Das Japan-Comeback Teil 1: Die besten aktiven Fonds

Nippon erlebt eine Zeitenwende: das Ende der Null-Prozent-Welt. Jetzt sind Inflation und Zinsen wieder da und mit ihnen neue Rekorde am Aktienmarkt. Der Gipfelsturm geht weiter.

11.07.2024 | 07:00 Uhr von «Uli Kühn»

Lange waren japanische Aktien für Vermögensverwalter kein Thema. Doch zumindest in Asien ist Nippon heute wieder ziemlich in. Fast jeder zweite Portfoliomanager, den die Bank of America für ihren „Asia Fund Manager Survey“ befragte, hat Japan inzwischen übergewichtet. Kein Wunder angesichts der starken Show, die Japans Aktien seit Monaten bieten. Um mehr als 30 Prozent schoss der Nikkei allein seit November 2023 nach oben. Mitte März nahm Japans Leitindex dann endlich die magische 40 000-Punkte-Hürde, um kurz dar­auf auch noch ein neues Allzeithoch von knapp 41 000 Punkten zu markieren.

Quelle: Trading Economics

Jetzt legt die Börse im Tokioter Kabutocho-Viertel eine Verschnaufpause ein – bevor es weiter aufwärtsgehen dürfte. Für den Gipfelsturm gibt es nämlich einen triftigen Grund. „Nach jahrzehntelang fallenden Verbraucherpreisen erlebt Japan jetzt die Rückkehr der Inflation. Dadurch ist das Wachstumsrad wieder in Schwung gekommen, und genau darauf hat die Börse lange gewartet“, erklärt Japan-Expertin Lilian Haag, die für die Fondsgesellschaft DWS als Portfoliomanagerin seit 1999 in japanische Aktien investiert.

Japan verabschiedet sich aus der Null-Prozent-Welt, in der es weder Inflation noch Zinsen noch Gehaltserhöhungen gab, und betritt die neue Zwei-Prozent-Welt, in der Preise, Zinsen und Löhne wieder steigen. Es ist eine Zeitenwende. Die jüngsten Lohnerhöhungen sind die höchsten seit 33 Jahren, und es werden wohl nicht die letzten sein, denn praktisch in jeder Branche herrscht Arbeitskräftemangel. Der japanischen Zentralbank (Bank of Japan, BoJ) ist das mehr als recht. Schon im März beendete die BoJ ihre seit acht Jahren verfolgte Politik der Negativzinsen und der radikalen geldpolitischen Stimulierung.

Zinsen steigen

Offensichtlich geht die BoJ davon aus, dass die Inflation auch künftig in der Nähe ihres Inflationsziels von zwei Prozent bleiben wird. BoJ-Chef Kazuo Ueda deutete bereits Zinserhöhungen an. Lange wird er damit wohl nicht mehr warten. „Wir gehen davon aus, dass die BOJ im Juli oder später in diesem Jahr eine Zinserhöhung in Betracht ziehen wird“, sagt Greg Hirt, Global CIO Multi Asset bei Allianz Global Investors.

Japans Anleger werden deshalb umdenken müssen. Ihre bewährte Anlagestrategie wird künftig wohl nicht mehr funktionieren. In einer Welt mit fallenden Preisen ist Geld unter der Matratze eine feine Sache. In der neuen Zeit, mit steigenden Preisen und Zinsen, sollten Japans Sparer besser auf höher rentierende An­lageklassen wie Aktien setzen.

Davon sind sie noch weit entfernt. Mehr als die Hälfte des Finanzvermögens der Haushalte entfällt auf Bargeld- und Sichteinlagen bei Banken, während der Weltdurchschnitt bei weniger als 30 Prozent liegt. Japans institutionelle Investoren sind ähnlich defensiv positioniert. Investmentfonds haben in ihren Portfolios nur etwa 27 Prozent Aktien, berichtet Nicholas Smith, Japan-Stratege beim Investmenthaus CLSA. Pensionsfonds kommen nur auf neun Prozent. In den Vereinigten Staaten seien die Aktienquoten rund doppelt so hoch.

Die anstehenden Umschichtungen werden voraussichtlich Aktienkurse und Bewertungen anheben. Die Analysten von Morgan Stanley prognostizieren, dass das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) des Topix-Index von aktuell 17 bis Ende 2030 auf 20 bis 22 steigt. Doch selbst mit einem KGV von 22 wäre der japanische Aktienmarkt immer noch günstig, sowohl im Vergleich zu seiner eigenen Historie als auch zu anderen Börsen. Beim letzten Rekordhoch Ende 1989 waren japanische Aktien dreimal so hoch bewertet wie heute.

Weiter günstige Bewertung

Die Kursgewinne der vergangenen Monate haben die Bewertung der Aktien nicht wesentlich nach oben getrieben, denn schließlich steigen auch die Gewinne der Unternehmen. „Japans Aktien sind immer noch extrem günstig“, befindet deshalb CLSA-Stratege Smith. Vor allem im Vergleich zur US-Börse bleibt Nachholbedarf.

„Japanische Aktien sind im Vergleich zu ihrem Potenzial seit Jahrzehnten preiswert. Erst jetzt wird dieses Potenzial zunehmend realisiert“, sagt Carl Vine, seit 2019 Manager des M & G Japan Fund und des M & G Japan Smaller Companies Fund. Aus dem langen „Wenn … dann“ sei nun endlich Realität geworden. Glücklicherweise blieben noch einige Kapitel übrig: „Die Aktienkurse sind schon stark gestiegen, doch das ist noch nicht das Ende der Erfolgsgeschichte“, urteilt Vine.

