Die europäischen Aufsichtsbehörden für den Finanzmarkt haben untersucht, wie sich kurzfristig orientiertes Anlageverhalten auswirkt. Das Ergebnis: Mehr nachhaltige Anlagen würden sowohl der Realwirtschaft als auch den Investoren guttun.
31.01.2020 | 07:30 Uhr
Unternehmen sind gewinnorientierte Veranstaltungen. Insbesondere börsennotierte Firmen stehen deshalb unter Druck, ihren Aktionären stetig neue Erfolgsmeldungen zu präsentieren. Quartalsbilanzen sind für große Konzerne obligatorisch. Doch auch kleinere Unternehmen sind, je nach Börsensegment und dessen Vorschriften, dazu angehalten, regelmäßig über ihre Geschäftstätigkeiten Auskunft zu geben. Investoren haben diese Statements stets im Blick und richten ihr Anlageverhalten danach aus. Kritische Stimmen sagen, dass der Druck auf Unternehmenslenker, kurzfristig immer neue Ertragssteigerungen zu erreichen und zu melden, langfristig sowohl für die Unternehmen selbst als auch für die Investoren schädlich ist. Denn langfristig wünschenswerte Ziele zum Aufbau von Werten würden oft zugunsten kurzfristiger Ziele vernachlässigt.
Die Europäische Kommission wollte es genauer wissen und beauftragte deshalb die drei europäischen Aufsichtsbehörden (European Supervisory Authorities – ESAs), mehr über kurzfristigen Druck auf dem Finanzmarkt herauszufinden und zu untersuchen, ob sich dieser Druck schädlich auf Unternehmen des Finanzsektors und der Realwirtschaft auswirkt. Nun haben die Behörden ihre Berichte vorgelegt und sind dabei zu bemerkenswerten Einschätzungen gekommen.
Die Europäische Marktaufsichtsbehörde ESMA stellt in ihrem Bericht unter anderem fest, dass bei Finanzanalysten der Fokus eher auf kurzfristigem Handeln liegt. Die Aufsichtsbehörde empfiehlt der Europäischen Kommission die Integration von Nachhaltigkeitsrisiken und Nachhaltigkeitsfaktoren, um Analysten dazu zu motivieren, verstärkt auch eine längerfristig ausgerichtete Perspektive einzunehmen. Denn die ESMA geht davon aus, dass es einem eher kurzfristigen Anlageverhalten entgegenwirkt, wenn Unternehmen Informationen veröffentlichen, inwiefern sie die Faktoren Umwelt, Soziales und gute Unternehmensführung (Environmental, Social and Governance – ESG) berücksichtigen. Neue Transparenzanforderungen könnten laut ESMA in die Richtlinie 2014/95/EU integriert werden. So sei es etwa denkbar, Angaben zu ESG-Kriterien in den Jahresbericht aufzunehmen.
Europas Bankenaufsichtsbehörde, kurz EBA, hat im Gegensatz zur ESMA deutlich weniger konkrete Belege für kurzfristiges Denken im Finanzsystem gefunden. In der europäischen Regulatorik gebe es zudem einige Elemente, die kurzfristigen Druck mildern könnten. Dazu zählen beispielsweise Vorgaben zur Governance von Banken und Vergütungsregeln sowie auch die strukturelle Liquiditätsquote aus der zweiten europäischen Eigenmittelverordnung (Capital Requirement Regulation 2 – CRR 2). Zu den Empfehlungen, die die Bankenaufsicht dem europäischen Gesetzgeber gibt, zählt eine robuste Regulierung, die ihre etwaigen unbeabsichtigten Folgen im Blick behält. Die EBA empfiehlt der Politik, auf eine zentralisierte Datenbank für Umweltdaten im Finanzsektor hinzuwirken.
Auch die Europäische Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung EIOPA fand keine eindeutigen Beweise für ein unangemessenes kurzfristiges Verhalten bei Versicherungsunternehmen und Einrichtungen der betrieblichen Altersversorgung (EbAV). Ebenso wenig konnte EIOPA einen unangemessenen Druck der Finanzmärkte auf Versicherungsunternehmen und EbAV eindeutig nachweisen. Allerdings empfiehlt die EIOPA der EU-Kommission, ein sektorübergreifendes Rahmenwerk zu entwickeln, das langfristige Investments fördert und ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum auf europäischer Ebene unterstützt. Zudem befürwortet die EIOPA langfristige Performance-Benchmarks, da sie ihren Fokus stärker auf die langfristige Wertschöpfung richten, anstatt unmittelbare Aktionärsinteressen zu befriedigen oder kurzfristige Rentabilitätsziele zu erreichen.
Fazit: Die drei europäischen Aufsichtsbehörden beurteilen zwar unterschiedlich, wie groß der Druck auf Unternehmen und Finanzmarktteilnehmer derzeit ist, ihren Fokus auf kurzzeitige Ziele zu legen. Einig sind sie sich aber darin, dass langfristiges Denken und Handeln durch den Gesetzgeber gefördert werden sollte. Nachhaltige Anlagen sind dazu geeignet. Allerdings, so die EBA und die EIOPA, müsse dafür auch das passende Regelwerk geschaffen und dessen Umsetzung in der Praxis gewährleistet sein.
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