„Verkaufsdisziplin ist unser Risikomanagement-Tool“

FundResearch sprach exklusiv mit UBS-Fondsmanager Stephen Derkash über die Lage der Schwellenländer, die Vorteile von Small Caps und die Strategie seines Fonds.

16.07.2013 | 06:45 Uhr von «Patrick Daum»

FundResearch: Herr Derkash, mit Ihrem Fonds UBS Emerging Markets Small Cap (ISIN: LU0727654609) setzen Sie auf kleine Unternehmen in den Schwellenländern. Was antworten Sie Kritikern die sagen: „In den Schwellenländern sollte man an großen globalen Unternehmen festhalten. Alles andere ist zu riskant.“

Stephen Derkash: Wer ausschließlich in die großen globalen Schwellenländer-Konzerne investiert, verpasst den wichtigsten Grund der heutigen Emerging-Markets-Anlage: Zugang zum schnell steigenden einheimischen Nachfragewachstum. Wir definieren „Small Caps“ als Unternehmen mit einer Marktkapitalisierung von weniger als fünf Milliarden US-Dollar. Diese Unternehmen sind nahezu vollständig fokussiert auf ihre lokalen, heimischen Märkte – anders als die Large Caps der Schwellenländer, bei denen es sich meist um große Exporteure oder globale Energie- oder Rohstoffkonzerne handelt. Wie haben die MSCI EM Small Cap Benchmark mit der MSCI EM Standard Benchmark verglichen und fanden heraus, dass durchschnittlich 91 Prozent der Einnahmen in den Top-10-Aktien des Small-Cap-Index aus dem heimischen Markt stammen. Die Top-10-Unternehmen des Standard-Index kommen nur auf 58 Prozent. Außerdem befinden sich viele der größten Unternehmen des MSCI EM Standard Index in Staatsbesitz und sind aus Investorensicht daher nicht sonderlich attraktiv. Gazprom beispielsweise ist ein staatlicher russischer Gaskonzern, der lediglich 30 Prozent seiner Gewinne in Russland erwirtschaftet. Der brasilianische Eisenerz-Exporteur Vale generiert nur 18 Prozent seiner Einnahmen in Brasilien. Das sind nur zwei Beispiele von vielen, bei denen Verkäufe in die entwickelte Welt die wichtigsten Treiber sind.

FundResearch: Gazprom ist eine Schwellenland-Aktie?

Stephen Derkash: Diese Konzerne gelten als Schwellenländer-Unternehmen, da sie dort beheimatet sind. Die Realität ist aber, dass die globale Nachfrage ihr Geschäft viel stärker antreibt als es bei der lokalen heimischen Nachfrage der Fall ist. Daher glauben wir, dass MSCI die EM Small Cap Benchmark zum Teil für Investoren kreierte, die das Schwellenländer-Universum stärker zergliedern wollen und besseren Zugang zum reinen heimischen Nachfragewachstum anstreben.

FundResearch: Aber riskanter sind die Small Caps doch – lohnt sich da auch die Outperformance?

Stephen Derkash: In Bezug auf das Risiko (gemessen an zehnjähriger Standardabweichung der Rendite bis Ende Dezember 2012) ist interessant zu sehen, dass es im MSCI EM Small Caps nur leicht höher ist als im Standard Index (25,9 vs. 24,1). Wir glauben, dass sich Investoren mit diesem leicht höheren Risiko abgefunden haben, als die Renditen des MSCI EM Small Caps über ein, fünf und zehn Jahre (bis Dezember 2012) den MSCI EM Standard Index, den MSCI EAFE Index, den MSCI EAFE Small Cap und den MSCI World ausperformt haben. Auch aktuell (Ende Juni 2012) zeigt der EM Small Cap Index eine Outperformance von etwa neun Prozent gegenüber dem MSCI EM Standard Index.

FundResearch: Wie bewerten Sie die generelle Lage der Schwellenländer? Viele Experten haben schon den Abgesang auf sie eingestimmt – speziell auf die BRICs. Ist die Story tatsächlich zu Ende erzählt?

Stephen Derkash: Einigen Schwellenländer (speziell die BRICs) bläst ein zyklischer Gegenwind ins Gesicht. Aber wir glauben, dass die strukturelle langfristige Wachstumsstory der Schwellenländer in Takt ist. Darüber hinaus fangen die Bewertungen der Schwellenländer an, den Investmentprozess dort sehr verlockend zu machen. Viele der strukturellen Wachstumstreiber bleiben in Kraft und neue entwickeln sich. Während sich das Wachstumsmodell für einige Emerging Markets von einem exportgetriebenen hin zu einem stärker binnenkonsumbasierten entwickelt, denken wir, dass das gesamte Wachstum weiter stark bleiben wird.

