In der
beschaulichen Schweizer Gemeinde Zug herrscht seit 2013 so etwas wie
Goldgräberstimmung. Denn dort hat sich das weltweite Zentrum der
Blockchain-Technologie gebildet. In diesem sogenannten Krypto Valley waren Ende
2021 laut dem CV VC Global Market Report mehr 1100 Blockchain-Startups mit
insgesamt mehr als 6000 Mitarbeitern angesiedelt. Die größten 50 Unternehmen
brachten Ende vergangenen Jahres einen Marktwert von mehr als 600 Milliarden
Dollar auf die Waage, darunter 14 Einhörner, die auf einen Wert von über einer
Milliarde Dollar kamen. Ende 2019 lag der Wert der Top-50-Firmen gerade mal bei
25 Milliarden Dollar.
Die extreme
Wachstumsdynamik ist leicht erklärt: Blockchain und Kryptowährungen sind eng
miteinander verbunden. „Wir sehen, dass sehr viele Entwickler in diesen Bereich
gehen und immer, wenn viel Knowhow und Talent zusammenkommt, dann bietet das
nach unserer Erfahrung ein sehr hohes Wachstumspotenzial“, erklärt Oksana
Tiedt, die sich für das Family Office Lennertz & Co. mit dem Thema
Blockchain-Venture auseinandersetzt.
Das
bestätigen Prognosen. Die Beratungsgesellschaft PwC geht in einer Studie davon
aus, dass die Blockchain das globale Bruttoninlandsprodukt bis 2030 um 1,76
Billionen US-Dollar erhöhen dürfte und dass die Technologie dann in 10 bis 15
Prozent der globalen Infrastruktur implementiert sein soll. „Das
Marktforschungsinstitut Gartner schreibt der Blockchain bis zum Jahr 2030 sogar
ein Wertschöpfungspotential von 3,1 Billionen USD zu“, informiert Axel Daffner,
Geschäftsführer der Pegasos Capital GmbH.
Der Grund für
das Potenzial liegt in der Funktionsweise der Technologie. „Zunächst ist die
Blockchain ein elektronisches Register für digitale Datensätze, Transaktionen
und Ereignisse, zu deren Applikationen Kryptowährungen, Smart Contracts oder
dezentrale, autonome Organisationen zählen“, erklärt Andreas Wörle von der
Wellinvest Pruschke & Kalm GmbH.
Effizienter,
kostengünstiger und schneller
Der Einsatz
der Technologie, die als fälschungssicher gilt, ist damit vielfältig. Sie kann
bei der digitalen Übertragung von Eigentums- und Urheberrechten eine wichtige
Rolle spielen, weil dadurch kein Intermediär mehr notwendig ist. Zugleich
können Prozesse effizienter, kostengünstiger und schneller ablaufen.
Beispiele
gibt es reichlich. Die Lieferkette eines Produkts, die auf der Blockchain
abgebildet ist, kann heute in Sekunden zurückverfolgt werden. Früher dauerte
eine solche Recherche laut Branchenexperten bis zu sieben Tage. Die Beilegung
internationaler Schadensfälle bei Autoversicherungen nahm sonst Monate in
Anspruch, durch die Blockchain geschieht dies in Stunden. „Im Energiesektor
ermöglicht es die Blockchain, mit Solarstrom dezentral und ohne Intermediär zu
handeln, wodurch Kosten eingespart werden können“, skizziert Maximilian
Bruckner vom Investmentberater 21e6 Capital ein weiteres Anwendungsbeispiel.
In so gut wie
allen Bereichen können – zumindest theoretisch – Abläufe und Prozesse in
Unternehmen schneller, einfacher und kostengünstiger gestaltet werden. Dennoch
sollte die Euphorie nicht zu groß sein. „Abgesehen vom Finanzbereich geht die
Adaption der Blockchain in den meisten anderen Branchen, auch weil es dort an
der notwendigen Infrastruktur mangelt, sehr viel langsamer voran als zunächst
angenommen“, sagt Professor Philipp Sandner, Leiter des Frankfurt Blockchain
Centers.
