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Hüfner: Umdenken beim Ölpreis

Ölpreis
Umdenken beim Ölpreis
06/2016
Martin Hüfner
Assenagon (Website)

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Mit einfachen Anlageregeln am Kapitalmarkt ist das so eine Sache. Sie ändern sich manchmal schneller als man denkt.

01.06.2016 | 16:06 Uhr




  • Steigende Ölpreise waren bisher immer eine gute Nachricht für die Börse.
  • Das wird sich ändern. Bei 50 Dollar je Barrel ist der Ölpreis bald nicht mehr Weltrisikofaktor Nummer 1.
  • Anlegen wird komplizierter. Steigende Ölpreise haben künftig unterschiedliche Wirkungen auf Regionen und Branchen.

 

An den Aktienmärkten gab es in den letzten Monaten eine Regel, auf die stets Verlass war. Immer dann, wenn die Ölpreise stiegen, ging auch die Börse nach oben. Wenn sie dagegen fielen, litten darunter auch die Aktienkurse. Das war verständlich. Der niedrige Ölpreis war eines der großen Risiken der Weltwirtschaft. Wenn er sich änderte, beeinflusste das die Stimmung der Investoren. In den letzten zwei Wochen, als der Ölpreis bis auf 50 Dollar je Barrel kletterte, konnten Anleger schöne Gewinne einfahren. 

Aber wird das so bleiben? Ich habe da so meine Zweifel. Wir müssen umdenken. 

Das liegt nicht daran, dass der Ölpreis jetzt nicht weiter steigen wird. Ich will mich an den Spekulationen über den weiteren Gang der Ölpreise nicht beteiligen. Es kann in der Tat sein, dass er jetzt wieder mal nach unten geht. Die Experten weisen darauf hin, dass die jüngste Entwicklung durch einige Sonderfaktoren bedingt war (Produktionsausfälle in Venezuela und Nigeria, Waldbrände in Kanada, sinkende Läger in den USA). Bei dem höheren Preisniveau lohnt es sich für die Amerikaner wieder mehr Öl zu fördern. Iran wird vielleicht mehr exportieren. Es sind also noch einige Turbulen¬zen an den Ölmärkten "in der Pipeline", die die Aktienmärkte verunsichern können.



Wichtiger für die Wirkungen des Ölpreises auf die Kapitalmärkte ist etwas anderes. Bei dem gegenwärtigen Preis ist Öl nicht mehr wirklich billig. 50 Dollar sind etwas mehr als der Durchschnitt der letzten dreißig Jahre (siehe Grafik).  

Seit dem Tiefpunkt Anfang des Jahres hat sich der Preis fast verdoppelt. Er liegt jetzt bei rund einem Drittel der letzten Höchstpunkte.

Damit hat sich die Welt verändert. Der Ölpreis ist drauf und dran, seine Rolle als Weltrisikofaktor Nummer 1 zu verlieren. Er ist zwar immer noch wichtig. Die Investoren schauen auf ihn aber nicht mehr wie das berühmte Kaninchen auf die Schlange. Sie haben zunehmend auch andere Dinge im Blick.

Weitere Ölpreissteigerungen haben daher jetzt differenziertere Wirkungen auf die Weltwirtschaft. Es gibt zwar immer noch Positives. Zum Beispiel helfen sie den ölproduzierenden Schwellen- und Entwicklungsländern. Hier sind nicht nur die Staaten des Nahen und Mittleren Ostens und Venezuela oder Nigeria zu nennen, sondern auch Mexiko, Brasilien und natürlich Russland. Wenn es den reichen Ölländern besser geht, wird zur Finanzierung interner Defizite auch nicht mehr so viel Kapital aus den westlichen Kapitalmärkten abgezogen.

Positiv ist darüber hinaus, dass die Deflationsgefahren geringer werden und die Inflation wieder ansteigt. Zudem wird wieder mehr ans Energiesparen und an die Reduzierung des CO2-Ausstoßes gedacht. Das hilft wichtigen Projekten wie der Einführung von Elektromobilität.

Es gibt daneben jetzt aber auch zunehmend negative Effekte. Je höher der Ölpreis, umso mehr verringert sich die Kaufkraft der Verbraucher. Benzin ist nicht mehr so billig. Der private Konsum verliert damit eine wichtige Stütze. Das wirkt sich nicht sofort aus. Es dauert immer eine Zeit bis die Haushalte ihre Kaufpläne anpassen. Aber auf Dauer müssen wir uns darauf einstellen, dass sich die Struktur des Wachstums verändert. An die Stelle des privaten Verbrauchs müssen vermehrte Investitionen und/oder eine dynamischere Exportnachfrage treten, sonst leidet das gesamtwirtschaftliche Wachstum.

Das trifft vor allem Europa und Japan. Beide werden in der weltwirtschaftlichen Entwicklung zurückfallen. In den USA wird die Kaufkraft der Konsumenten zwar auch zurückgehen. Dort wird das aber – jedenfalls zum Teil – dadurch aufgewogen, dass die eigene Energieproduktion wieder anspringt und hier mehr Einkommen geschaffen werden. 

Die bei teurerem Öl steigende Inflation wirkt sich auch auf die Geldpolitik aus. In den USA werden die kurzfristigen Zinsen schneller angehoben, die Renditekurve wird flacher. Sollte sie negativ werden, wäre dies ein Alarmzeichen für die Konjunktur. Rezessionen wurden in der Vergangenheit häufig durch inverse Zinsstrukturen eingeleitet oder verstärkt. Soweit sind wir aber glücklicherweise noch nicht.

In Europa denkt noch niemand an Zinserhöhungen. Eine steigende Inflationsrate reduziert jedoch die Wahrscheinlichkeit, dass die Europäische Zentralbank zusätzliche Lockerungsmaßnahmen ergreift. Die Wahrscheinlichkeit, dass das Wertpapierankaufsprogramm, das gerade erst aufgestockt worden ist, im nächsten März ausläuft, nimmt zu. Für die Aktienmärkte bedeutet das: Ölpreiserhöhungen über das bisherige Niveau hinaus, sind ein zweischneidiges Schwert. Die positiven Wirkungen der steigenden Preise nehmen ab, die negativen Wirkungen kommen verstärkt ins Blickfeld. Das geschieht nicht von heute auf morgen. Auf Dauer wird man jedenfalls nicht mehr davon ausgehen können, dass steigende Ölpreise für die Aktienmärkte zwangsläufig etwas Gutes sind.

Für den Anleger

Die Welt wird komplizierter. Konsumwerte werden noch eine Zeit gut laufen, die Dynamik nimmt aber ab. Man muss sich nach Alternativen umsehen. Ölwerte werden wieder interessant. Europäische und japanische Aktien, die lange Zeit ordentlich gelaufen sind, verlieren im Vergleich zu amerikanischen Werten an Attraktivität. Die Börsen der Emerging Markets werden interessanter. Gleichzeitig muss man darauf achten, wie die Zentralbanken die weitere Inflationsentwicklung beurteilen und einen möglichen Kurswechsel begründen.

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