In den USA könnten Minuszinsen drohen, in Hongkong wird Geld gleich direkt verteilt und in der Eurozone möchte die EZB-Chefin wissen, was Bürger von der Geldpolitik halten. Klar ist, dass sich Marktteilnehmer, auch aufgrund konjunktureller Risiken durch das Coronavirus, weiter auf extrem niedrige Zinsen und billiges Geld einstellen müssen.
28.02.2020 | 13:10 Uhr von «Christian Bayer»
Michael Bazdarich, Spezialist für Pensionslösungen bei der Investment-Boutique
Western Asset, die zum Vermögensverwalter Legg Mason gehört, erwartet einen
weiteren Rückgang der Zinsen in den USA. „Es ist nur eine Frage der Zeit, bis
negative Zinsen in den USA Einzug halten“, so der Experte. Aktuell liegt der
Leitzins in den Vereinigten Staaten noch bei 1,75 Prozent. „Um eine Rezession
abzumildern oder zu verhindern, hat die Fed in den vergangenen Abschwüngen
jeweils Zinskürzungen von mehr als 500 Basispunkten vorgenommen“, erläutert
Bazdarich. Der Experte hält es vor dem Hintergrund eines konjunkturellen
Abschwungs daher für wahrscheinlich, dass die Fed die Zinsen weiter senkt, auch
weil der Druck von Seiten der Politik und der Märkte zunimmt. Während sich in
Europa und Japan die Investoren schon an die Niedrigzinsen gewohnt hätten,
könnte es in den USA einen Aufschrei geben. Bazdarich hält es für möglich, dass
die Amerikaner in diesem Fall zuhause Bargeld horten könnten, was den
Bestrebungen der Notenbank zuwiderlaufen würde, die Wirtschaft anzukurbeln. Ähnlich
wie mit der Abschaffung der 500 Euro-Scheine in der EU könnten in den USA
größere Geldnoten aus dem Verkehr gezogen und damit das Horten höherer Summen
unattraktiv gemacht werden.
In Hongkong greift man aktuell zu drastischen Mitteln, um Verbraucher zu mehr
Konsum anzuregen. Die Region ist durch die Studentenunruhen und das Coronavirus
gleich doppelt von einer Schwächung der Konjunktur betroffen. Als Gegenmittel
hat die Stadtregierung beschlossen, allen Einwohnern Hongkongs über 18 Jahren
und dauerhafter Aufenthaltsberechtigung 10000 Hongkong-Dollar zu schenken. Das
entspricht einem Gegenwert von knapp 1200 Euro. Die Idee des sogenannten
Helikopter-Geldes geht auf den Wirtschaftsnobelpreisträger Milton Friedman
zurück. Friedman hat in einem Gedankenexperiment aus den 1960er-Jahren das Bild
eines Hubschraubers genutzt, der Geldscheine übers Land verstreut. Später wurde
das Helikoptergeld als Ausdruck extrem expansiver Fiskalpolitik verstanden.
Befürworter des Ansatzes gehen davon aus, dass das zur Verfügung gestellte Geld
direkt in den Wirtschaftskreislauf fließen und durch zusätzliche Nachfrage die
Konjunktur ankurbeln würde. Gegner des Helikoptergeldes halten es
beispielsweise für fraglich, ob die Leute das Geld tatsächlich sofort ausgeben,
was Voraussetzung für die positiven Auswirkungen auf die Konjunktur wäre. Unbestritten
ist in jedem Fall, dass die Maßnahmen eine Belastung für die öffentlichen
Haushalte darstellen, aus denen sie finanziert werden.
In der Eurozone macht sich die neue EZB-Chefin Christine Lagarde zunehmend Gedanken um die Akzeptanz der Geldpolitik. Nicht zu Unrecht, denn die Ausbreitung von Negativzinsen auf Sparkonten sorgt zunehmend für Verärgerung bei Sparern. Eine geplante Umfrage der EZB, in der sich Bürger äußern sollen, ist Teil einer neuen Kommunikationsstrategie, mit der sich Lagarde von ihrem Vorgänger Mario Draghi abheben will. Lagarde will die Akzeptanz der Arbeit der EZB in breiten Bevölkerungssichten verstärken. Draghi hat seine Kommunikation dagegen in erster Linie auf die Finanzmärkte ausgerichtet. „Wir werden darüber reden, was wir unter Preisstabilität verstehen, und darüber hinaus diskutieren, inwieweit etwa der Klimawandel und der Arbeitsmarkt unsere Tätigkeit beeinflussen“, so die EZB-Präsidentin. Vorbild der neuen Kultur des Zuhörens bei der EZB ist die US-amerikanische Notenbank Fed. Unter dem Motto „Fed Listens“ wurde die Meinung der US-Bürger zu den Zielen der US-Notenbank wie z. B. dem Inflationsziel in Höhe von zwei Prozent eingeholt. Wenig überraschend wollten die Befragten überwiegend keine inflationäre Entwicklung und stattdessen lieber niedrigere Preise bei den Ausgaben für Gesundheit und Wohnen.
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