Auf den ersten Blick scheinen ETF den Anlegern
sorgenfreies und kostengünstiges Investieren zu ermöglichen, aber zumindest bei
Anleihen-Investments sind aktive Investmentfonds oft die bessere Wahl. Bei
genauerer Betrachtung haben ETF nämlich ungünstigere Eigenschaften:
Eingeschränkte
Asset Allocation
In schmerzlicher Erinnerung dürfte vielen ETF-Anlegern
noch das Jahr 2022 sein: Während aktiv verwaltete Anleihenfonds durch eine
geschickte Steuerung der Anleihenlaufzeiten und Absicherung gegen steigende
Zinsen die Verluste teilweise deutlich reduzieren konnten, rutschten
Anleihen-ETF tief ins Minus. Erst während der anschließenden Kurserholung
infolge wieder sinkender Zinsen ab Oktober 2023 konnten sie langsam aus der
Verlustzone zurückkehren. Anleger, die in der Zwischenzeit einen Teil ihres in
Anleihen-ETF investierten Geldes brauchten, mussten die Verluste realisieren.
Einige taten dies auch, weil sie die hohe Volatilität nicht aushielten.
Die Grafik zeigt deutlich den
Vorteil von aktivem Management am Beispiel des sicherheitsorientierten
EUR-Anleihenfonds Bantleon Return IA: Der Kurseinbruch des »FTSE Eurozone Government Bond Index« und des darauf basierenden iShares Core EUR Govt Bond UCITS ETF war
viel stärker. Während Investoren des Anleihenfonds Bantleon Return IA bereits die Verluste fast vollständig
aufgeholt haben, ist es für ETF-Anleger noch ein weiter Weg bis in die
Gewinnzone.
Dieses Beispiel macht deutlich, dass ETF es
Anlegern zwar ermöglichen, mit geringem Kapitaleinsatz global zu investieren
und auch zu diversifizieren, indem sie verschiedene ETF miteinander
kombinieren. Der langfristige Anlageerfolg setzt jedoch ein umfassendes Wissen
über die Finanzmärkte und die konjunkturelle Entwicklung voraus, die Treiber
der wesentlichen liquiden Assetklassen ist. Zudem sollte die
Vermögensaufteilung wegen der manchmal schnellen Veränderungen an den
Finanzmärkten nie statisch sein, sondern bei Bedarf an das Umfeld angepasst
werden. Das gilt nicht nur für die Mischung einzelner Assetklassen, sondern
eben auch für die Ausrichtung von Anleihenfonds.
Ein weiterer wichtiger Baustein beim
erfolgreichen Anleihenmanagement ist die aktive Steuerung der Anleihenklassen
und Schuldnerrisiken. Hier verfügen aktive Manager über mehrere Stellschrauben,
die ein ETF nicht hat. In unseren Anleihenfonds wurden beispielsweise Anfang
2023 die attraktiven Risikoprämien genutzt, um den Anteil an Covered Bonds zu
erhöhen und gleichzeitig in attraktive Coupons umzuschichten. Damit wurde
schnell eine attraktive Verzinsung erreicht, auf die ETF-Anleger verzichten
mussten.
Prämie
für Handelbarkeit
Aktiv gemanagte Investmentfonds kann man nur
einmal am Tag zum offiziellen Preis, dem Nettoinventarwert (Net Asset Value =
NAV), handeln. ETF
hingegen lassen sich in der Regel während der offiziellen Öffnungszeiten an
zahlreichen Börsenplätzen handeln. Allerdings ist der Preis, den Anleger dort
erhalten beziehungsweise bezahlen, auch nur eine ungefähre Ermittlung des
inneren Wertes. Vor allem dann, wenn es sich um ETF aus anderen Zeitzonen oder
weniger liquide Anlagen handelt. Je risikoreicher die zugrunde liegenden
Anleihen in einem ETF sind, desto wahrscheinlicher ist es, dass der Anleger
beim Kauf eine Prämie zahlen muss. In ruhigen Börsenphasen und bei einem sehr
liquiden Anleihensegment ist das kein Problem, aber in Stressphasen kann es zu
sehr großen Abweichungen zwischen dem gehandelten Preis und dem NAV kommen.