DWS-Managerin Haag sieht das ähnlich. „Japan ist jetzt wieder eine echte Alternative zum amerikanischen und europäischen Aktienmarkt“, schwärmt die Portfoliomanagerin. In ihrem Fonds DWS ESG Top Asien stellen japanische Titel inzwischen fast die Hälfte des Portfolios.

Neue Kurspflege

Auch in Bezug auf Shareholder-Value, Dividenden und Kurspflege würden die japanischen Aktiengesellschaften immer besser, berichtet Japan-Kenner Smith. Schließlich schwämmen sie ja auch im Geld. Die Dividendenrendite am japanischen Aktienmarkt sei heute schon höher als in den USA, und jetzt würden Japans Konzerne auch noch massiv Aktien zurückkaufen. „Die Buybacks gehen durch die Decke“, berichtet der Marktkenner.

Dass einiges an Geld bei den japanischen Konzernen auf seinen Einsatz wartet, zeigt sich zudem an der wachsenden Zahl von Fusionen und Übernahmen. So will Nippon Steel seinen amerikanischen Konkurrenten US Steel übernehmen, der Halbleiterhersteller Renesas Electronics schließt gerade die Übernahme der australischen Altium ab. Schon vor mehr als einem Jahr kaufte der japanische Fertighausanbieter den US-Hausbauer MDC Holdings.

„Dabei handelt es sich um Transaktionen im Wert von mehreren Milliarden Dollar, die durch Schulden finanziert werden. Das zeigt, dass die Unternehmen strategisch darüber nachdenken, wie sie ihr Geschäft ausbauen können“, kommentiert June-Yon Kim, Lead-Portfolio Manager für japanische Aktien bei Lazard Asset Management. Bemerkenswert sei auch die deutliche Beschleunigung der Investitionsausgaben japanischer börsennotierter Unternehmen.

Besser als Nasdaq

Japan ist übrigens auch perfekt für alle, die den richtigen Einstiegszeitpunkt bei den US-Technologieaktien verpasst haben. Japans Technologieaktien sind nur etwa halb so hoch bewertet wie die der Nasdaq. Und auch wenn amerikanische Software- und Chiphersteller in vorderster Reihe stehen, gibt der KI-Boom vielen japanischen Unternehmen ebenfalls Rückenwind.

So hält etwa die japanische Investmentholding SoftBank 90 Prozent der Anteile am gut verdienenden Chipdesigner Arm. Tokyo Electron und Advantest sind führende Ausrüster der Chiphersteller. Hitachi betreibt eine der größten industriellen KI-Plattformen der Welt.

Zudem sind japanische Unternehmen die führenden Lieferanten von Materialien, die bei der Chipherstellung verwendet werden. Fujifilm produziert etwa einen großen Teil der chemischen Mischung, die zum Polieren und Glätten der Oberfläche von Chips verwendet wird. Auch als Anbieter von Fotolack für den Fotolithografieprozess bei der Chipherstellung ist Fujifilm ganz vorn mit dabei, neben JSR und einigen anderen japanischen Unternehmen. Den Weltmarkt für Fotomasken, eine Art Master für den Druck der Chip-Leiterplatten, dominieren die japanischen Drucker Toppan und Dai Nippon Printing.

Wo Kenner zugreifen

Selbst unter japanischen Nebenwerten lassen sich leicht Perlen entdecken, versichert Small-Cap-Experte Vine. Dort sei es sogar noch einfacher als bei den Standardwerten, denn japanische Small Caps würden von Analysten und Investoren kaum beachtet. „Bei den Small Caps muss man nicht einmal cleverer sein als andere, denn oft ist man sowieso der Einzige, der hinschaut“, freut sich der Fondsmanager.

Dennoch wird der Japan-Kenner auch bei den Großen fündig. In seinem fast eine Milliarde Euro schweren M & G Japan Fund finden sich aktuell 49 Aktien mit hoher Marktkapitalisierung. Bei der Aktienauswahl setzt Vine auf Unternehmen mit starker Marktstellung und einer angemessenen Bewertung. Bei der Sektor­gewichtung weicht Vine allerdings nicht weit vom MSCI Japan ab. Lediglich bei zykli­schen Konsumgütern ist er aktuell spürbar übergewichtet. In den vergangenen Jahren konnte der Fonds jedoch den japanischen Gesamtmarkt deutlich hinter sich zurücklassen.

Etwas weniger ausgeprägt gelang dieses Kunststück auch Min Zeng, der seit 2022 den Fidelity Japan Value Fonds lenkt. Früher firmierte dieser Fonds unter dem Namen Fidelity Japan Advantage Fund. Sein Fokus liegt auf niedrig bewerteten, substanzstarken Unternehmen. Deep Value sucht man im Portfolio allerdings vergeblich. Dafür finden sich unter den aktuell rund 70 Positionen auch Titel wie Tokyo Electron, die sich durchaus dem Lager der Wachstumswerte zuordnen lassen.

Aktuell wittert Min in mehreren Ecken des japanischen Marktes Chancen. So schaut er sich unter anderem regionale japa­nische Banken an, die vom erwarteten Anstieg der kurzfristigen Zinsen profitieren dürften. Angesichts des begrenzten Spielraums für eine Yen-Aufwertung und der besseren globalen Konjunkturaussichten findet er auch exportorientierte Unternehmen attraktiv, ebenso wie zykli­sche Industriewerte aus Technologie, Fa­brikautomation und Automobilbau.

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