TiAM Fund Forum Hybrid 2022: Die Highlights vom Nachmittag
Gestern diskutierten Experten auf dem TiAM Fund Forum Hybrid in München über Herausforderungen und passende Investment-Strategien für die kommenden Monate. FundResearch berichtete bereits gestern live. Hier folgt der Bericht zum zweiten Teil der Veranstaltung.02.12.2022 | 11:30 Uhr von «Peter Gewalt»
Das TiAM Fund Forum Hybrid ist mit hochkarätigen Vorträgen am Vormittag furios gestartet. Nach der Mittagspause folgt ein weiteres Highlight der Veranstaltung: Herausgeber Frank-B. Werner und der renommierte Investmentexperte Leonhard „Lenny“ Fischer stellten die Frage „Eine Krise nach der anderen. Raus aus dem Euro?“ in den Mittelpunkt Ihrer Diskussion. Fischer nimmt bei seinen Antworten kein Blatt vor den Mund. „Ich halte den Euro für einen Fehler.“ Doch für ein Ende des Euro plädiert Fischer deshalb noch lange nicht. Im Gegenteil: Er ist sogar ein Verfechter einer stärkeren Integration der europäischen Währungsunion inklusive Bankenunion. Seine Begründung: Eine Rückabwicklung des Euro sei bei seiner Einführung nicht vorhergesehen gewesen und daher auch nicht möglich, ohne dass immense volkswirtschaftliche Kosten entstehen würden. Ein Ende des Euro würde seiner Meinung nach daher zu einer Dekade mit katastrophalen Verwerfungen führen. „Die Schiffe zur Rückkehr ins alte System sind alle versenkt.“
Doch die Einheitswährung war an diesem Nachmittag nur ein Thema unter vielen. Ob Notenbankpolitik, Inflation oder Energiekrise, Fischer fesselte die Hörer in der kurzweiligen Diskussion mit klaren und teils überraschenden Aussagen. So favorisiert er bei Altersvorsorge das klassische Umlagesystem, allerdings in einer reformierten Form, die den Bürgern eine Grundsicherung wie etwa in der Schweiz gewährleistet. Dass in den kommenden Jahren Vermögensverluste auf die Bürger zukommen, sei dadurch aber nicht zu verhindern. Vermögenskonflikte wären daher vorprogrammiert. Eine Frage durfte an diesem Tag selbstverständlich nicht fehlen: Wie sollten sich Anleger in diesem komplizierten Umfeld am besten positionieren? Auch hier eine klare Antwort von Fischer: Man sollte sein Vermögen möglichst breit und international streuen. Damit könne man zwar positive Renditen erzielen, aber es werde kaum möglich sein, die Inflationsraten zu schlagen.
Erick Mullervon Muzinich, hebt in seinem Vortrag „Income is Back – Enjoy it!“ anschließend hervor, dass Anleger am Anleihemarkt wieder Spaß haben könnten, da dort nach einer Dürrephase endlich wieder Renditechancen zu entdecken sind. Grund: Eine Kombination aus Inflationsdruck, einem abrupten Rohstoff-/Energieschock und einer veränderten Geldpolitik der Zentralbanken habe dazu geführt, dass die Märkte für festverzinsliche Wertpapiere eine der größten Korrekturen aller Zeiten erlebt haben. Nach diesem erheblichen Ausverkauf an den Kreditmärkten haben die Renditen ein Niveau erreicht, das seiner Meinung nach die Anleger vor künftigen Schwankungen schützen und gleichzeitig einen attraktiven Einkommensstrom bieten sollte. Die deutliche Ausweitung der Spreads bei Investment-Grade- und Hochzinsanleihen habe die Prämien gegenüber Staatsanleihen erhöht. Attraktive Bewertungen böten insbesondere europäische Investment-Grade-Anleihen aber auch globale High-Yield-Papiere.
Und es sei trotz der wirtschaftlichen Eintrübung unwahrscheinlich, dass es zu ähnlichen Ausfallraten wie in früheren Rezessionszyklen komme, da der Refinanzierungsbedarf im Jahr 2021 weitgehend gedeckt wurde. Zudem seien die Bilanzen der Hochzins-Unternehmen nach den Maßnahmen im Anschluss an die Covid-Krise deutlich stärker. Auch die Energiepreise seien hoch, was verhindern dürfte, dass Energieunternehmen wie in früheren Abschwüngen zu Zahlungsausfällen beitragen.
Sven Lehmann, CFO und Vorstand von green benefit, führt die anwesenden Vermögensverwalter und Finanzberater in das sehr aktuelle Thema „Zeitenwende in der Energiepolitik!? Welche Technologien werden benötigt?“ ein. Lehman weist zu Beginn insbesondere auf die ehrgeizigen Klimaschutzziele der EU und der USA hin, um das enorme Potenzial des Sektors der erneuerbaren Energie aufzuzeigen. Allein die Vereinigten Staaten würden ihren CO2-Ausstoß bis 2030 um 41 Prozent reduzieren wollen und hierfür 369 Milliarden US-Dollar in die Hand nehmen. Dies sei eines der größten Klimaschutzprogramme in der Geschichte der Menschheit. Weltweit nehme der Ausbau grüner Energie stark zu, betonte Lehman, wobei Asien inzwischen zum Vorreiter aufgestiegen sei.
Sehr optimistisch zeigte sich Lehman aber nicht nur für die Unternehmen, die im Solar- und Energiebereich agierten, sondern auch für die, die sich in der Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnik engagieren. Dies sei ein Sektor, der in den kommenden Jahren kräftig wachsen werde, da es immer mehr Anwendungsbereiche vor allem im Transportwesen gebe und die Herstellungskosten zudem deutlich sinken, so Lehmann. Studien zu Folge könnte der globale Markt für grünen Wasserstoff von 2,1 Milliarden US-Dollar im Jahr 2021 auf knapp 136 Milliarden US-Dollar im Jahr 2031 klettern. Dies entspräche einer durchschnittlichen Wachstumsrate von 51,6 Prozent im Jahr. Gute Aussichten daher für Unternehmen wie den US-amerikanischen Brennstoffzellenhersteller Plug Power, dessen Umsatzprognose ebenfalls beeindruckende Wachstumsraten aufweist.
Florian Töpfl, Equity Specialist bei UBS, analysiert danach in seinem Vortrag „Healthcare ist hier, um zu bleiben – ein langfristiger Trend mit strukturellen Wachstumschancen“ die Aussichten des globalen Gesundheitssektors. Immer noch sei die Branche trotz ihres hohen Anteils im globalen Anlageuniversum MSCI World unter dem Radar vieler Investoren, so Töpfl. Ein Fehler, denn einerseits böte der Sektor defensive Qualitäten, da die Unternehmensgewinne der Health Care-Unternehmen deutlich weniger vom Wirtschaftszyklus abhängig seien als andere Branchen. Andererseits würden Gesundheitsgefahren wie Covid, der demografische Wandel weltweit, ein veränderter Lebensstil der Menschen sowie der wachsende Gesundheitssektor in den Schwellenländern die Nachfrage nach Health Care-Leistungen in den kommenden Jahren stark antreiben.
Gleichzeitig lege das Leistungsangebot der Branche durch Innovationen etwa durch die enormen Fortschritte bei der Miniaturisierung und Vernetzung zu. Rückenwind erwartet Töpfl auch aus dem Bereich Fusionen und Übernahmen. So werde sich die Konsolidierung im gesamten Sektor fortsetzen, was dazu beitrage, dass Kapital von großen, etablierten Unternehmen in kleinere, innovative Firmen fließt. Damit würde der Innovationszyklus weiter angekurbelt. Aber auch die Bewertungen der Health-Care-Unternehmen wären sowohl im historischen Kontext als auch im Vergleich zum Gesamtmarkt attraktiv. Ein Auge hat Töpfl insbesondere auf kleine und mittelgroße Health-Care-Firmen geworfen. Diese böten historisch gesehen die höheren Wachstumschancen.
Den furiosen Schlusspunkt der Veranstaltung setzt Prof. Dr. Fritz Vahrenholt mit seinem Vortrag „Die Große Energiekrise- und wie wir sie bewältigen können.“ Als Aufsichtsratsvorsitzender der Aurubis AG, des größten europäischen Kupferherstellers, sowie als Aufsichtsrat der Encavis AG, einer der größten Investoren in Erneuerbare Energien, ist Vahrenholt ein ausgewiesener Kenner der Szene. So führt er detailliert aus, wie es seiner Meinung nach zur aktuellen Energiekrise in Deutschland mit den Versorgungsengpässen und dem Überschießen der Preise kommen konnte. Er betonte, dass nicht der Ukrainekrieg der Auslöser der jetzigen Situation, sondern nur ein Trendverstärker gewesen sei. Denn die Strom- und Gaspreise hätten sich an der Energiebörse schon seit dem Jahr 2021 deutlich nach oben bewegt. Die Verteuerung von Strom und Gas sei politisch gewollt, da in Europa jedes Jahr weniger CO2-Zertifikate ausgegeben werden, das habe die Strompreise auf Kosten der Unternehmen und der Verbraucher kräftig steigen lassen. Daneben sei das Angebot an Energie bewusst durch das Abschalten von Kohl- und Kernkraftwerken verknappt worden. Seit Russland den Gashahn zugedreht habe, stelle sich die Frage, woher das fehlende Gas künftig kommen solle. Die Bundesregierung könne nicht langfristig auf das Fracking-Gas aus den USA bauen, so Vahrenholt, da absehbar sei, dass die dortige Produktion zurückgehen werde.
Dabei gäbe es eine naheliegende Alternative, denn in Niedersachsen, Sachsen-Anhalt und in Brandenburg liegen riesige Schiefergasvorkommen. Würde man diese nutzen, könnte sich Deutschland für die nächsten zwanzig bis vierzig Jahre unabhängig von Gasimporten machen. Vahrenholt nutzte das Podium zudem zu einer Generalabrechnung mit der deutschen Energiewende. Dabei kritisierte er insbesondere die ideologisch motivierten Lösungsansätze der Berliner Politik scharf, die dem Weltklima kaum nützen aber der deutschen Industrie schweren Schaden zufügen würden.
Alle Vorträge als Video-Stream
Finanzprofis, die an der Veranstaltung in München teilnahmen, konnten alle Redner live erleben und vor Ort mit ihnen diskutieren. Wer das TiAM Fund Forum Hybrid 2022 verpasst hat, kann die Vorträge nun online ansehen. Alle Vorträge, Präsentationen, die Beiträge der Gastredner sowie die Podiumsdiskussion mit Frank-B. Werner und Lenny Fischer sind ab sofort auf dem Youtube-Kanal von FundReserch TV verfügbar. Am besten sofort hier klicken und streamen…