Generell kalkulieren ETF-Anbieter einen gewissen Handelsaufschlag ein, den der
Kunde zahlt und erweitern in Krisenphasen diese Spanne zwischen An- und
Verkaufskosten.
Ungleichgewicht bei Angebot und Nachfrage
Wenn die Nachfrage – beispielsweise nach
Corporate Hybrids (Nachranganleihen von Industrieunternehmen) – hoch ist,
während das Angebot aufgrund einer geringen Primärmarktaktivität in Kombination
mit einem risikofreudigen Marktumfeld begrenzt ist, wird der Marktpreis in der
Regel über dem NAV liegen.
Preisverzerrung durch Marktstimmung
Sehr lange positive Marktphasen
führen dazu, dass Anleger durch ihre wachsende Nachfrage die Preise der ETF und
somit die Prämie zum NAV mittelfristig erhöhen. Daher sind auch Krisenphasen
ein erhöhtes Risiko für investierte Anleger, da der Abschlag beim Verkauf während
starker Marktturbulenzen bei Nischenprodukten deutlich erhöht ist. Dies hängt
vor allem mit der geringeren Liquidität in solchen Marktphasen zusammen. Welches Ausmaß die Abweichung
zwischen dem handelbaren Kurs und dem inneren Wert erreichen kann, zeigt die folgende
Grafik.
Laufende
Kosten nicht immer tief
Breit gestreute und sehr liquide
Anleihenindizes, wie zum Beispiel die Familie des »FTSE Eurozone Government Bond Index«, lassen sich von ETF-Anbietern
leicht nachbilden. Die Handelskosten sind daher gering und ETF sammeln hier
schnell große Volumen an, weshalb Anleger nur eine geringe Verwaltungsvergütung
von in der Regel weniger als 0,25 Prozent zahlen müssen. Bei aktiv verwalteten
Anleihenfonds sind die Verwaltungskosten dagegen höher und hinzukommt
gegebenenfalls ein Ausgabeaufschlag. Bei weniger liquiden Anleihensegmenten,
wie beispielsweise Nachranganleihen oder Emerging Markets, ist das nicht der
Fall, da hier die Verwaltungsvergütung von ETF auch deutlich höher ist und
Anleger zudem über höhere An- und Verkaufspreads mit versteckten Kosten
konfrontiert sind. Das Argument, ETF seien viel günstiger, greift also nicht
immer.
Konzentrationsrisiken
Ein generelles Problem bei den meisten ETF ist,
dass strukturelle Nachteile der Indexkonstruktion vom ETF übernommen werden, da
ja in der Regel der Index abgebildet wird. Dies gilt sowohl für Aktien- als
auch für Anleihenfonds: Über den Erwerb eines Anleihen-ETF kaufen Anleger einen
breiten Index, zum Beispiel den »ICE BofA Euro Senior Non-Financial
Index« für Unternehmensanleihen oder den »JP Morgan EMBI Global Core Index« für das Segment Emerging Markets. Dies ermöglicht den Zugang zu sehr
großen und vermeintlich breit gestreuten Indizes. Somit erwirbt ein Investor
die Wertentwicklung des Index und damit auch die Konstruktionsnachteile des Indexanbieters,
zum Beispiel die Gewichtung nach Marktkapitalisierung. Es findet keine aktive
Titelauswahl oder Analyse von Einzelwerten statt, denn alle Titel werden je
nach ihrer Indexgewichtung auch in den ETF gehalten. Dies führt mitunter dazu,
dass einzelne Schuldner ein sehr großes Gewicht am Index und damit auch im ETF
haben – einfach, weil sie stark verschuldet sind (zum Beispiel Argentinien) –
und nicht, weil es sich hier um Anleihen mit einem guten Risiko-Ertrags-Profil
handelt. Regulatorische Vorschriften verhindern dagegen bei aktiven Investmentfonds
von Anfang an die Bildung von Klumpenrisiken. Aber solange die Anleihenkurse
steigen, wird niemand diese Entwicklung kritisieren.
