Am Dienstag ist der wichtigste Indikator für die Lage der US-Wirtschaft überraschend stark gefallen. Wenn der Konjunkturmotor der Welt stockt, könnte eine weltweite Rezession folgen, warnen Marktbeobachter. Doch so weit ist es noch lange nicht.
05.09.2019 | 15:14 Uhr von «Alexandra Jegers»
Der längste Aufschwung in der Geschichte der USA neigt sich dem Ende. Am Dienstag fiel der wichtigste Frühindikator für die US-Konjunktur, der ISM-Index, überraschend von 51,2 auf 49,1 Punkte. Marktbeobachter hatten mit einem weitaus moderateren Rückgang auf maximal 51,1 Punkten gerechnet. Für den ISM-Index befragt das Institute of Supply Management landesweit 400 Unternehmen des verarbeitenden Gewerbes nach der aktuellen Geschäftslage. Ein Wert unter 50 gilt unter Experten als Warnzeichen für einen nahenden Wirtschaftsabschwung. „Die USA galten in den vergangenen Quartalen als Hort der Stabilität, doch wie der ISM-Index zeigt, kommt das verarbeitende Gewerbe spürbar ins Wanken“, sagt Thomas Gitzel, Chefökonom bei der VP Bank.
Er führt den Rückgang des Stimmungsbarometers vor allem auf den US-chinesischen Handelsstreit zurück. Zum Monatswechsel hatten die Regierungen wie angekündigt neue Zölle erhoben. Die USA führten zusätzliche Importgebühren auf chinesische Waren im Wert von rund 100 Milliarden US-Dollar ein. China konterte mit Gegenzöllen in Höhe von fünf und zehn Prozent auf Importe aus den USA. Axel Cron, Chefanlagestratege bei der Fondsgesellschaft HSBC Global Asset Management, sieht im Handelskonflikt mit den USA den wichtigsten Auslöser für das Stimmungstief der Industrie. „Die Phase des außerordentlichen Wachstums in den USA scheint vorbei zu sein“, sagt er.
Auch vom US-Arbeitsmarkt kamen zuletzt gemischte Signale. Zwar waren die Juli-Zahlen halbwegs stabil. Doch der eindrucksvolle Beschäftigungsaufbau der vergangenen Jahre verliert allmählich an Dynamik, beobachtet der Anlagestratege. Für den August rechnet er mit rund 158.000 neu geschaffenen Stellen. Das wären weniger als im bisherigen Jahresdurchschnitt. Gleichwohl: Eine Rezession sieht der Anlageprofi nicht nahen. Dafür sei die Kauflust der US-Konsumenten noch zu stark.
Eine Einschätzung, die auch Lars Skovgaard Andersen, Anlagestratege bei der Danske Bank, teilt. „Der Privatkonsum und der Dienstleistungssektor greifen der Wirtschaft weiterhin unter die Arme“, sagt er. Sowohl in den USA als auch in Europa seien die Verbraucher momentan die wichtigsten Stützen für das Wirtschaftswachstum. Ein weiterer Lichtblick ist dem Investmentexperten zufolge die lockere Geldpolitik der Notenbanken. In den USA senkten die obersten Währungshüter im Juli die Zinsen das erste Mal seit mehr als zehn Jahren. „Bildlich gesprochen geben die Zentralbanken der Weltwirtschaft aktuell eine lebenswichtige Spritze – und damit auch unseren Erwartungen, dass Aktien weiterhin ein größeres Potential besitzen als Anleihen“, sagt Andersen.
Er rechnet mit fünf weiteren Zinssenkungen von Seiten der Fed im kommenden Jahr. Es wäre neuer Treibstoff für die Aktienmärkte. Zugleich sollten Investoren den Anleihemarkt im Blick behalten. Denn die Unsicherheit bleibt – Rezession hin oder her – groß, und damit auch die Risiken. In Zeiten von Handelskriegen und anderen Konflikten seien Anleihen ein wichtiger Baustein in einem gut diversifizierten Portfolio, sagt der Anlageprofi.
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