Weltweite Insolvenzen dürften 2020 um 20 Prozent steigen
Die Coronapandemie hinterlässt bei der Weltwirtschaft tiefe Spuren. Das dürfte nach Einschätzung des weltweit führenden Kreditversicherers Euler Hermes zu einer tiefen Rezession bei Welthandel und Weltwirtschaft führen – und in der Folge zu einer weltweiten Pleitewelle.12.05.2020 | 11:10 Uhr von «Jörn Kränicke»
Global dürften die Insolvenzen 2020 damit zum vierten Mal in Folge
steigen – allerdings mit einem Zuwachs von 20 Prozent in bisher ungekanntem Ausmaß. Im
Vergleich: 2019 lag der Zuwachs noch bei acht Prozent. Beim Welthandel drohen Verluste von 3,5 Billionen US-Dollar. Das bedeutet einen Verlust beim Volumen der gehandelten Waren und Dienstleistungen von 15 Prozent,
beim Wert der Waren ist der Rückschlag mit 20 Prozent sogar noch größer. Das
weltweite Bruttoinlandsprodukt (BIP) steckt durch die Coronapandemie
mit einem Rückgang von voraussichtlich 3,3 Prozent in der größten Rezession seit dem 2.
Weltkrieg.
2020 versprach ein eher ruhiges Jahr zu werden – doch dann kam Corona
„2020 versprach ursprünglich eigentlich ein eher ruhiges Jahr zu
werden", sagt Ludovic Subran, Chefvolkswirt von Allianz und Euler
Hermes. „Zwar mit einigen geopolitischen Unsicherheiten, einem weiterhin
schwelenden Handelskonflikt – aber auch mit einem zarten Wachstum bei
Welthandel und Weltwirtschaft. Ein Jahr des 'Durchmogelns'. Eigentlich.
Doch dann kam Corona. Ein schwarzer Schwan wie aus dem Lehrbuch – und
plötzlich war alles anders: Eine Hiobsbotschaft jagt die nächste, von
Exportkrise, über ein Beben an den Finanzmärkten, Ölpreisschock bis hin
zu einem praktisch weltweiten Konsumschock. 2020 bricht die
Weltwirtschaft nach unseren aktuellen Prognosen voraussichtlich doppelt
so stark ein wie in der Finanzkrise. Die Verluste sind so hoch wie die
Wirtschaftskraft (BIP) von Deutschland und Japan zusammen. Das
hinterlässt Spuren wie bei einem Meteoriteneinschlag, die nicht von
heute auf morgen wieder verschwinden."
Diese Entwicklung bleibt auch für die Unternehmen nicht folgenlos. Noch
nie gab es zeitgleich in so vielen Ländern und in so vielen Branchen
einen so heftigen Einbruch. Insofern ist es aktuell in den meisten
Fällen nicht möglich, alternative Abnehmer oder alternative Absatzmärkte
zu finden, um den Einbruch abzufedern.
Weltweit 20 Prozent mehr Pleiten für 2020 erwartet – in Europa 19 Prozent
„Auf die Unternehmen rollt weltweit eine regelrechte Pleitewelle zu",
sagt Ron van het Hof, CEO von Euler Hermes in Deutschland, Österreich
und der Schweiz. „Wir gehen weltweit 2020 aktuell von rund 20 Prozent mehr
Insolvenzen aus – damit ist der Anstieg mehr als drei Mal so hoch wie
vor der Coronapandemie erwartet (+6%). Neben den USA (+25%) ist
insbesondere Europa im Auge des Sturms (+19%). In dieser Situation ist
es extrem wichtig, für Unternehmen und Wirtschaft Vertrauen zu schaffen.
Deshalb ist der nun vereinbarte gemeinsame Schutzschirm für die
deutsche Wirtschaft, Unternehmen und ihre Mitarbeiter elementar –
insbesondere auch für den Mittelstand. Der Handel wird dadurch
stabilisiert. Das ist eine wichtige Grundlage dafür, dass die deutschen
Unternehmen in einer verhältnismäßig guten Ausgangslage sind für einen
Aufschwung nach der Krise."
Aktuell wird unter anderem in Deutschland die Wirtschaft nach dem
Stillstand durch die Eindämmungsmaßnahmen zwar wieder hochgefahren, aber
die Schwierigkeiten sind damit längst nicht vorbei. Mit einer
Kontraktion (-8,9%) des deutschen BIP rutscht auch die deutsche
Wirtschaft in eine Rezession. Deshalb prognostizieren die Euler
Hermes-Volkswirte auch in Deutschland mindestens zehn Prozent mehr Insolvenzen
als im Vorjahr.
Ohne die staatlichen Maßnahmen in vielen Ländern würden die Euler Hermes-Volkswirte von einem noch wesentlich höheren Anstieg der Insolvenzen ausgehen. In Deutschland profitieren Unternehmen neben dem Schutzschirm auch von zahlreichen Liquiditätsmaßnahmen – vieles davon in Form von Krediten.
In der Eurozone gibt es schätzungsweise 13.000 scheintote Unternehmen
Für Unternehmen, die schon vor Corona in finanziellen Schwierigkeiten
waren, wird es durch die Coronapandemie indes immer schwieriger, sich
aus dem Abwärtsstrudel zu befreien. Allein in der Eurozone gibt es
schätzungsweise 13.000 sogenannte "Zombie-Unternehmen" mit
Gesamtumsätzen von rund 500 Milliarden Euro. Sie haben sich durch die
andauernde Niedrigzinsphase noch über Wasser halten können. Doch durch
Corona könnte es für viele eng werden.
Viele Unternehmen im textilen Einzelhandel hängen beispielsweise seit
Jahren am seidenen Faden und die Elektronikbranche kämpft ebenfalls
schon lange mit zahlreichen Problemen. Auch in der Metall- oder
Automobilbranche war die Lage durch strukturelle Herausforderungen schon
vor Corona vielerorts schlecht. Dort sind die Auswirkungen durch das
Virus dann der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt.
Die vollständige aktuelle Euler Hermes-Analyse zu den wirtschaftlichen Auswirkungen des Coronavirus' finden Sie hier im PDF-Format.