Exchange Traded Funds (ETF) erfreuen sich bereits seit vielen Jahren einer zunehmenden Beliebtheit bei Anlegern. Inzwischen steht ihnen eine sehr breite Produktpalette zur Auswahl und ermöglicht den Zugang nicht nur zu großen Indizes, sondern auch zu zahlreichen Nischenmärkten. Doch es gibt auch schwerwiegende Nachteile.
04.07.2024 | 14:00 Uhr
Auf den ersten Blick scheinen ETF den Anlegern sorgenfreies und kostengünstiges Investieren zu ermöglichen, aber zumindest bei Anleihen-Investments sind aktive Investmentfonds oft die bessere Wahl. Bei genauerer Betrachtung haben ETF nämlich ungünstigere Eigenschaften:
Eingeschränkte Asset Allocation
In schmerzlicher Erinnerung dürfte vielen ETF-Anlegern noch das Jahr 2022 sein: Während aktiv verwaltete Anleihenfonds durch eine geschickte Steuerung der Anleihenlaufzeiten und Absicherung gegen steigende Zinsen die Verluste teilweise deutlich reduzieren konnten, rutschten Anleihen-ETF tief ins Minus. Erst während der anschließenden Kurserholung infolge wieder sinkender Zinsen ab Oktober 2023 konnten sie langsam aus der Verlustzone zurückkehren. Anleger, die in der Zwischenzeit einen Teil ihres in Anleihen-ETF investierten Geldes brauchten, mussten die Verluste realisieren. Einige taten dies auch, weil sie die hohe Volatilität nicht aushielten.
Die Grafik zeigt deutlich den Vorteil von aktivem Management am Beispiel des sicherheitsorientierten EUR-Anleihenfonds Bantleon Return IA: Der Kurseinbruch des »FTSE Eurozone Government Bond Index« und des darauf basierenden iShares Core EUR Govt Bond UCITS ETF war viel stärker. Während Investoren des Anleihenfonds Bantleon Return IA bereits die Verluste fast vollständig aufgeholt haben, ist es für ETF-Anleger noch ein weiter Weg bis in die Gewinnzone.
Dieses Beispiel macht deutlich, dass ETF es Anlegern zwar ermöglichen, mit geringem Kapitaleinsatz global zu investieren und auch zu diversifizieren, indem sie verschiedene ETF miteinander kombinieren. Der langfristige Anlageerfolg setzt jedoch ein umfassendes Wissen über die Finanzmärkte und die konjunkturelle Entwicklung voraus, die Treiber der wesentlichen liquiden Assetklassen ist. Zudem sollte die Vermögensaufteilung wegen der manchmal schnellen Veränderungen an den Finanzmärkten nie statisch sein, sondern bei Bedarf an das Umfeld angepasst werden. Das gilt nicht nur für die Mischung einzelner Assetklassen, sondern eben auch für die Ausrichtung von Anleihenfonds.
Ein weiterer wichtiger Baustein beim erfolgreichen Anleihenmanagement ist die aktive Steuerung der Anleihenklassen und Schuldnerrisiken. Hier verfügen aktive Manager über mehrere Stellschrauben, die ein ETF nicht hat. In unseren Anleihenfonds wurden beispielsweise Anfang 2023 die attraktiven Risikoprämien genutzt, um den Anteil an Covered Bonds zu erhöhen und gleichzeitig in attraktive Coupons umzuschichten. Damit wurde schnell eine attraktive Verzinsung erreicht, auf die ETF-Anleger verzichten mussten.
