Vergangene Woche überraschte die EZB mit einem drastischen Maßnahmen Katalog. Hat sie im Kampf gegen die Inflation nun alle Mittel ausgereizt?
15.03.2016 | 15:21 Uhr
Im Kampf gegen die niedrige Inflation hat die Europäische Zentralbank schwere Geschütze aufgefahren: Der Leitzins im Euro-Raum wird von 0,05 auf null Prozent gesenkt. Will eine Bank Geld bei der EZB parken, muss sie von nun anstatt 0,3 Prozent 0,4 Prozent Strafzinsen zahlen. Gleichzeitig weitet die EZB ihr Anleihekaufprogramm aus – damit werden nicht mehr 60 Milliarden Euro, sondern 80 Milliarden Euro, pro Monat in den Markt gepumpt. Zu diesem Zweck kauft die Notenbank nun auch in Euro ausgegebene Anleihen europäischer Unternehmen. Mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln will die EZB also die Wirtschaft ankurbeln.
Hat die EZB alle Möglichkeiten ausgeschöpft?
Davon ist unter anderem Stefan Isaacs, Stellvertretender Leiter des Retail Fixed Interest Teams bei M&G Investments, überzeugt: „Mario Draghi wird es zwar nicht öffentlich zugeben, aber die EZB dürfte sich sehr wohl im Klaren darüber sein, dass sie ihr Arsenal zur Unterstützung der Wirtschaft weitgehend ausgereizt hat. Ohne Strukturreformen und finanzpolitische Maßnahmen wird es nicht gehen.“ Unterstützung erhält er von der Helaba: „Die Reaktion der Finanzmärkte zeigt, dass die Europäische Zentralbank nach Meinung vieler Marktteilnehmer ihr Pulver verschossen und ihre Glaubwürdigkeit eingebüßt hat“, zitiert die „Börse Frankfurt“ die Bank. Auch Gregor Daniel, Händler von Walter Ludwig, steht der Entscheidung der Notenbank kritisch gegenüber “Egal, wie viel Geld die Notenbanker in die Hand nehmen, sie können die gewünschten Reaktionen nicht erzwingen.“
EZB hat noch Tricks auf Lager
Lukas Daalder, Chief Investment Officer von Robeco Investment Solutions, glaubt zwar auch, dass der EZB die Puste ausgeht. Dass der EZB die Optionen ausgehen, glaubt er allerdings nicht: „Wer eine Notenpresse zur Verfügung hat, kann weit kommen, wenn er bereit ist, den Sprung zu machen.”
So könne man beispielsweise die Wertpapierkäufe auf Real Estate Investment Trusts oder Aktien ausweiten. Oder Staatsausgaben tatsächlich finanzieren. Eine weitere Möglichkeit sei auch die Einrichtung und Finanzierung eines Infrastrukturinvestitionsfonds Ob dies rechtlich möglich ist, ist allerdings fraglich. Zudem, so Daalder, könne die EZB auch zu einer direkten Maßnahme greifen und der Bevölkerung selbst Geld zu geben. „Das wird gemeinhin als Hubschraubergeld bezeichnet.“ Bildlich gesprochen könnte die EZB also über die Eurozone fliegen und Geld aus einem Hubschrauber werfen. Auch wenn die Maßnahme drastisch erscheint, ist sie für Daalder nicht abwegig. Sollte nämlich das Vertrauen in die Notenbanken weiter schwinden, könnten Zentralbanken dazu angeregt werden, zu solch drastischen Maßnahmen zu greifen. „Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg“, schließt der Experte.
Politische Maßnahmen
Sollte die EZB tatsächlich einmal das „Pulver verschossen haben“, bleiben politische Maßnahmen. Barry Eichengreen, amerikanischer Ökonom und Professor für Ökonomie und politische Wissenschaften an der University of California, Berkeley, erforscht die Funktionsweise von Finanzsystemen. Dabei stellte er fest, dass Kapitalverkehrskontrollen eine Volkswirtschaft vor der Ansteckung einer Krise schützen können. In Europa machten zuletzt die Griechen Erfahrung mit der Einführung von Kapitalverkehrskontrollen, um die Wirtschaft zu stützen. Eine solche Maßnahme liegt allerdings außerhalb des Wirkungsbereiches einer Notenbank. Genauso wie Strukturreformen und finanzpolitische Maßnahmen, für die die EZB mit ihren Aktionen der Politik eigentlich Zeit verschaffen möchte.
(TL)
Diesen Beitrag teilen: