EU-Bankenunion: kein Grund zum Jubeln | |
12/12 | |
Bernhard Speyer | |
DB Research (Website) |
Kurz vor Weihnachten einigten sich die EU-Finanzminister sowie Staats- und Regierungschefs auf einen Kompromiss zur Errichtung einer Bankenunion. Ein Kompromiss mit Schwachpunkten.
03.01.2013 | 09:07 Uhr
Mit diesem Kompromiss bleiben sie immerhin innerhalb ihrer selbst gesetzten Frist, bis zum Jahresende die wesentlichen Entscheidungen in dieser Sache herbeizuführen. Unglücklicherweise wurde diese Termintreue freilich mit einem Vorschlag für ein inkonsistentes Design für die zu errichtende Bankenunion erkauft.
Zwar steht außer Frage, dass schon die partielle Verlagerung von Aufsichtskompetenzen auf die supranationale Ebene ein historischer Schritt ist. Aber das inkonsistente Design der geplanten Aufsicht, auf das sich die Regierungen der EU nun geeinigt haben, wird wenig dazu beitragen, das europäische Finanzsystem stabiler zu machen oder besser zu integrieren. Das ist umso bedauerlicher, als eine Bankenunion gerade angesichts der krisenbedingten Herausforderungen grundsätzlich ein hervorragendes Instrument wäre, um Finanzstabilität und Marktintegration zu bewahren.
Im Einzelnen weist der Kompromiss der EU-Staaten von vergangener Woche fünf Schwachpunkte auf.
Erstens, die Reichweite der EU-Aufsicht: Die Aufsicht auf EU-Ebene durch die EZB wird auf Banken in den teilnehmenden Mitgliedstaaten beschränkt sein, die (i) mehr als EUR 30 Mrd. Bilanzsumme aufweisen, oder (ii) Gesamtaktiva haben, die 20% des BIP ihres Sitzlandes übersteigen, oder (iii) zu den drei größten ihres Landes gehören, oder (iv) von der EZB auf begründeter Basis als eine EU-Aufsicht erfordernd identifiziert wurden. Dieses Design ist ein schwerer Fehler, weil es die EZB in ständige Auseinandersetzungen mit nationalen Behörden über Zuständigkeiten führen wird.
Zweitens krankt die gesamte nun angedachte Konstruktion daran, dass man zwar eine Aufsicht auf EU-Ebene errichten will, aber keinerlei Fortschritt bei der Errichtung supranationaler Instrumente des Krisenmanagements machte. Zwar haben die Staats- und Regierungschefs offenbar die Etablierung eines europäischen Restrukturierungsregimes, inklusive eines von den Banken finanzierten Restrukturierungsfonds, beschlossen. Aber effektive Bankenaufsicht bedarf eines umfassenden Rahmenwerks für das Krisenmanagement, einschließlich fiskalischer Arrangements. Das aber war für viele Regierungen, darunter die deutsche, wohl ihren Wählern politisch zu schwer zu verkaufen. Das aber heißt: Nicht nur wird Krisenmanagement unvollständig und damit wenig effektiv bleiben. Nein, es zeigt auch ein mangelndes Verständnis der wesentlichen Treiber von der Idee der Bankenunion: Den Nexus zwischen Banken- und Fiskalkrisen zu brechen, erfordert zwingend die Option grenzüberschreitender Transfers.
Drittens feiert die Bundesregierung auch den Kompromiss zu Entscheidungsregeln bei der EU-Aufsicht als Erfolg, der angeblich durch die Trennung von aufsichtlicher und geldpolitischer Kompetenz die Unabhängigkeit der EZB bewahrt. Tatsächlich aber ist das vereinbarte Design ein Rezept für diffuse Verantwortlichkeiten, in dem Entscheidungen im Dreieck von Aufsichts-Rat, EZB-Rat und Schlichtungsgremium verzögert und verloren gehen dürften.
Viertens, durch die Vereinbarung einer doppelten Mehrheit für Entscheidungen bei der EBA verdammen die EU-Staats- und Regierungschefs die EBA dazu, eine paralysierte Institution zu werden. Mitgliedstaaten, die nicht bei der Bankenunion mitmachen wollen, allen voran Großbritannien, werden einen überproportionalen Einfluss haben und in der Lage sein, jede Entscheidung zu verhindern. Wie unter solchen Bedingungen ein Single Rule Book, das ein zwingendes Element für eine effektive Bankenunion ist, entstehen soll, ist unklar.
Schließlich und damit zusammenhängend: Die Spitzen der EU haben auch nicht geklärt, auf welcher rechtlichen Basis die Durchführung der laufenden Aufsicht durch die EZB denn erfolgen soll. Europäische Aufsicht erfordert ein einheitliches Aufsichtsrecht – welches nicht existiert! In dem Maße, in dem die nationalen Aufsichtsrechte weiterhin differieren werden, muss die EZB theoretisch für die unter ihrer Aufsicht stehenden Banken unterschiedliche Rechtsgrundlagen zur Anwendung bringen.
Zusammengenommen: Die Staats- und Regierungschefs der EU haben erst eine rasche Bankenunion versprochen – dann eine gründliche. Am Ende werden sie weder das eine noch das andere liefern. Wenn dies das Ergebnis bliebe, wäre keine Bankenunion besser als die jetzt konzipierte. Man kann nur hoffen, dass das Europäische Parlament im Rahmen der Gesetzgebung noch mehr Konsistenz in das finale Design der Bankenunion bringen wird.
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