RBC BlueBay AM: „Ein geteiltes Wahlergebnis könnte sich positiv auf die Aktienmärkte auswirken“

Jeremy Richardson, Senior Portfolio Manager bei RBC BlueBay Asset Management
US-Wahlen

Bei den US-Wahlen Anfang November sind vier Ergebnisse möglich: Die Republikaner oder die Demokraten gewinnen sowohl das Weiße Haus als auch den Kongress oder die Wahl ist geteilt und keine Partei kontrolliert beides.

21.10.2024 | 14:06 Uhr

Jeremy Richardson, Senior Portfolio Manager bei RBC BlueBay Asset Management, beurteilt die möglichen Szenarien mit Blick auf den Aktienmarkt wie folgt:

„Derzeit zeigen die nationalen Umfragen für keinen der Kandidaten einen Vorsprung, der über dem Prognosefehler liegt, so dass sich die Wahrscheinlichkeiten der vier Szenarien nicht wesentlich unterscheiden. Ein klares Ergebnis gibt der neuen Regierung die besten Chancen, ihre gesetzgeberische Agenda umzusetzen. Umgekehrt erschwert ein geteiltes Ergebnis die Verabschiedung umstrittener Gesetze. Da die Umfragewerte zwischen den Kandidaten und über alle vier Ergebnisse hinweg sehr nahe beieinander liegen, deutet dies auf eine Wahrscheinlichkeit von etwa 50 Prozent für ein moderates Ergebnis hin.

Ein solches Ergebnis sollte von den Aktienmärkten positiv aufgenommen werden. Anleger bewerten Aktien auf der Grundlage der erwarteten zukünftigen Gewinne, aber es ist schwierig, das Ausmaß und den Zeitpunkt dieser künftigen Gewinne vorherzusagen, wenn es viele Veränderungen gibt. Ein geteiltes Wahlergebnis, das zu einem moderaten Gesetzgebungsprogramm führt, dürfte weniger Veränderungen mit sich bringen als ein klarer Wahlsieg, was Anleger mit Blick auf künftige Gewinne positiv stimmen dürfte.

Steuern und Zölle: Wie könnte die Zukunft aussehen?

Dennoch könnte jede der beiden Parteien einen klaren Sieg erringen. Es gibt viele Unterschiede zwischen den Kandidaten und ihren Programmen, aber die Kapitalmärkte werden sich unweigerlich auf die Punkte konzentrieren, die erhebliche wirtschaftliche Auswirkungen haben. Diese lassen sich in drei Gruppen zusammenfassen:

  1. Körperschaftssteuer: Die Republikaner sind für die Beibehaltung der niedrigen Steuersätze, die Demokraten sprechen sich für Erhöhungen aus. Diese könnten die Gewinne in den USA um 5 bis 6 Prozent schmälern. Die derzeitigen Körperschaftssteuersätze, die vom ehemaligen Präsidenten Trump gesenkt wurden, laufen 2025 aus und werden wahrscheinlich nur verlängert, wenn die Republikaner sowohl im Weißen Haus als auch im Kongress die Oberhand behalten. Höhere Körperschaftssteuern scheinen noch nicht in die Bottom-up-Gewinnprognosen der Unternehmen eingeflossen zu sein.
  1. Zölle: Die Republikaner befürworten weitreichende Importzölle, die kurzfristig zu Preissteigerungen führen werden, bis die inländische Angebotsseite reagiert. Es ist unklar, inwieweit es sich bei der Zollpolitik um eine Verhandlungsposition oder eine feste Zusage handelt, so dass es schwierig ist, das Endergebnis vorherzusagen. Einige Branchen und Lieferketten könnten stärker betroffen sein als andere, und die Bemühungen der US-Notenbank, die Inflation auf ihr Ziel von 2 Prozent zurückzuführen, könnten erschwert werden. Die Zölle sind ein politisches Instrument, das durch einen Präsidialerlass umgesetzt wird, was bedeutet, dass ein republikanischer Präsident sie auch im Falle eines geteilten Wahlergebnisses umsetzen kann.
  1. Haushaltsdefizit: Keiner der Kandidaten hat eine Strategie für den Umgang mit dem Haushaltsdefizit vorgelegt. Derzeit akzeptieren die Kapitalmärkte die weitere Ausgabe von Schuldtiteln. Sollten die Ausgaben jedoch so weit in die Höhe schnellen, dass die USA Kredite aufnehmen müssen, um ihre Zinszahlungen zu leisten, würden die Zweifel der Märkte an der Tragfähigkeit der Verschuldung zunehmen und die Marktzinsen hochtreiben. Dies würde die Verfügbarkeit von Finanzierungsmitteln für Unternehmen nicht nur in den USA, sondern auch international beeinträchtigen und wäre angesichts der Markterwartungen niedrigerer Zinsen in den USA und Europa eine negative Überraschung.

