Das Bayer-Desaster: Wie
aus Rosarot über die Jahre Dunkelrot wurde
„Viel darf nicht mehr schiefgehen“. So lautete bereits
2019 unser Fazit zur Übernahme von Monsanto durch Bayer. Dass sich Bayer mit
dem Monsanto-„Deal“ total verhoben hat, ist längst eine Binsenweisheit. Doch
schon mit dem Bekanntwerden der geplanten Übernahme hätten die Alarmglocken
laut schrillen müssen, und zwar losgelöst von den unkalkulierbaren
Rechtsrisiken, die sich Bayer ohne Not einhandelte. Denn aus unserer Sicht war
bereits damals klar erkennbar, dass es sich um eine Hochrisiko-Übernahme
handelt: Für das zwar durchaus profitable, umsatzseitig jedoch stagnierende
Monsanto-Geschäft bezahlte Bayer einen astronomischen Preis und verschuldete
sich dafür bis über beide Ohren. Gleichzeitig musste eigenes solides Geschäft
verkauft werden, der Konzern stark umgebaut und massiv Eigenkapital eingeworben
werden.
Bayer torkelt von einer Krise
zur nächsten – und jetzt schwächelt das Agrargeschäft
Im operativen Geschäft durfte also nicht mehr viel schief
gehen. Doch es ist genau das passiert, was nicht hätte passieren dürfen. Bayer
torkelt von einer Krise zur nächsten. Jetzt schwächeln auch noch die
Absatzmärkte im Agrargeschäft, wie aus den kürzlich veröffentlichten
Geschäftszahlen für das dritte Quartal hervorgeht. Für das kommende Jahr
rechnet Bayer mit einem weiteren Umsatz- und Gewinnrückgang. Bei Bayer, vor ein
paar Jahren noch der teuerste DAX-Konzern, ist die Lage mittlerweile prekär. In
den ersten neun Monaten des laufenden Geschäftsjahrs ist Bayer beim Free Cash
Flow in die roten Zahlen gerutscht: Im operativen Geschäft wird mit einem
negativen Free Cash Flow von minus 68 Mio. Euro Geld verbrannt statt verdient;
bei einem gewaltigen Berg an Nettoschulden von über 40 Milliarden Euro
(inklusive Pensionsrückstellungen).
Konzernsparten von Bayer kämpfen mit sinkenden Umsätzen…
Der Umsatz der Agrarsparte „Crop Science“ schrumpft um
3,6 %, was maßgeblich auf den drastischen Einbruch der Nachfrage nach
Glyphosat-Produkten zurückzuführen ist (minus 19 %). Aber auch das
Geschäft mit Maissaatgut läuft aufgrund schrumpfender Anbauflächen schlecht.
Und von der Pharmasparte und dem Konsumentengeschäft kommt ebenfalls keine
entscheidende Entlastung bzw. Diversifikation. So verlor Xarelto, ein Präparat
zur Blutgerinnungshemmung und das derzeit wichtigste Bayer-Medikament, im dritten
Quartal mit minus 23 % unerwartet viel Umsatz. Immerhin wuchs die
Pharmasparte insgesamt organisch leicht um 2,3 %, weil andere Präparate
den Xarelto-Schwund etwas abpuffern konnten.
… und fehlenden Mitteln für die Forschung
Alles in allem ist das jedoch zu wenig; um hier energisch
mit mehr Forschung & Entwicklung gegenzusteuern. Und um eine
aussichtsreiche Pharma-Pipeline aufzubauen, fehlen Bayer angesichts des
schwachen Free Cash Flows die nötigen Mittel. Langfristig ein echtes Risiko.
Zumindest das Consumer-Health-Geschäft mit OTC-Präparaten wie Aspirin
verzeichnete im letzten Quartal ein solides Wachstum von 5,7 %. Doch die
Sparte ist zu klein, als dass sie dem Unternehmen insgesamt aus der prekären
Lage helfen könnte.
Gefährliche Schönwetterdenke bei Bayer
Es klingt bitter, aber Bayer ist geradezu ein Lehrstück
dafür, was mit Unternehmen passieren kann, wenn hochfliegende
Übernahmepläne auf Schönwetterdenken treffen. Dabei klang die
‚industrielle Logik‘ hinter der Monsanto-Übernahme durch Bayer doch so
verlockend: Wer den Landwirten Saatgut und Pflanzenschutz aus einer Hand
verkauft, erhöht durch die Produktbündelung seine Markt- und
Preissetzungsmacht. Leider wurden in dieser ‚Logik‘ die eingangs beschriebenen
Risiken ignoriert bzw. kleingeredet.