FundResearch: Glauben Sie, dass der Binnenkonsum in diesen Ländern weiter treibt?

Stephen Derkash: Der Binnenkonsum ist ein Thema, das uns weiterhin sehr begeistert. Über die nächsten zwei Dekaden wird ein massives Wachstum des Mittelstands in den Schwellenländern erwartet: Von rund 300 Millionen Haushalten in 2005 zu fast 1,9 Milliarden im Jahr 2030 – fast sechsmal so viel wie derzeit in den USA. Der Konsumanteil am BIP bleibt in vielen Ländern sehr gering und Verbraucher sind nicht durch Schulden belastet wie in vielen Teilen der entwickelten Welt. Zinssätze und Anleiherenditen sind in vielen Ländern noch immer nahe ihrer Allzeittiefs (trotz der jüngsten Turbulenzen auf den globalen und Emerging Markets Fixed Income Märkten). Das ermöglicht vielen Verbraucher bezahlbare Kredite aufzunehmen. Sie gehen in die Mittelschicht der Schwellenländer und steigern den Konsum von Elektronikgeräten, Versicherungsprodukten, Nahrungsmitteln oder Freizeitartikeln. Das alles sind Wachstumsmärkte, in denen wir investiert sind.

FundResearch: Die Benchmark Ihres Fonds ist der MSCI Emerging Markets Small Caps. Im Juni stufte Index-Anbieter MSCI Griechenland in den MSCI Emerging Markets Index ab. Wie bewerten Sie diesen Schritt?

Stephen Derkash: Es ist eine interessante Entwicklung, das erste Land zu sehen, das jemals vom Industriestaat zum Schwellenland zurückgestuft wurde. Ich glaube aber nicht, dass Griechenland sehr ausschlaggebend für Investitionen in den Emerging Markets sein wird. Das Land wird nur ein geringes Gewicht im Index haben. Es passt nicht zu den typischen wachstumsstarken Schwellenländern mit einer ansteigen Mittelschicht. Viele Emerging Markets haben eine junge Bevölkerung, eine vorteilhafte demografische Entwicklung, schnell  anwachsende Lebensstandards und so weiter. Griechenland hat eine relativ alte Bevölkerung (das Durchschnittalter liegt bei 43 Jahren, in den USA sind es 37, in Frankreich 40 und in Japan 46 Jahre). Die Lebensstandards fallen, sie steigen nicht. Und im Gegensatz zu den meisten Schwellenländern, die große Produktions- und Agrarsektoren haben, machen Dienstleistungen 80 Prozent von Griechenlands Wirtschaft aus.

FundResearch: Also ist Griechenland kein Land für Sie zum Investieren?

Stephen Derkash: Wir sehen Griechenland nicht als strukturell attraktiven Investitionsstandort. Wir sind opportunistische Stock-Picker und unser Prozess ist im Wesentlichen Bottom-Up-getrieben (mit einer Top-Down-Überlagerung). Natürlich schauen wir uns interessante Investments in Griechenland an, wenn es im kommenden Jahr offiziell Teil der Schwellenländer wird. Wir erkennen im Moment aber keine langfristigen Wachstumschancen.

FundResearch: Ist Ihre Länderallokation generell Top-Down-getrieben oder das Resultat einer Bottom-Up-Analyse?

Stephen Derkash: Die Emerging Markets Small Cap Strategie ist aktiv gemanagt und nutzt die Bottom-Up Aktienselektion. Das erlaubt uns, aktive Wertpapierpositionen zu halten, die unsere Überzeugungen widerspiegeln. Länder- und Sektorgewichtungen treffen wir im Team. Unser Research zeigt, dass etwa 50 Prozent der Erträge von Schwellenländeraktien auf aktienspezifische Faktoren zurückzuführen ist: 30 Prozent auf den Länderfaktor und 20 Prozent auf den Sektorfaktor. Wir haben zudem einen Makro-Top-Down-Prozess, der uns hilft, die Größenordnung unserer Über- oder Untergewichtungen auf Länderebene zu ermitteln.

FundResearch: Worin besteht der hauptsächliche Unterschied zwischen Ihrem Investmentprozess und dem eines „typischen“ EM-Fonds?