Es ist wichtig, sich daran zu erinnern, dass nur die Wähler die Möglichkeit haben, zu äußern, was ihrer Meinung nach passieren sollte. Aktienmärkte und Anleger können nur in Betracht ziehen, was passieren könnte. Dies ist ein Ausdruck des Risikos, aber auch ein Risiko, auf das Anleger selbst reagieren können.

Für den Markt ist es wichtig zu wissen, dass Wahlen ein fester Bestandteil von Investments in Demokratien sind. Sie sind immer umstritten und es gibt immer Spekulationen über den Ausgang. Dies kann sich kurzfristig negativ auf das Vertrauen der Anleger auswirken, aber selten ist die politische Lage so klar wie am Tag nach der Wahl, wenn das Ergebnis feststeht. Zunehmende politische Klarheit und abnehmende Unsicherheit sind in der Regel positive Impulse für die Aktienmärkte. Ein umstrittenes Ergebnis wie im Jahr 2000 kann diese Dynamik jedoch schwächen und verzögern.

Anleger sollten sich auf das Wesentliche konzentrieren

Einige Anleger könnten versucht sein, ihre Ansichten darüber zu äußern, was passieren könnte oder sogar was passieren sollte, und auf der Grundlage von Meinungsumfragen oder politischen Bedenken Allokationen vorzunehmen. Wir dagegen sind uns bewusst, dass wir keinen Wettbewerbsvorteil haben, wenn es darum geht, den Ausgang von Wahlen vorherzusagen. Wir investieren in Unternehmen, wir sind keine politischen Experten. Wir halten es daher für eine schlechte Verwendung unseres Risikobudgets, der Politik aktive Risiken zuzuweisen, und behandeln sie eher als Risiko, das über ein Portfolio diversifiziert werden muss, denn als Gelegenheit.

Wir halten daher an einer ausgewogenen Portfoliostruktur über mehrere Sektoren hinweg fest, wobei der Großteil des aktiven Risikos aus aktienspezifischen Quellen stammt, was unserem fundamental orientierten Bottom-up-Ansatz entspricht. Wenn politische Maßnahmen zu Veränderungen innerhalb von Sektoren führen, beispielsweise bei Wachstumsraten oder Wettbewerbsvorteilen, werden wir unsere Research-Agenda und gegebenenfalls unsere Bottom-up-Bewertung der Fundamentaldaten anpassen. So veranlassen etwa zunehmende geopolitische Spannungen und drohende Zölle viele Unternehmen dazu, ihre Beschaffungsquellen näher an ihre Heimatstandorte zu verlagern. Dies wirkt sich auf unsere Einschätzung des Endmarktwachstums aus, das in unsere fundamentale Unternehmensbewertung einfließt. Daher bevorzugen wir Unternehmen, die die Fabrikautomation durchlaufen, während wir unser Engagement in Positionen, die im internationalen Handel engagiert sind, reduziert haben.“

Den vollständigen Kommentar in englischer Sprache entnehmen Sie bitte dem Anhang.

Diesen Beitrag teilen: