US-Unternehmen – der Fels in der Brandung

Konjunkturdaten in den USA geben Grund für Optimismus. Firmen bauen Schulden ab.

25.06.2012 | 12:58 Uhr von «Patrick Daum»

Die Schlagzeilen der vergangenen Monate wurden dominiert von Krisenmeldungen: Konflikte im Nahen Osten, Reaktorunglück in Fukushima, Anhebung der US-Schuldengrenze, Kreditherabstufung der USA durch Standard & Poors und die Zuspitzung der europäischen Schuldenkrise. Untergegangen ist dabei, dass US-Unternehmen, abgesehen vom Finanzsektor, im Gegensatz zu Staat und Kommunen ihre Schulden in den vergangenen zehn Jahren nahezu konstant hielten, beziehungsweise nach der Finanzkrise sogar abbauten. Das geht aus einer aktuellen Studie von Allianz Global Investors hervor. Ein Blick auf die volkswirtschaftlichen Sektoren zeige, dass die Verschuldung von Staat und Kommunen in Relation zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) seit 2002 zwar von ca. 50 Prozent auf knapp 100 Prozent bis Ende 2011 gestiegen sei. Die Verschuldungsquote der Unternehmen habe sich mit aktuell rund 70 Prozent aber kaum verändert. Sogar der Finanzsektor und die privaten Haushalte schafften der Studie zufolge – in Relation zum BIP – einen Abbau der Schulden.

Schulden sind ein Thema des Staates und weniger der Unternehmen

Quelle: Datastream, Allianz Global Investors Kapitalmarktanalyse

„Ein Blick auf die Bilanzen der US-Unternehmen zeigt, dass sie in Summe über reichlich liquide Mittel verfügen“, sagt Dennis Nacken, Autor der Studie. Der Netto-Cashflow der US-Konzerne betrage in Relation zum BIP derzeit über zwölf Prozent. In den 1980er- und 1990er-Jahren sowie im Zuge der Finanzkrise sei dieser Anteil mit sechs bis acht Prozent deutlich niedriger gewesen. Durch diese Liquidität könnten sich die Unternehmen gegen Widrigkeiten wappnen und sie für Ausschüttungen an ihre Aktionäre oder für Akquisitionen nutzen. „Die US-Unternehmen scheinen ihre Hausaufgaben gemacht zu haben, es fehlt nur noch ein wenig Rückenwind von der US-Wirtschaft“, kommentiert Nacken.

Diesen Rückenwind meint der Autor aber erkennen zu können. Ungestört von den internationalen Krisen befände sich die US-Wirtschaft auf einem leicht ansteigenden Wachstumspfad. Dafür sprächen nicht nur diverse Stimmungsindikatoren, die größtenteils Konjunkturoptimismus signalisierten, sondern auch die Zahlen zum Wirtschaftswachstum. Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum sei das BIP im ersten Quartal 2012 um 1,9 Prozent gestiegen. Für das Gesamtjahr werde ein BIP-Wachstum von 2,5 Prozent erwartet: „Auch die Industrieproduktion und die Kapazitätenauslastung der Unternehmen setzen ihren Wachstumskurs fort, wenngleich Letztere immer noch rund ein Prozent unter ihrem langjährigen Durchschnitt (1972 bis 2011) liegt“, so Nacken. Im Zuge der Wirtschaftserholung habe sich auch die Lage am Arbeitsmarkt entspannt, was zu einer Belebung des Konsums führen könne.

Die Liquidität der US-Unternehmen steigt

Quelle: Datastream, Allianz Global Investors Kapitalmarktanalyse

Trotz der insgesamt guten Daten, warnt Nacken vor zu viel Optimismus: „Der Weg zurück zum langjährigen Trendwachstum der US-Wirtschaft (ca. 3,5 Prozent) wird wohl noch eine gewisse Zeit in Anspruch nehmen. Dafür sind die Arbeitslosenquote von derzeit 8,2 Prozent und die US-Staatsschuldenquote in Relation zum BIP von ca. 100 Prozent zu hoch.“ Daher dürfte nach den Präsidentschaftswahlen im Herbst die Aufmerksamkeit auf die Haushaltskonsolidierung im kommenden Jahr gerichtet sein.

US-Konzerne profitierten stärker von der Globalisierung als ihre internationalen Konkurrenten und seien längst nicht mehr nur von der US-Konjunktur abhängig: „Dank einer Exportquote der S&P-500-Mitglieder von über 40 Prozent profitierten die US-Unternehmen in den letzten Jahren vor allem von dem Aufschwung in den Wachstumsländern“, erläutert Nacken. Dadurch, und durch Kostensenkungsmaßnahmen nach der Finanzkrise, hätten die indexgewichteten Konzerngewinne des S&P 500 im Jahr 2011 auf ein Rekordniveau klettern können und werden nach Analysteneinschätzungen im laufenden Jahr die Marke von 100 überschreiten.

Wichtiger als die konjunkturellen Perspektiven schätzt Nacken die strukturellen Faktoren der US-Wirtschaft ein: „Zum Beispiel nehmen die USA im globalen Wettbewerbsfähigkeitsindex des Weltwirtschaftsforums erneut einen Platz unter den Top 5 ein.“ Insbesondere hinsichtlich der Effizienz der Güter- und Arbeitsmärkte sowie ihrer hohen Innovationstätigkeit schreibt die Studie den USA nach wie vor eine hervorragende Wettbewerbsfähigkeit zu. „Wenn man zum Horizont schaut, lassen gerade die strukturellen Faktoren den Wirtschaftsraum und die Unternehmen der USA attraktiv erscheinen“, folgert Nacken. „Faktoren, die bei einer reinen Betrachtung der laufenden Konjunktureinschätzungen und der Debatte um die hohen Staatsverschuldungen der Industrieländer schnell in Vergessenheit geraten.“

(PD)


Diesen Beitrag teilen: