Unter anderem gaben die Staats- und Regierungschefs der G20
eine Abschlusserklärung ab, die die Bedeutung des freien und offenen Handels
bekräftigte. Und am Rande des Gipfeltreffens vereinbarten die USA und China
einen Waffenstillstand im Handelskrieg, während die Europäische Union die
Unterzeichnung neuer Freihandelsverträge mit Vietnam und dem Mercosur-Block
(Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay) bekanntgab.
Die grundlegenden Quellen weltwirtschaftlicher Unsicherheit
aber bleiben. Bis der chinesisch-amerikanische Konflikt beigelegt ist, bleiben
Wirtschafts- und Handelsflüsse dem Risiko politischer Behinderung ausgesetzt.
Um nicht zum Kollateralschaden in diesem neuen Machtkampf der Großmächte zu
werden, gehen Japan, die EU, Kanada, Australien, Malaysia und viele andere Länder
aufeinander zu, um ihre Interessen und das internationale Handelssystem zu schützen.
Sie alle erkennen an, dass die wichtigsten Fragen im Welthandel regulatorischer
Art sind und dass es dabei um nicht Zölle, sondern um Investitionsschutz,
Subventionszahlungen an staatseigene Unternehmen, den Schutz geistigen
Eigentums und der Umwelt, das öffentliche Ausschreibungswesen, den
elektronischen Handel und den Datenverkehr geht.
Eine aktuelle Studie hat ergeben, dass sich die an den
CPTPP- und CETA-Abkommen beteiligten Länder bereits in den meisten wichtigen
Regulierungsfragen aneinander angenähert haben. Doch als Länder, die sich
weitgehend auf aktive Diplomatie und Soft Power stützen, haben sie in einem
fortdauernden, eskalierenden geopolitischen Konflikt, in dem sie unter Druck
geraten würden, sich für eine Seite zu entscheiden, enorm viel zu verlieren. Um
ihre Interessen zu verteidigen, müssen sie sicherstellen, dass der Welthandel
objektiven Mechanismen zur Beilegung von Streitigkeiten unterliegt.
Ein Bekenntnis zum Multilateralismus ist keine Bekräftigung
des Status quo. Den CPTPP- und CETA-Mitgliedstaaten ist bewusst, dass das
globale Handelssystem Probleme aufweist, darunter unvollständige oder veraltete
Regeln, die Fragen wie Subventionen für staatseigene Unternehmen unberücksichtigt
lassen. Doch sie wissen auch, dass der Bilateralismus – mit dem Versuch kleiner
Länder, von gleich zu gleich mit den Supermächten zu verhandeln – keine
Alternative ist. Die Antwort ist daher, das multilaterale Handelssystem wieder
ins Gleichgewicht zu bringen und das Vertrauen in das System
wiederherzustellen, indem man eine neue Partnerschaft zwischen der EU und den
CPTPP-Ländern schmiedet.
Eine europazifische Partnerschaft zwischen EU und CPTPP würde
31% des weltweiten BSP und 40% des gesamten Handels repräsentieren. Damit hätte
sie beträchtlichen Einfluss auf die Festlegung gemeinsamer Prinzipien und
Normen für den Welthandel. Dieses Ziel ist angesichts der Tatsache, dass die EU
inzwischen Handelsabkommen mit fast jedem CPTPP-Land, einschließlich von
Vietnam, geschlossen hat, durchaus erreichbar. Zudem würde eine neue
Partnerschaft kein neues Handelsabkommen erfordern, sondern lediglich eine
Konsolidierung bestehender Abkommen.
Die Gründe für die Bildung einer europazifischen
Partnerschaft sind gleichermaßen politischer wie wirtschaftlicher Art. Die sich
weiter dem Multilateralismus verpflichtet fühlenden Länder müssen eine starke
Botschaft aussenden, dass sie die freiheitlichen Werte und Institutionen, die andere
Länder aufgegeben oder für überholt erklärt haben, verteidigen werden.
Daher muss eine neue Partnerschaft, auch wenn sie mit EU und
CPTPP beginnen könnte, allen Ländern offenstehen, sofern diese bestimmte Regeln
und Grundsätze akzeptieren. Die Mitgliedschaft wiederum würde als
Versicherungspolice für den Fall eines neuerlichen chinesisch-amerikanischen
Konflikts dienen. Wir wissen inzwischen, dass ein Handels- und Technologiekrieg
weitreichende Folgen für die Weltwirtschaft haben kann. Diejenigen, die darauf
beharrten, dass Protektionismus in einer Welt globaler Wertschöpfungsketten unmöglich
sei, haben sich geirrt.
Die von uns vorgeschlagene Partnerschaft würde auf den
folgenden 12 Prinzipien beruhen:
1. Anerkennung
der Welthandelsorganisation (WTO) als das zentrale Forum des Welthandelssystems
und als wichtigste Plattform zur Beilegung von Streitigkeiten
2. Klarstellung,
Vertiefung und Modernisierung der Regeln in den Prioritätsbereichen staatliche
Subventionen, Rolle staatseigener Unternehmen und Durchsetzung des Schutzes
geistigen Eigentums
3. Entwicklung
neuer Regeln in Bezug auf den elektronischen Handel und den Datenverkehr im
Geiste des Osaka Track, der auf dem G20-Gipfel von 24 Unterzeichnerstaaten
verabschiedet wurde, um einen digitalen Steuerungsrahmen zu formulieren
4. Garantie der
Sicherheit ausländischer Investitionen und des Marktzugangs, auch wenn sich die
einzelnen Staaten die Freiheit zur Festlegung ihrer jeweiligen Ordnungspolitik
bewahren
5. Transparenz und
Gegenseitigkeit beim Zugang zum öffentlichen Beschaffungswesen
6. Einhaltung des
Pariser Klimaabkommens von 2015
7. Respekt für
grundlegende Rechte und Freiheiten einschließlich der Assoziationsfreiheit
8. Mögliche
Einrichtung eines modernisierten gemeinsamen Mechanismus zur Beilegung von
Streitigkeiten im Einklang mit den WTO-Prinzipien
9. Regulatorische
Einheitlichkeit zwischen EU und CPTPP-Ländern
10. Einrichtung eines
Mechanismus für regelmäßige hochrangige politische Konsultationen zwischen EU
und CPTPP-Ländern
11. Schaffung von
Arbeitsgruppen in allen Sektoren, wo gemeinsame oder harmonisierte Positionen
den gemeinsamen Interessen der Mitgliedsvolkswirtschaften förderlich sein könnten
12. Wille zum Aufbau
eines Gebietes des Friedens und des Wohlstands frei von geopolitischer
Konkurrenz
Diese Prinzipien allein werden den Multilateralismus nicht
retten. Doch müssen die Länder, die sich diesem Ideal weiterhin verpflichtet fühlen,
einen neuen Weg voran abstecken. Es steht zu hoffen, dass die EU, Japan und
Canada im Gefolge des G7-Gipfels in Frankreich im kommenden Monat die genauen
Modalitäten einer neuen Partnerschaft bis Ende 2020 billigen und definieren
werden. Es ist Zeit, dass sich die Multilateralisten in Verteidigung ihrer
Prinzipien gemeinsam energisch zu Wort melden.
Zaki Laïdi ist
Professor für internationale Beziehungen an der Sciences Po. Shumpei Takemori
ist Professor für Ökonomie an der Keio-Universität in Tokio. Yves Tiberghien
ist Professor für politische Wissenschaft an der University of British Columbia
in Vancouver.
Copyright: Project
Syndicate
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