Der Vertrieb klassischer Kapitallebensversicherungen stagniert seit Jahren. Die Nachfrage nach fondsgebundenen Rentenversicherungen dagegen stieg zuletzt rapide.
29.07.2022 | 07:30 Uhr
Man kann dem Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) nicht vorwerfen, schlechte Laune zu verbreiten. In seiner jährlichen Neuauflage seiner Statistik zur Entwicklung des Geschäfts mit Lebensversicherungen werden die Zahlen des vergangenen Jahres wohlwollend interpretiert. Auf den ersten Blick klingt das nachvollziehbar. Denn der Verband kann darauf verweisen, dass sich die Lebensversicherungsunternehmen, Pensionskassen und Pensionsfonds in den beiden vergangenen Jahren trotz Corona-Krise als robust erwiesen haben. Mit zuletzt knapp 87 Millionen Verträgen, davon mehr als 45 Millionen Rentenversicherungen, sind sie immer noch fester Bestandteil der Alterssicherung in Deutschland. Als gute Nachricht gilt auch, dass die Beitragseinnahmen 2021 zum dritten Mal in Folge die 100-Milliarden-Euro-Grenze überschritten haben. Konkret: Im vergangenen Jahr wurden 103,2 Milliarden Euro an Versicherungsbeiträgen eingesammelt.
Der weniger gute Teil der Nachricht lautet, dass die Summe der Beitragseinnahmen rückläufig ist, während die Ausgaben steigen. Konkret: Im vergangenen Jahr sanken die gebuchten Brutto-Beiträge um 1,1 Prozent. Die Einnahmen aus Einmalbeiträgen verringerte sich um 4,5 Prozent auf 37,3 Milliarden Euro. Immerhin nahmen die laufenden Beiträge mit rund 66 Milliarden Euro um 0,9 Prozent leicht zu. Dafür stiegen die ausgezahlten Leistungen um 2,4 Prozent auf 86,6 Milliarden Euro. Unterm Strich steht so ein dünnes Ertragswachstum, das nicht mehr vergleichbar ist mit den Zahlen vergangener Jahrzehnte.
Beim Blick in die Statistik offenbaren sich die Schwachstellen der Lebensversicherungsbranche: Klassische Renten- und Lebensversicherungen ziehen nicht mehr. Während das Neugeschäft mit klassischen Rentenversicherungen nur leicht zurückgegangen ist, ist der Verkauf der klassischen Lebensversicherungen um fast 30 Prozent eingebrochen. Der Verkauf von Bausparverträgen und damit auch der Vertrieb von Bausparrisikoversicherungen ist schon seit Jahren rückläufig – was zum großen Teil an den niedrigen Hypothekenzinsen lag. Es lohnte sich in den vergangenen Jahren einfach nicht mehr, einen Bausparvertrag abzuschließen.
Dass die LV-Bilanz für das vergangene Jahr positiv ausfällt, ist allein den Fonds-Policen zu verdanken. Insbesondere fondsgebundene Rentenversicherungen sind zum Hoffnungsträger der Lebensversicherungsbranche geworden. Laut GDV-Statistik haben die Lebensversicherer im vergangenen Jahr 544.888 Renten-Verträge auf Fondsbasis verkauft. Das entspricht einem satten Plus von 71,7 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Es ist die Fortschreibung einer Erfolgsgeschichte. Bereits im Geschäftsjahr 2020 verzeichnete das Neugeschäft mit Fonds-Policen einen Zuwachs von 42 Prozent.
Der Marktanteil fondsgebundener Renten-Policen am Neugeschäft hat sich damit im vergangenen Jahr erneut deutlich erhöht. Im Jahr 2020 lag ihr Anteil noch bei 6,8 Prozent des eingelösten Neuzugangs. Im vergangenen Jahr waren es bereits 11,2 Prozent. Auch bei Kapitalversicherungen ist der Trendwechsel deutlich zu sehen. Während der Vertrieb klassischer Policen um 29,3 Prozent zurückging, nahm das Geschäft mit fondsgebundenen Kapitalversicherungen um 25,7 Prozent zu. Gemessen an der Versicherungssumme ist besonders das Neugeschäft rund um Mischformen mit Garantien für die Versicherer interessant geworden. Der Bereich wuchs um 12,2 Prozent und macht mittlerweile 18,8 Prozent des Neugeschäfts aus. Unterm Strich wird das Fonds-Thema damit für die Lebensversicherungsbranche immer wichtiger. Mit 4,957 Millionen Policen nähert sich der Bestand an fondsgebundenen Versicherungen nun der Fünf-Millionen-Marke. Dazu kommen rund 2,5 Millionen fondsgebundene Kapitalversicherungen.
Ob der Trend sich im laufenden Jahr weiter verstärkt, wird sich in den kommenden Monaten zeigen. Denn die starken Turbulenzen an den Börsen könnten die Lust der Deutschen auf fondsgebundene Lösungen zügeln. Gleichzeitig könnte die Zinswende dafür sorgen, dass die Versicherer wieder mehr Produkte mit höherer Rückzahlungsgarantie in ihre Angebotsportfolios nehmen.
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