Fatale Konsequenzen: Wenn sich Risiken materialisieren
Der gewaltige Aufwand für die Transformation, die
Integrations- und Rechtsrisiken und der hohe Finanzbedarf – für den viel
Tafelsilber verkauft werden musste – wurden von den Verantwortlichen ebenso
ausgeblendet wie die Tatsache, dass das Geschäft von Monsanto bereits vor (!)
der Übernahme durch Bayer schrumpfte und die Margen aufgrund höherer
Wettbewerbsintensität in Asien unter Druck standen.
Wie aus Rosarot bei Bayer Dunkelrot wurde
Dabei sah in den Excel-Modellen der M&A-Berater doch
alles so hübsch aus: Mit Synergien bis zum Abwinken, beschleunigtem Wachstum
und steigenden Margen wurde ein rosarotes Bild gezeichnet. Und im
Nullzinsumfeld spielte Geld ja sowieso keine Rolle. Mit etwas Financial
Engineering ließ sich so gut wie alles finanzieren. Passiert ist von alledem
das Gegenteil, was Bayer – wie vielen anderen Hochschuldenfirmen mit schwachen
Margen – gewaltig auf die Füße fiel. Die schönen Übernahmepläne waren von
vornherein Makulatur. Die völlig überhöhte Bewertung des Riesen-Deals hat–
absehbar – nicht nur die Bilanz und den Cash Flow erheblich belastet und Bayer
gewaltig durchgeschüttelt.
Düstere Aussichten für Eigentümer und Investoren
In solchen Situationen dauert es dann meist auch nicht
lange, bis die Organisation verunsichert und überfordert ist und die besten
Mitarbeiter das sinkende Schiff verlassen. Wenn sich zu den gestiegenen Zinsen
und ungelösten Rechtsrisiken nun auch noch eine veritable Absatzschwäche auf
dem Agrarmarkt gesellt, dann wird es richtig eng.
Für Eigentümer und Investoren sind dies düstere Aussichten,
nicht zuletzt vor dem Hintergrund der Bewertung. Bereits 2019 hatten wir
ausführlich argumentiert und hergeleitet, dass Bayer trotz der massiven
Vernichtung an Marktkapitalisierung aufgrund der enormen Schulden und des
gesunkenen Free Cash Flows – unternehmerisch betrachtet – erheblich höher
bewertet ist als vor der Monsanto-Übernahme. Daran hat sich nichts geändert:
Obwohl der Aktienkurs seitdem immer weiter abgestürzt ist, ist Bayer – unternehmerisch
gerechnet – immer teurer bewertet.
Mit schlechtem M&A einen gesunden Konzern an die Wand
gefahren
Durch das Zocken auf Kosten der Aktionäre hat das Management
einen an sich strukturell gesunden und aussichtsreichen Konzern an die Wand
gefahren. Dessen ungeachtet lassen sich die Architekten dieser
„Skandal-Übernahme“ weiter ungeniert rühmen: ‚In seiner Amtszeit entwickelte
sich Bayer durch die Übernahme und erfolgreiche Integration von Monsanto zu
einem führenden Unternehmen der Agrarbranche‘, heißt es über den damaligen
Vorstandsvorsitzenden Werner Baumann auf der Bayer-Homepage.
M&A mit Vorbildfunktion: Beispiel Danaher
Dass es auch anders geht, zeigt unser Portfoliounternehmen
Danaher. Das in den Bereichen Life Science, Diagnostik, Medizin- und
Labortechnik tätige Gesundheitsunternehmen ist eine der wenigen effizienten
M&A-Maschinen und kauft regelmäßig neues Wachstumsgeschäft hinzu, um das
Produktportfolio weiterzuentwickeln. Die Zukäufe werden rasch integriert und
steigern das Umsatzwachstum und die Margen des Konzerns spätestens ein Jahr
nach dem Closing der Übernahme. Und durch den hohen und wachsenden Unternehmensgewinn
schafft es Danaher zuverlässig, die infolge einer Übernahme ansteigende
Verschuldung zügig wieder zurückzuführen, um die Voraussetzung für die nächste
wertstiftende Übernahme von profitablem Wachstumsgeschäft zu schaffen. Das
Beispiel Danaher zeigt somit: M&A ist per se nichts Schlechtes.
Im Gegenteil: Man muss es ‚nur‘ richtig anstellen, und zwar mit Augenmaß.
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