht auch Salman Baig,
Portfoliomanager im Cross-Asset-Team beim schweizerischen Vermögensverwalter
Unigestion. Dazu trägt aus seiner Sicht bei, dass einige mögliche demokratische
Kandidaten sich nicht nur deutlich von der aktuellen Politik Trumps abheben,
sondern auch untereinander unterschiedliche Vorstellungen beispielsweise in der
Steuerpolitik haben. Aber auch jenseits steuerpolitischer Entscheidungen lauern
Risiken.
„Einige Sektoren (wie Metallgewinnung und -verarbeitung, Bergbau und
das Gesundheitswesen) sowie Unternehmen, die von Trumps Deregulierungsschub,
insbesondere bei den Umweltvorschriften, profitiert haben, sind im Falle eines
Präsidentenwechsels besonders gefährdet,“ erklärt Baig.
„Solche politischen Maßnahmen können weitestgehend vom Weißen Haus bestimmt werden und bedürfen normalerweise nicht der Zustimmung des Kongresses.“ Der Experte geht davon aus, dass der Einfluss politischer Faktoren auf die Märkte vor dem Hintergrund eines fortgeschrittenen Konjunkturzyklus mit geringem Wachstum, einer niedrigen Inflation und dem Erstarken globalisierungsfeindlicher Tendenzen zuletzt gewachsen ist.
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Quelle: BÖRSE ONLINE
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