Prämie für Handelbarkeit
Aktiv gemanagte Investmentfonds kann man nur einmal am Tag zum offiziellen Preis, dem Nettoinventarwert (Net Asset Value = NAV), handeln. ETF hingegen lassen sich in der Regel während der offiziellen Öffnungszeiten an zahlreichen Börsenplätzen handeln. Allerdings ist der Preis, den Anleger dort erhalten beziehungsweise bezahlen, auch nur eine ungefähre Ermittlung des inneren Wertes. Vor allem dann, wenn es sich um ETF aus anderen Zeitzonen oder weniger liquide Anlagen handelt. Je risikoreicher die zugrunde liegenden Anleihen in einem ETF sind, desto wahrscheinlicher ist es, dass der Anleger beim Kauf eine Prämie zahlen muss. In ruhigen Börsenphasen und bei einem sehr liquiden Anleihensegment ist das kein Problem, aber in Stressphasen kann es zu sehr großen Abweichungen zwischen dem gehandelten Preis und dem NAV kommen. Generell kalkulieren ETF-Anbieter einen gewissen Handelsaufschlag ein, den der Kunde zahlt und erweitern in Krisenphasen diese Spanne zwischen An- und Verkaufskosten.
Ungleichgewicht bei Angebot und Nachfrage
Wenn die Nachfrage – beispielsweise nach Corporate Hybrids (Nachranganleihen von Industrieunternehmen) – hoch ist, während das Angebot aufgrund einer geringen Primärmarktaktivität in Kombination mit einem risikofreudigen Marktumfeld begrenzt ist, wird der Marktpreis in der Regel über dem NAV liegen.
Preisverzerrung durch Marktstimmung
Sehr lange positive Marktphasen führen dazu, dass Anleger durch ihre wachsende Nachfrage die Preise der ETF und somit die Prämie zum NAV mittelfristig erhöhen. Daher sind auch Krisenphasen ein erhöhtes Risiko für investierte Anleger, da der Abschlag beim Verkauf während starker Marktturbulenzen bei Nischenprodukten deutlich erhöht ist. Dies hängt vor allem mit der geringeren Liquidität in solchen Marktphasen zusammen. Welches Ausmaß die Abweichung zwischen dem handelbaren Kurs und dem inneren Wert erreichen kann, zeigt die folgende Grafik.
Laufende Kosten nicht immer tief
Breit gestreute und sehr liquide Anleihenindizes, wie zum Beispiel die Familie des »FTSE Eurozone Government Bond Index«, lassen sich von ETF-Anbietern leicht nachbilden. Die Handelskosten sind daher gering und ETF sammeln hier schnell große Volumen an, weshalb Anleger nur eine geringe Verwaltungsvergütung von in der Regel weniger als 0,25 Prozent zahlen müssen. Bei aktiv verwalteten Anleihenfonds sind die Verwaltungskosten dagegen höher und hinzukommt gegebenenfalls ein Ausgabeaufschlag. Bei weniger liquiden Anleihensegmenten, wie beispielsweise Nachranganleihen oder Emerging Markets, ist das nicht der Fall, da hier die Verwaltungsvergütung von ETF auch deutlich höher ist und Anleger zudem über höhere An- und Verkaufspreads mit versteckten Kosten konfrontiert sind. Das Argument, ETF seien viel günstiger, greift also nicht immer.
Konzentrationsrisiken
Ein generelles Problem bei den meisten ETF ist, dass strukturelle Nachteile der Indexkonstruktion vom ETF übernommen werden, da ja in der Regel der Index abgebildet wird. Dies gilt sowohl für Aktien- als auch für Anleihenfonds: Über den Erwerb eines Anleihen-ETF kaufen Anleger einen breiten Index, zum Beispiel den »ICE BofA Euro Senior Non-Financial Index« für Unternehmensanleihen oder den »JP Morgan EMBI Global Core Index« für das Segment Emerging Markets. Dies ermöglicht den Zugang zu sehr großen und vermeintlich breit gestreuten Indizes. Somit erwirbt ein Investor die Wertentwicklung des Index und damit auch die Konstruktionsnachteile des Indexanbieters, zum Beispiel die Gewichtung nach Marktkapitalisierung. Es findet keine aktive Titelauswahl oder Analyse von Einzelwerten statt, denn alle Titel werden je nach ihrer Indexgewichtung auch in den ETF gehalten. Dies führt mitunter dazu, dass einzelne Schuldner ein sehr großes Gewicht am Index und damit auch im ETF haben – einfach, weil sie stark verschuldet sind (zum Beispiel Argentinien) – und nicht, weil es sich hier um Anleihen mit einem guten Risiko-Ertrags-Profil handelt. Regulatorische Vorschriften verhindern dagegen bei aktiven Investmentfonds von Anfang an die Bildung von Klumpenrisiken. Aber solange die Anleihenkurse steigen, wird niemand diese Entwicklung kritisieren.
Leider besteht dieser Effekt aber auch bei sinkenden Kursen: Kommt es zu Kursrückgängen einzelner Anleihen, führt dies zu Mittelabflüssen aus dem ETF. Somit sind die ETF-Anbieter gezwungen, alle Anleihen im gleichen Umfang zu verkaufen und verstärken damit den allgemeinen Abwärtstrend im jeweiligen Index. Der erhoffte Diversifikationseffekt entfällt damit.
Liquiditätsproblem
ETF können in der Regel keine Liquidität halten, weil sie stets – wie ein Index – voll investiert sind. Deshalb sind sie bei starken Mittelzu- und -abflüssen einem erhöhten Liquiditätsrisiko ausgesetzt. Das heißt, dass ETF täglich kaufen beziehungsweise verkaufen müssen, um den Vergleichsindex abzubilden und dass sie ihre Transaktionen nicht an Marktchancen anpassen können.
Währungsrisiken
ETF und auch aktive Investmentfonds, die in Fremdwährungsanleihen investieren, sind immer einem Währungsrisiko ausgesetzt. ETF-Anleger haben keine Möglichkeit, die sich hieraus ergebenden Risiken selbst zu steuern oder Chancen zu nutzen. In aktiv verwalteten Fonds ist das Management von Währungsrisiken hingegen eine wichtige Quelle für zusätzliche Erträge, weshalb sie vom Portfolio Manager aktiv gesteuert werden.
Das spricht für aktive Anleihenfonds:
Zwar haben ETF in steigenden Märkten wegen der geringeren Verwaltungskosten oft die Nase vorn. Dieser Nachteil wird von guten aktiven Fonds jedoch schnell aufgeholt, denn ETF-Anleger können ja nur so gut sein wie der Vergleichsindex minus Kosten und niemals besser. Die Entscheidung zwischen aktivem oder passivem Anleihenfonds hängt also auch von der Erwartung für die kommenden Monate ab: Aktive Anleihenmanager können bei steigenden Zinsen die Laufzeiten stark verkürzen, um Kursverluste zu minimieren. Zudem können sie Schuldner sorgfältig auswählen, um Ausfallrisiken sowie Kursverluste infolge von Bonitätsverschlechterungen zu vermeiden. Die vermeintliche Risikostreuung, die durch die Anlage in ETF erzielt wird, ist nur begrenzt: Aktive Fonds haben tatsächlich viel mehr Möglichkeiten, Risiken zu streuen, als ETF. Die erwähnten Indexnachteile aufgrund von Klumpenrisiken sind bei aktiven Fonds regulatorisch ausgeschlossen.
Darüber hinaus ist gerade bei Nischensegmenten wie Corporate Hybrids aktives Management der Schlüssel zum Erfolg. Solche Anleihen sollten in positiven wie negativen Marktphasen aktiv bewirtschaftet werden, um die individuellen Risiken zu berücksichtigen. Zudem können aktive Manager mit der Steuerung der Liquiditätsquote Mittelabflüsse abfedern, während ein ETF mit hohen Abschlägen handelt.
Jede Vermögensstruktur muss auf die Optimierung von Ertrag, Risiko und Kosten gerichtet sein. Zur Abbildung der passiven Basisaktienquote sind breit streuende, liquide Aktien-ETF ohne Zweifel geeignet. Im deutlich komplexeren Anleihensegment sind Investoren jedoch mit einer Auswahl an aktiv verwalteten Anleihenfonds besser beraten.
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