Dagegen
entstünden gerade in der Finanzbranche aussichtsreiche Anwendungen. So gebe es
erste Ansätze, um CO2-Credits auf die Blockchain zu bringen, um diese
international, zum Beispiel zwischen dem Mangrovenwaldbesitzer in Südostasien
und einem deutschen Mittelständler, handelbar zu machen. Ein weiterer Bereich
ist seiner Ansicht nach das Metaverse. „Hier bietet die Blockchain die
Möglichkeit, die Assets, die man besitzt, über verschiedene virtuelle Welten
hinweg zu transportieren“, so Sandner. Der Phantasie scheinen also kaum Grenzen
gesetzt.
Kompliziertes
Universum
Gleichzeitig
ist der Bereich für Anleger aber schwer zu überblicken. Eine Möglichkeit, um
vom Potenzial der Technologie zu profitieren, bieten Kryptowährungen wie Ether
oder Solana. „An dem Ethereum-Netzwerk zum Beispiel, wo Decentralized Finance
entstand und erste Non-Fungible-Tokens kreiert wurden, arbeiten tausende von
Entwicklern“, erläutert Bruckner
So würden
erste Aktien, Anleihen und Sachwerte als Tokens begeben. Dabei werde die
Währung Ether verwendet, um Transaktionen zu tätigen und innerhalb des
Ethereum-Ökosystems Gebühren zu bezahlen. „Wächst die Plattform, dann sollte
auch der Wert des Ether steigen“, sagt Bruckner.
Allerdings
müssen Anleger dabei hohe Wertschwankungen in Kauf nehmen. Bei Lennertz &
Co beschreiten sie auch deshalb einen anderen Weg: Und zwar über ein Portfolio
aus Venture Capital Fonds, die ausschließlich junge Blockchain-Firmen
finanzieren. Wichtig ist dabei eine gründliche Analyse der Fonds. „Wir suchen
Teams, die aus versierten Blockchain-Entwicklern, aber auch aus Spezialisten,
die sich mit der Gründungsphase und der Weiterentwicklung von Firmen auskennen,
bestehen“, erläutert Tiedt. „Außerdem achten wir auf den Track Record der
Fonds, deren Investmentstrategie und -struktur und wollen Referenzen von
unabhängiger Seite, die uns die Qualität bestätigen. Zudem sollten sich die
Fonds im Portfolio nach Investmentbereichen und -phasen sowie geografisch
ergänzen.“
VC-Blockchain-Fonds
als Alternative
Insgesamt
unterscheidet die Expertin im Blockchain-Bereich Infrastruktur- und
Middleware-Anbieter, wozu vor allem Softwarehersteller zählen, sowie die
App-Entwickler. Dazu kommen Unternehmen aus der alten Welt, die – wie die
Schaufelhersteller beim berühmten Gold-Rush – die Ausrüstung dafür
bereitstellen, also Banken oder andere Serviceanbieter. „Wir konzentrieren uns
auf die Untersektoren Infrastruktur und Middleware, da wir dort derzeit das
größte Potenzial sehen“, sagt Tiedt.
Dabei sei ein
Investment in die frühe Phase eines Unternehmens oder Netzwerks auch deshalb
spannend, weil hier die Wachstumschancen einfach am höchsten sind. Entsprechend
hoch sind, wie immer bei Wagniskapital, dabei aber auch die Risiken.
Eine andere
Möglichkeit ist der Einstieg in den Bereich über UCITS-Fonds oder ETFs wie den
Art Transformers Equities Fonds, den BNY Mellon Blockchain Innovation oder den
Invesco CoinShares Global Blockchain ETF. Zwar litten auch diese Produkte
zuletzt unter der, insbesondere durch die Zinswende ausgelösten allgemein
schlechten Stimmung für Technologiewerte, zum Teil sehr stark. Möglicherweise
bietet das aber gerade auch Einstiegschancen.
Dafür könnte
der Gartner Hype-Cycle sprechen. „Er besagt grob, dass bei jeder
technologischen Entwicklung in der frühen Phase überhöhte Erwartungen und
Übertreibungen zu beobachten sind“, erklärt Daffner. Dann aber mache sich rasch
Desillusion und Ernüchterung breit. In dieser Phase wird viel Kapital vernichtet.
„Erst in der dritten Phase beginnt eine Technologie wirtschaftlichen Mehrwert
zu liefern“, so der Experte. Laut dem aktuellen Hype-Cycle-Schaubild von
Gartner haben zumindest einige Blockchain-Bereiche die dritte Phase erreicht.
Die aktuell günstigeren Kurse könnten also tatsächlich eine Opportunität
darstellen.
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