Das Niedrigzinsumfeld trübt die Zukunftsaussichten der Assekuranz ein. Droht dem Sektor ein „japanisches Szenario“? Nein, sagt J.P. Morgan Cazenove und erklärt die Hintergründe.
24.02.2015 | 15:45 Uhr
Niedrige Zinsen sind schlecht für Lebensversicherungsunternehmen. Weil die Kupons für solide festverzinsliche Wertpapiere seit Jahren sinken und beispielsweise die Rendite für Bundesanleihen mit einer Laufzeit von zehn Jahren Richtung null tendiert, machen sich unter Marktbeobachtern Sorgen breit, den europäischen Lebensversicherern könnte ein „japanisches Szenario“ bevorstehen – vergleichbar mit den 1990er-Jahren und der Zeit um die Jahrtausendwende. Damals gingen einige kleinere japanische Versicherer Bankrott. Die Gründe waren einerseits der starke Zinsrückgang in Japan verbunden mit einem schlechten Durations-Match, also eine erhebliche Diskrepanz der Laufzeiten von Aktiva und Passiva. Allein schon dadurch gerieten japanische Lebensversicherer massiv unter Druck.
Auf der anderen Seite verloren die Aktienmärkte stark an Wert. Das Problem hier: Die Portfolien der japanischen Lebensversicherer waren, anders als das beispielsweise heute in Deutschland der Fall ist, vergleichsweise stark mit Aktien bestückt. Die Aktienquote lag im Jahr 2001 im Schnitt bei rund 17 Prozent. Durch den starken Kursverfall in Verbindung mit negativen Wechselkurseffekten wurden die Lebensversicherer zusätzlich belastet. Darüber hinaus hätten Lebensversicherer laut J.P. Morgan mehr auf Sparverträge und weniger auf Risikoverträge gesetzt. Problematisch: Die sogenannten Sterblichkeitsgewinne blieben aus, die entstehen, wenn weniger Todesfälle eintreten, als das kalkuliert wurde. Sterblichkeitsgewinne hätten einen Ausgleich auf der Einnahmeseite liefern können, erläutern die Studienmacher Ashik Musaddi und Kunal Zaveri, deren Untersuchung sich an Aktieninvestoren mit Fokus auf Versicherungsgesellschaften richtet. Gleichwohl weisen die Studienmacher darauf hin, dass sich die kleinen Versicherungsunternehmen damals in ihrer Asset-Allokation von den großen Playern der Branche unterschieden. Ihre Anlagestrategie sei „aggressiver“ gewesen.
Hohe Zinsrisiken und niedrige Aktienquoten
Die Autoren der Untersuchung kommen zu der Erkenntnis, dass das skizzierte „japanische Szenario“ weder für japanische börsennotierte Versicherer der Gegenwart gilt, noch für europäische Branchenvertreter. Das 1990er-Szenario unterscheide sich erheblich von der Gemengelage, mit der europäische und japanische Versicherer heute konfrontiert sind. Über alle europäischen Lebensversicherer hinweg konstatiert J.P. Morgan zunächst einmal einen vergleichsweise niedrigen Durations-Mismatch. In Europa stuft J.P. Morgan Versicherer aus Deutschland, Schweden und Österreich als diejenigen ein, bei denen der Mismatch zwischen Aktiva und Passiva besonders hoch sei. Die Lebensversicherer in der BRD kommen demnach auf den höchsten Durations-Mismatch von 10,7 Jahren. Schweden und Österreich liegen mit 10,54 und 10,09 Jahren nur knapp dahinter. Das heißt, das Zinsrisiko hat bei diesen drei einen größeren Anteil am Gesamtrisiko als in allen anderen europäischen Ländern. Entsprechend sei die Sensitivität für niedrige Zinsen des MCEV (Market Embedded Value), der den Barwert der Aktionärserträge unter Berücksichtigung der Risiken ausdrückt, in Deutschland mit am höchsten. Wesentlich besser sei die Situation in Italien und Spanien. Dort liege der Durations-Mismatch unter einem Jahr. In Irland und Großbritannien sei er sogar leicht negativ.
Die europäischen Versicherer unterscheiden sich in der Gegenwart auch im Hinblick auf ihre niedrigen Aktienquoten von denen der japanischen Assekuranz der Jahrtausendwende. Laut J.P. Morgan lag die Aktienquote der hiesigen Lebensversicherer am Ende des dritten Quartals 2014 bei vier Prozent. Das Gros der Assets entfiel zum Stichtag auf festverzinsliche Wertpapiere (80 Prozent). Immobilien und Liquidität waren mit drei beziehungsweise sechs Prozent repräsentiert.
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