TiAM FundResearch blickt auf die Woche zurück und gibt einen Ausblick auf die kommenden Tage. Diesmal im Fokus: Wie sich Worte im TV auf Börsenkurse und Wettprämien auswirken.
16.09.2024 | 07:15 Uhr
TV-Debatten politischer Spitzenkandidaten können an der Börse erstaunliche Effekte nach sich ziehen. Insbesondere in den USA, wo sich viel politische Entscheidungsgewalt auf den Präsidenten konzentriert. Dieser hat in der größten Volkswirtschaft der Welt nicht nur eine Richtlinienkompetenz, sondern – symbolisch gesehen – ein Zepter in der Hand, das ihm reale Macht verleiht. Ginge es nach Donald Trump, wäre es vermutlich sogar ein echtes Zepter. Aber das steht auf einem anderen Blatt. Und so ist es nicht verwunderlich, dass viele Investoren an den Kapitalmärkten ihre Hoffnungen und Ängste auf die Personen projizieren, die sich um dieses Amt bewerben.
Gut zu besichtigen war dies eindrucksvoll nach dem Ende des TV-Duells zwischen Kamala Harris und Donald Trump. Nach 90 Minuten stand fest, was viele Republikaner befürchtet, und viele Demokraten erhofft hatten. Das Fernsehpublikum durchlebte vor den TV-Bildschirmen ein Dejavú: Ein alter Mann verhaspelt sich am Mikrofon und senkt mit seinem zum Teil sinnfreien Gestotter seine Chancen, im kommenden November zum US-Präsidenten gewählt zu werden. Diesmal in der Hauptrolle: Donald Trump.
Der Effekt: Der Wert des US-Dollar sank gegenüber dem Euro um 0,22 Prozent, und einige ESG-Aktienindizes legten leicht zu. Was Trump aber auch persönlich geärgert haben dürfte: Die Aktien der Trump Media & Technology Group fielen schon im vorbörslichen US-Handel des Folgetages um zwölf Prozent. Nach einigem Auf und Ab in der Folge stand am Ende der Woche ein stattliches Minus von fast 15 Prozent. Trumps Anteil an der Muttergesellschaft von Truth Social hat aktuell noch einen Wert von 1,84 Milliarden Dollar – Tendenz fallend. Blöd für ihn: Er kann seine Aktien frühestens am 19. September verkaufen. So lange gilt die Haltefrist, die beim Börsengang festgelegt wurde. Hätte er alle seine Aktien im Juli kurz nach dem Attentat auf ihn verkauft, wären 4,6 Milliarden Dollar in seine Taschen geflossen.
Schon diese Zahl im Vergleich zum heutigen Börsenwert von Trumps Social-Media-Firma macht deutlich, wie groß der Vertrauensverlust der Investoren aktuell ist. Es scheint so, als ob die Ratten das sinkende Schiff verlassen würden. Denn es ist zwar nicht ausgemacht, dass das Pendel im Wahlkampf nun endgültig zugunsten Kamala Harris ausschlägt. Doch ein Sieg Trumps ist nicht mehr annähernd so sicher, wie er noch vor zwei Monaten schien.
Und deshalb wollen wohl auch immer weniger Menschen darauf wetten. Die Chancen für einen Wahlsieg der demokratischen Kandidatin sind auf der Wettwebsite PredictIt auf 57 Prozent gestiegen. Am Tag vor der TV-Debatte lagen Trump und Harris noch nahezu gleichauf.
Die Entwicklungen an der Wett-Börse sollte man ernst nehmen. Denn die PredictIt-Charts werden offensichtlich auch am Kapitalmarkt aufmerksam verfolgt. Die Wall Street hat ihre Wahlwetten in den vergangenen Wochen wiederholt angepasst und dabei die Einschätzungen der Wahl-Zocker nachvollzogen. Ablesen lässt ich das an den Bewertungen von Unternehmen, die mehr oder weniger von einem Wahlsieg Trumps profitieren könnten.
Wobei: Blickt man noch einmal nüchtern auf die TV-Debatte, lässt sich eigentlich nicht nachvollziehen, woraus Wall Street-Analysten ihre Einschätzungen zur Implikation des Wahlausgangs auf die Börse ableiten. Strenggenommen, geht es in US-Wahlkämpfen in der öffentlichen Diskussion eigentlich immer nur um die Streitpunkte Abtreibung und Waffengesetze. Donald Trump hat diesmal sowie in den beiden vorhergegangenen Wahlkämpfen zudem die Migration als Thema für sich entdeckt.
Für die US-Wirtschaft sind diese Themenblöcke völlig irrelevant. Was Trump und Harris aber tatsächlich für die US-Wirtschaft tun werden, kämen sie an die Macht, ist bei beiden völlig unklar. Kamala Harris hält sich, was wirtschaftliche Themen angeht, sehr bedeckt. Und Donald Trump konzentriert er sich im aktuellen Wahlkampf auf persönliche Angriffe auf Kamala Harris, die Lobpreisung seiner eigenen Regierungszeit und irgendwelche Verschwörungserzählungen wie etwa Migranten, die Katzen und Hunde essen. Seine vagen Vorschläge zur Belebung der Konjunktur sind eher Folklore als ernsthafte Vorhaben.
Insofern gehen die Zocker an der Wettbörse weniger Risiken ein als die Investoren mit ihren Börsenwetten. Die Zocker werden bereits kurz nach dem 5. November wissen, ob sie gewonnen oder verloren haben.
Am Dienstag eröffnet in Hannover die internationale Automobil-Ausstellung IAA Transportation. Präsentiert werden alle Arten von Nutzfahrzeugen. Anders als bei privaten Automobilen, sind Nutzfahrzeuge ein Wachstumsmarkt. Denn hier schlägt das Thema KI noch heftiger ein als beim Familien- und Spaß-Auto. Nur ein Beispiel: Selbstdenkende und -lenkende Aufräumroboter, die selbst einzelne Kippen vom Boden aufheben können, sind auch auf der Messe zu besichtigen.
Am Mittwoch entscheidet die US-Notenbank Fed darüber, ob sie zum ersten Mal in diesem Jahr die Zinsen senken wird. Vermutlich wird sie es tun. Aber wer will schon darauf wetten?
Am Donnerstag findet in Berlin die Festveranstaltung 75 Jahre Bundesministerium für Finanzen statt. Es feiern unter anderem die ehemaligen Ressortchefs Olaf Scholz, Theo Waigel, Peer Steinbrück und natürlich auch der aktuell amtierende Bundesfinanzminister Christian Lindner bei Champagner und köstlichen Leckereien ihre Leistungen beim Verwalten der immer klammen Bundesfinanzen. Wolfgang Schäuble ist leider nicht mehr dabei. Was hätte er wohl angesichts des aktuellen Haushalts-Dilemmas gesagt? Vielleicht: Over isch.
Am Freitag wird bundesweit der „Tag der Schiene“ gefeiert. Bei mehr als 250 Veranstaltungen können Interessierte bei Bahnhofsfesten mitfeiern, in Werkstätten hinter die Kulissen schauen, mehr über Schienen-Baustellen in ihrer Nähe erfahren und sich bei zahlreichen Recruiting-Events über die vielen Jobmöglichkeiten in der Bahnbranche informieren. Ungeplantes Highlight ist die Besichtigung der eingestürzten Carolabrücke in Dresden.
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