Leider besteht dieser Effekt aber auch bei sinkenden
Kursen: Kommt es zu Kursrückgängen einzelner Anleihen, führt dies zu
Mittelabflüssen aus dem ETF. Somit sind die ETF-Anbieter gezwungen, alle
Anleihen im gleichen Umfang zu verkaufen und verstärken damit den
allgemeinen Abwärtstrend im jeweiligen Index. Der erhoffte
Diversifikationseffekt entfällt damit.
Liquiditätsproblem
ETF können in der Regel keine
Liquidität halten, weil sie stets – wie ein Index – voll investiert sind.
Deshalb sind sie bei starken Mittelzu- und -abflüssen einem erhöhten
Liquiditätsrisiko ausgesetzt. Das heißt, dass ETF täglich kaufen
beziehungsweise verkaufen müssen, um den Vergleichsindex abzubilden und dass
sie ihre Transaktionen nicht an Marktchancen anpassen können.
Währungsrisiken
ETF und auch aktive Investmentfonds,
die in Fremdwährungsanleihen investieren, sind immer einem Währungsrisiko
ausgesetzt. ETF-Anleger haben keine Möglichkeit, die sich hieraus ergebenden
Risiken selbst zu steuern oder Chancen zu nutzen. In aktiv verwalteten Fonds
ist das Management von Währungsrisiken hingegen eine wichtige Quelle für
zusätzliche Erträge, weshalb sie vom Portfolio Manager aktiv gesteuert werden.
Das
spricht für aktive Anleihenfonds:
Zwar haben ETF in steigenden Märkten wegen der
geringeren Verwaltungskosten oft die Nase vorn. Dieser Nachteil wird von guten
aktiven Fonds jedoch schnell aufgeholt, denn ETF-Anleger können ja nur so gut
sein wie der Vergleichsindex minus Kosten und niemals besser. Die Entscheidung
zwischen aktivem oder passivem Anleihenfonds hängt also auch von der Erwartung
für die kommenden Monate ab: Aktive Anleihenmanager können bei steigenden
Zinsen die Laufzeiten stark verkürzen, um Kursverluste zu minimieren. Zudem können
sie Schuldner sorgfältig auswählen, um Ausfallrisiken sowie Kursverluste
infolge von Bonitätsverschlechterungen zu vermeiden. Die vermeintliche
Risikostreuung, die durch die Anlage in ETF erzielt wird, ist nur begrenzt:
Aktive Fonds haben tatsächlich viel mehr Möglichkeiten, Risiken zu streuen, als
ETF. Die erwähnten Indexnachteile aufgrund von Klumpenrisiken sind bei aktiven
Fonds regulatorisch ausgeschlossen.
Darüber hinaus ist gerade bei Nischensegmenten
wie Corporate Hybrids aktives Management der Schlüssel zum Erfolg. Solche
Anleihen sollten in positiven wie negativen Marktphasen aktiv bewirtschaftet
werden, um die individuellen Risiken zu berücksichtigen. Zudem können aktive
Manager mit der Steuerung der Liquiditätsquote Mittelabflüsse abfedern, während
ein ETF mit hohen Abschlägen handelt.
Jede Vermögensstruktur muss auf die Optimierung
von Ertrag, Risiko und Kosten gerichtet sein. Zur Abbildung der passiven
Basisaktienquote sind breit streuende, liquide Aktien-ETF ohne Zweifel
geeignet. Im deutlich komplexeren Anleihensegment sind Investoren jedoch mit
einer Auswahl an aktiv verwalteten Anleihenfonds besser beraten.
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