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Der TiAM FundResearch Wochenrück- und -ausblick.
Kolumne

Nachhaltigkeit braucht keine Klimakleber

TiAM FundResearch blickt auf die Woche zurück und gibt einen Ausblick auf die kommenden Tage. Diesmal im Fokus: Die „Letzte Generation“ wird längst von der Realität überholt.

29.07.2024 | 07:15 Uhr von «Matthias von Arnim»

Rückblick auf die vergangene Woche

Die Olympischen Spiele haben begonnen! Leider kamen nicht alle Zuschauer rechtzeitig zur offiziellen Eröffnung nach Paris. Kurz vor der Feier hatten Saboteure das französische Schnellzugnetz angegriffen. Feuer an Bahnanlagen sorgten dafür, dass die wichtigsten Hochgeschwindigkeitsstrecken, die den Westen, Norden und Osten des Landes mit der Hauptstadt verbinden, erheblich gestört wurden.

Viele Züge hatte Verspätung, mussten umgeleitet werden oder fielen sogar ganz aus. Wahnsinn, mag sich hierzulande mancher denken. In Frankreich braucht es Brandanschläge, damit so etwas passiert. Bei uns ist das normaler Bahn-Alltag. 

Oder auch Autobahn-Alltag. Es ist ja nicht so, dass es auf den Straßen besser aussähe als auf den Gleisen. Wären die Verkehrsmeldungen im Radio nicht häufig auf die Staus ab zehn Kilometer begrenzt, würden die Ansagen mittlerweile vermutlich die Zeit zwischen den Nachrichtensendungen komplett füllen. Was in der Kombination mit dem Bahnchaos unter anderem dazu geführt hat, dass während der Fußballeuropameisterschaft einige Mannschaften innerdeutsch geflogen sind. Unter dem Aspekt des Termindrucks war das nachvollziehbar, ökologisch jedoch ein Desaster.

Vielleicht waren es ja diese Meldungen während der EM, die die selbsternannte „Letzte Generation“ dazu bewogen hat, in der vergangenen Woche kurz vor den Anschlägen auf die französische Bahn die Flughäfen Köln-Bonn und Frankfurt zu sabotieren. Oder sie wollten in der Urlaubszeit darauf aufmerksam machen, dass der Massentourismus nicht gerade förderlich fürs Weltklima und unsere Umwelt ist. Das immerhin wäre ein nachvollziehbares Anliegen.

Doch darum geht es den Klimaklebern gar nicht mehr. Kann es auch gar nicht. Denn die Realität um sie herum hat die selbsternannten Klimamahner längst überholt. Der Ausstieg aus der Verwendung fossiler Brennstoffe ist in Europa längst beschlossen und gesetzlich verankert. Das Europäische Parlament hat Ende April sogar den Austritt der EU aus dem Energiecharta-Vertrag zugestimmt. Der Vertrag hatte es multinationalen Unternehmen bisher ermöglicht, europäische Regierungen zu verklagen, die Maßnahmen zum Ausstieg aus fossilen Brennstoffen ergriffen haben. Der Vertrag ist der von weltweit agierenden Konzernen am häufigsten für Klagen genutzte Investitionsvertrag. Damit soll nun Schluss sein. Die EU setzt ihren Weg der Transformation der Wirtschaft zu mehr Nachhaltigkeit stringent um – auch gegen Widerstände aus der Wirtschaft. 

Gerade Deutschland ist hier auf einem guten Weg. Im ersten Quartal 2024 stammte der im Inland erzeugte Strom laut Statistischem Bundesamt zu 58,4 Prozent aus erneuerbaren Quellen. Seit dem Jahr 2018 ging die Stromerzeugung aus konventionellen Energieträgern um 25,4 Prozent zurück. Den größten Sprung machte die Energiewende unter der aktuellen Regierung. Ausgerechnet die Ampelkoalition mit Startbahn-Protesten an ihre Verantwortung erinnern zu wollen, ist ein schlechter Witz.

Auch von der Wirtschaft und den Kapitalmärkten werden die Klimakleber mittlerweile rechts und links überholt. Investoren haben längst erkannt, dass Impact Investing keine Wohltätigkeitsveranstaltung, sondern das Verständnis dafür widerspiegelt, dass Unternehmen, die ESG-Kriterien Priorität einräumen, eine höhere Widerstandsfähigkeit und Rentabilität aufweisen. So kann beispielsweise ein vernünftiger Umgang mit natürlichen Ressourcen die Gewinne steigern, während ein effektives Abfall- und Emissionsmanagement das Risiko von Regulierungsverstößen und Reputationsschäden verringern kann. Unternehmen, die Praktiken der Kreislaufwirtschaft anwenden, indem sie langlebige, wiederverwendbare und recycelbare Produkte gestalten, profitieren von einem stabileren Betriebsumfeld, der Unterstützung durch lokale Behörden und loyalen Kunden. Ein gutes Talentmanagement kann die Bindung von Mitarbeitern verbessern, welche Innovation und Wachstum vorantreiben. Diese Effekte sind nicht theoretischer Natur, sondern werden durch eine Vielzahl akademischer Untersuchungen gestützt. Sie unterstreichen das Potenzial von Impact Investing, langfristig bessere risikobereinigte Portfoliorenditen zu erzielen, indem die immer bedeutsameren ökologischen und sozialen Themen berücksichtigt werden. 

An der Börse drückt sich das dadurch aus, dass im Performancevergleich über fünf Jahre hinweg Fonds mit den strengsten Nachhaltigkeitsauflagen (Artikel 9) sowohl „hellgrüne“ (Artikel 8) als auch traditionelle Anlagestrategien deutlich hinter sich gelassen haben.

Wer angesichts dieser Entwicklungen jetzt noch meint, panisch darauf hinweisen zu müssen, dass man dringend handeln sollte, winkt dem Nachhaltigkeits-Zug in Wahrheit nur noch traurig hinterher. Die jüngsten Aktionen in Köln-Bonn und Frankfurt machen dies umso deutlicher. Die Aktivisten auf den Startbahnen fordern die Unterzeichnung eines „Fossil Fuel Treaty“: Damit soll die Regierung zu internationalen Verhandlungen verpflichtet werden, mit dem Ziel, einen internationalen Vertrag zum Ausstieg aus den Fossilen Brennstoffen (Öl, Gas, Kohle) bis 2030 zu unterzeichnen. Als ob es solche Verträge nicht schon längst gäbe.

Übrigens finden die „Fossil Fuel Treaty“-Aktionen nicht nur in Deutschland statt, sondern auch in Belgien, Spanien, Norwegen, Finnland, USA, Kanada, Schweiz, Österreich und England. In Frankreich dagegen hat man keine Klimakleber rekrutieren können. Das Land hat derzeit andere Probleme.

Interessante Termine der kommenden Woche

Am Dienstag gibt das Statistisches Bundesamt seine erste Schätzung für die Inflationsrate im Juli bekannt. Je näher die Marke von zwei Prozent rückt, desto schwieriger wird die Argumentation der EZB, mit einer Zinssenkung weiter zu warten.

Am Mittwoch wird die Veröffentlichung des Konjunkturbarometers des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) den Druck auf die EZB vermutlich noch erhöhen. Die Wachstumsrate des realen Bruttoinlandsprodukts Deutschlands wird seit einiger Zeit nur noch in Promille-Größen gemessen.

Am Donnerstag stellt die Deutsche Industrie- und Handelskammer die Ergebnisse des jährlichen „Energiewende-Barometers der IHK-Organisation“ vor. Das beherrschende Thema ist hier, wie stark die energiepolitischen Rahmenbedingungen in Deutschland die Abwanderungspläne der Industrie ins Ausland beeinflussen. Und welches die größten Transformationshemmnisse sind. Mit anderen Worten: Man wünscht sich mehr Unterstützung und weniger Bürokratie bei der Umgestaltung der Wirtschaft zu mehr Nachhaltigkeit.

Am Freitag geben ExxonMobil und Chevron ihre Geschäftszahlen fürs zweite Quartal 2024 bekannt. Ja, auch diese Energie-Dinosaurier gibt es noch. Und sie bekleckern sich gerade nicht mit Ruhm. Die beiden US-Ölriesen pumpen derzeit Milliarden US-Dollar in neue Ölförderprojekte, als hätte es die Klimakrise und den Aufbau nachhaltiger Energien nie gegeben. Sie setzen damit die europäische Konkurrenz um Shell, BP und Total unter Druck, ihre Klimaschutzziele wieder zurückzufahren. Schade. Die Welt ist noch nicht so gut, wie sie sein sollte. Der Blick in die Geschichte unserer Erde zeigt allerdings auch, dass Lebensformen, die sich an Klimaveränderungen nicht anpassen konnten, ausgestorben sind. Dazu zählen auch die einst mächtigen Dinosaurier. Klimakleber dat es dafür nicht gebraucht.

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