Stephen Derkash: Einige Dinge unterscheiden sich und machen unseren Prozess einzigartig. Viele unserer Kunden nutzen uns als „Alpha Generator“. Wir betrachten uns selbst als wahre Stock-Picker, versuchen „High Conviction Calls“ zu entwickeln und vermarkten unseren Research Prozess und unsere Erfahrung. Wir suchen gut geführte Unternehmen mit zunehmendem Ertragswachstum, die unserem Erachten nach vom Markt unterschätzt sowie nachhaltig sind und erkennbar positive fundamentale Veränderungen aufweisen. Wir lieben es, in Emerging Market Small Caps zu investieren, weil es so viele exzellente Beispiele von schnell wachsenden Unternehmen gibt, die viele Anleger noch nicht kennen. Der Markt ist in diesem Bereich noch nicht so effizient und wir versuchen einen Vorteil aus den sich dadurch bietenden Möglichkeiten zu ziehen. Viele dieser Unternehmen sind Marktführer mit vorzüglichen Kapitalerträgen und einer soliden Unternehmensführung.

FundResearch: Wieviele Unternehmen haben Sie tatsächlich im Fokus?

Stephen Derkash: Ein Fundamentalresearch ist die Grundlage unserer Investmententscheidungen und unser Team wendet einen Prozess an, der unserer Ansicht nach wiederholbar ist. Er umfasst einen Mix aus Unternehmensbesuchen, sowohl quantitativen und qualitativen Werten als auch historisches und künftig erwartetes Wachstum, Ausweitung der Margen, Verschuldungsgrade, Generierung von freien Cash-Flows und Bewertung. Wir nutzen außerdem einen urheberrechtlich geschützten Prozess zum Screening einzelner Titel. Der hilft uns, das investierbare Universum von ca. 2.500 Aktien auf 300 einzukreisen. Wir können damit schnell Unternehmen identifizieren, die eine Wahrscheinlichkeit auf Wachstumsbeschleunigung und positiven fundamentalen Veränderungen haben. Danach starten wir mit unserem Fundamentalresearch und dem Titelselektionsprozess.

FundResearch: Wann verkaufen Sie Unternehmen?

 Stephen Derkash: Wir haben eine besondere Verkaufsdisziplin entwickelt, die wir als Risikomanagement-Tool nutzen. Ich denke, das ist ein Unterschied zu vielen anderen Fonds. Aktien, die wir als Verkaufskandidaten betrachten, fallen typischerweise in eine von vier Kategorien:

1. Eine Veränderung der Investment-These

2. Eine bessere Anlagemöglichkeit wurde woanders identifiziert

3. Das Unternehmen durchlebt verschlechterte finanzielle oder fundamentale Faktoren

4. Dieser Punkt zeichnet die Einzigartigkeit des Prozesses aus: Wir verkaufen eine Aktie aus Gründen der Risikokontrolle, wenn sie über einen erweiterten Zeitraum ihre Benchmark, ihr Land und ihren Sektor unterperformt. Wir pflegen einen „bescheidenen“ Betrachtungsansatz des Marktes und glauben an seine langfristige Effizienz. Wenn eine Aktie ihre Unterperformance zu Benchmark, Land und Sektor fortsetzt, sehen wir dies als Zeichen, dass bestimmte unternehmensspezifische Faktoren die Aktie wahrscheinlich unter Druck setzen. Sollte unser Research es nicht schaffen, den Grund dafür aufzudecken und die Aktie läuft weiter schlecht, dann verkaufen wir sie. Das schützt uns davor, uns in einen Namen zu verlieben, in den wir viel Research-Zeit hineingesteckt haben. Wir nutzen diese Verkaufsdisziplin als Risikokontroll-Maßstab.

FundResearch: Gibt es irgendwelche Einschränkungen bezüglich Benchmark für Regionen, Länder oder Sektoren?

Stephen Derkash: Die einzige verbindliche Beschränkung ist, dass wir auf der Länderebene nicht mehr als plus/minus 15 Prozent zur Benchmark liegen dürfen. Sektorbeschränkungen haben wir nicht, aber versuchen, nicht zu viele extrem große Sektoren oder Länderwetten zu halten. Wir ziehen es vor, unser Stock-Picking den Alpha-Generierungsprozess treiben zu lassen. Wir glauben, dass uns Investitionen in EM Small Caps erlauben, die Ineffizienzen und Aktienertragsstreuungen in der Assetklasse zu nutzen. Gute aktive Manager, die erfolgreiche Stock-Picker sind, sollten sich bei den EM Small Caps wohl fühlen.

FundResearch: Seit Auflegung ihres Fonds hat sich sein Wert bis Ende April 2013 um etwa 30 Prozent gesteigert. In der ersten Junihälfte verlor er jedoch mehr als neun Prozent. Haben Sie das erwartet? Was ist passiert?

Stephen Derkash: Wir waren vom Ausmaß der plötzlichen und signifikanten makrogetriebenen Verkäufe, die im Juni weltweit auftraten, überrascht. EM Small Caps und unser Fonds waren benachteiligt. Während wir begonnen hatten das Risiko zu reduzieren, erkannten wir, dass die Märkte übermäßig „überfüllt“ waren und zu hoch bewertet wurden. Wir erwarteten keine solch plötzliche und breite Verlagerung quer durch Währungen, Unternehmensanleihen, Aktien und Rentenmärkte. Wir glauben, dass die Marktstörung ein Ergebnis der sich ändernden Auffassung über das Quantitative Easing (QE) der US-Notenbank Fed ist. Die Rentenmärkte erleben plötzlich historische Rückkäufe und Verluste. Bernankes Andeutungen, dass das QE enden könnte, bevor die Arbeitsmarkt- und Inflationsziele der Fed erreicht sind, haben sich als verheerend für Anleiheinvestoren herausgestellt. Die Widerrufe haben zu historischen Rückgang von Anleihe-Flows und –Erträgen geführt. Rentenfonds sind auf dem Weg, Rekordabflüsse von 20 Milliarden US-Dollar innerhalb einer Woche zu verzeichnen. Noch erheblicher ist, dass US-Staatsanleihen auf dem Weg sind, ihr schlechtestes Jahresergebnis sei 1978 einzufahren, Investment-Grade-Anleihen sogar seit 1973. Dieser Ausverkauf bei Anleihen erhöht das globale Risiko und Schwellenländerwährungen sowie Aktien müssen ebenfalls Rückschläge hinnehmen. Trotz dieser Störung oder „Magenverstimmung“ glauben wir aber, dass Aktienmärkte und EM Small Caps wieder ansteigen und von der Normalisierung des Wachstums, der Kurse und der Politik profitieren werden. Wir erkennen, dass das voraussichtliche Ende des größten Rentenmarkts in der Geschichte mit einem Anstieg an Volatilität durch alle Assetklassen einhergehen wird. Für Schwellenländeraktien und EM Small Caps bleiben wir aber optimistisch, denn sie legen ihren besonderen Fokus auf das schnelle Wachstum der Binnennachfrage in den Emerging Markets.

FundResearch: Ihr Fonds hat ein Volumen von 4,8 Millionen Euro. Das ist sehr wenig. Wird er aktiv vertrieben? Welches Wachstum erwarten Sie in den kommenden zwölf Monaten?

Stephen Derkash: Ja, wir haben begonnen, den Fonds aktiv zu vertreiben. Im letzten Monat verkaufte ich den Fonds an institutionelle Investoren in Deutschland, Schweden, der Schweiz und den USA. Kürzlich konnte ich ihn auch in Japan und einigen anderen asiatischen Staaten vertreiben. Die Reaktionen, die wir erhalten haben, waren extrem positiv und wir glauben, dass Investoren Allokationen am Fonds und der Assetklasse ernsthaft in Betracht ziehen. Es ist schwierig vorherzusagen, welches Wachstum wir erwarten. Wir sind in Gesprächen mit einigen möglichen Investoren, wodurch die verwalteten Assets des Fonds signifikant steigen könnten.

FundResearch: Welche Art von Anlegern suchen Sie für Ihren Fonds? Wer sollte investieren?

Stephen Derkash: Jeder der auf der Suche nach Schwellenländer-Exposure ist, ist bei den EM Small Caps und in diesem Fonds gut aufgehoben. Wie bereits erwähnt bieten die Small Caps bessere historische Erträge als Large Caps mit etwa dem gleichen Risiko. Unserer Ansicht nach bereiten Small Caps den besten Weg, um von den wachsenden Binnennachfragemärkten in den Emerging Markets zu partizipieren. Wir glauben außerdem, dass die EM Small Caps prädestiniert sind für ein aktives Management. Die großen Ineffizienzen und Aktienrenditestreuungen machen sie zu einer attraktiven Assetklasse für erfahrene Stock-Picker. Unser Team hat eine lange und erfolgreiche Geschichte bei Investitionen in Emerging Markets (seit 2005 managen wir einen größeren 1,5 Milliarden US-Dollar EM-Fonds) und  bei Small Caps (wir managen einen ex US Small Cap Fonds mit einem zwölfjährigen Track Record, der jährliche Überschussrenditen von durchschnittlich sechs Prozent seit Auflegung generiert).

(PD)

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